OGH 12Os71/09x

OGH12Os71/09x2.7.2009

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. Juli 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. T. Solé und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Eberwein als Schriftführer, in der Strafsache gegen Tony J***** und Henry Chuks E***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 4 Z 3 SMG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Tony J***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 4. März 2009, GZ 042 Hv 9/08m-235, sowie dessen Beschwerde gegen den unter einem gefassten Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Tony J***** und aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen - einschließlich der Entscheidung über die Einziehung des Suchtgifts und der Abschöpfung der Bereicherung - unberührt bleibt, hinsichtlich beider Angeklagter in der Unterstellung der Taten jeweils auch unter die Qualifikation des § 28a Abs 4 Z 3 SMG und demgemäß in den Strafaussprüchen einschließlich der Vorhaftanrechnung, hinsichtlich Tony J***** auch der mit dem Strafausspruch verbundene Beschluss nach § 494a Abs 1 Z 4 StPO aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung verwiesen. Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit seiner Berufung und seiner Beschwerde wird der Angeklagte Tony J***** auf die teilkassatorische Entscheidung verwiesen. Diesem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, von Henry Chuks E***** unbekämpft gebliebenen, auch in Rechtskraft erwachsene Teilfreisprüche umfassenden Urteil wurden Tony J***** und Henry Chuks E***** jeweils des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, Tony J***** als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB, schuldig erkannt. Danach haben die Genannten in Wien vorschriftswidrig A./ Henry Chuks E***** Suchtgift in einer das 25-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge eingeführt, indem er am 23. November 2007 101 Bodypacks Kokain mit einem Reinheitsgehalt von etwa 505 Gramm von Amsterdam nach Wien brachte;

B./ Tony J***** zu der unter Punkt A./ geschilderten Tathandlung des Henry Chuks E***** dadurch beigetragen, dass er die Übernahme des Suchtgifts in Wien zusagte.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diesen Schuldspruch gerichtete, auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 9 lit a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Tony J***** ist teilweise im Recht.

Zutreffend zeigt die Subsumtionsrüge (Z 10) das Fehlen von Feststellungen zur subjektiven Tatseite in Bezug auf die Einfuhr von Suchtgift in einer das 25-fache der Grenzmenge übersteigenden Menge auf. Die Tatrichter gingen in ihren Urteilsannahmen nämlich nur davon aus, dass der Angeklagte J***** zwar weder die Art des Suchtgifts noch dessen exakte Menge mitgeteilt worden war, er es aber dennoch ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, „dass er durch Bestätigen des Übergabetermins zur Einfuhr von Suchtgift nach Österreich, nämlich von Kokain in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge beitrug" (US 7 iVm 13).

Dieser Mangel an Konstatierungen zur subjektiven Tatseite liegt auch in Ansehung des Angeklagten E*****, der keine Nichtigkeitsbeschwerde erhoben hat (§ 290 Abs 1 StPO), vor. Denn das Erstgericht stellte auch in Ansehung seiner Person bloß fest, dass er es ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, „Kokain in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge nach Österreich einzuführen" (US 8 iVm 13). Das Urteil war daher hinsichtlich beider Angeklagter in der rechtlichen Unterstellung der Taten auch unter die Qualifikation des § 28 Abs 4 Z 3 SMG sowie demgemäß auch im Strafausspruch bei nichtöffentlicher Beratung sofort aufzuheben und in diesem Umfang eine neue Hauptverhandlung anzuordnen (§ 285e StPO). Die durch die Kassation zerschlagene Subsumtionseinheit nach § 28 Abs 4 Z 3 SMG wird im zweiten Rechtsgang für den Fall der Erweislichkeit eines entsprechenden Vorsatzes neu zu bilden sein (13 Os 1/07g; Ratz, WK-StPO § 289 Rz 10).

Im Übrigen kommt der Nichtigkeitsbeschwerde jedoch keine Berechtigung zu.

Durch die Abweisung des in der Hauptverhandlung vom 4. März 2009 gestellten Antrags „zum Beweis dafür, dass der vorgezeigte Zettel (mit der Aufschrift ‚Henry Chuks E*****') nicht vom Angeklagten J***** stammt, die Untersuchung des Zettels nach Fingerabdrücken sowie ein Schriftgutachten zum Beweis dafür, dass die Schrift nicht von J***** herrührt, wobei beispielsweise darauf verwiesen wird, dass aus Aufzeichnungen hervorgeht, dass er den Buchstaben ‚H' groß schreibt (S 171 zB)" sowie „die Einholung eines DNA-Gutachtens zum Beweis dafür, dass der Erstangeklagte J***** den Zettel niemals berührt hat, da er auch nicht von ihm stammt" (S 5 f in ON 234), wurden Verteidigungsrechte des Beschwerdeführers nicht geschmälert (Z 4). Denn das Antragsvorbringen lässt nicht erkennen, aufgrund welcher Erwägungen der begehrten Beweisaufnahme die Eignung zukäme, das Vorliegen oder Fehlen eines für die Lösung der Schuld- oder der Subsumtionsfrage erheblichen Umstands (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 321) zu beweisen. Es legt nämlich nicht dar (WK-StPO § 281 Rz 330; RIS-Justiz RS0118444), weshalb davon auszugehen sei, dass bei nicht nachweisbaren Spuren des Nichtigkeitswerbers oder solchen, die ihm nicht zugeordnet werden können, oder im Falle, dass jemand anderer den Namen Henry Chuks E***** auf den in Rede stehenden Zettel geschrieben haben sollte, bewiesen wäre, dass er diesen nicht in seiner Geldbörse (wo er sichergestellt wurde) gehabt habe. Der eine Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) behauptenden Mängelrüge zuwider waren die Tatrichter nicht verhalten, sich gesondert mit der Textpassage in der Telefonüberwachung Nr 193 vom 21. November 2007, wonach der Anrufer an der überwachten Telefonnummer des Tony J***** diesen informierte, dass „das Auto schon vorbereitet" wurde, gesondert auseinanderzusetzen, gingen sie doch ohnedies davon aus, dass der Angeklagte E***** von einer unbekannten Person von Amsterdam nach Duisburg gebracht wurde, wo er in den Zug umstieg und sodann letztlich nach Österreich fuhr (US 8; vgl auch S 509 in ON 71, wonach er von Amsterdam bis Duisburg eine ihm von seinem unausgeforscht gebliebenen Suchtgiftlieferanten „James" vermittelte Mitfahrgelegenheit in einem Auto nutzte).

Weshalb der Umstand, dass der Angeklagte J***** am 23. November 2007 bereits um 11:40 Uhr und damit rund sechs Stunden vor der Ankunft des Angeklagten E***** am Westbahnhof in Wien in Haft genommen wurde, erörterungsbedürftig gewesen sein sollte, legt die weitere Mängelrüge nicht dar und entzieht sich solcherart einer sachbezogenen Erwiderung.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a), ein allfälliger Tatbeitrag des Angeklagten Tony J***** wäre nicht kausal, weil Henry Chuks E***** von einem unbekannt gebliebenen Nigerianer namens „'James' beauftragt und instruiert" und ihm von diesem auch Tony J***** als Empfänger genannt wurde, übergeht die Konstatierung, wonach ohne Bestätigung des von Samstag auf Freitag vorverlegten Übergabetermins und somit der Zusicherung der Übernahme des Suchtgifts bereits am Freitag die Lieferung des Suchtgifts durch Henry Chuks E***** von Amsterdam und die Einfuhr nach Österreich am 23. November 2007 nicht in der vorliegend beschriebenen Art erfolgt wäre (US 16 iVm US 7). Weshalb die am 21. November 2007 gegebene, den Transport des Suchtgifts von Amsterdam nach Österreich fördernde Zusage des Tony J***** nicht bis zur vollendeten Einfuhr wirksam geblieben sein sollte, bloß weil er diese (zufolge seiner - vermutlich vor der Einfuhr des Suchtgifts erfolgten - Verhaftung) nicht einhielt, legt der Beschwerdeführer nicht dar.

In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerung der Verteidigung bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Mit seiner Berufung und seiner Beschwerde war der Angeklagte J***** auf den kassatorischen Teil der Entscheidung zu verweisen. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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