OGH 7Ob62/09g

OGH7Ob62/09g1.7.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Radmilla S*****, vertreten durch Putz-Haas & Riehs-Hilbert Rechtsanwälte OEG in Wien, gegen die beklagte Partei Verlassenschaft nach Milenko S*****, vertreten durch Mag. Andreas Jakauby, Rechtsanwalt in Wien, wegen Wiederaufnahme des Scheidungsverfahrens 3 C 161/04x des Bezirksgerichts Leopoldstadt, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 21. November 2008, GZ 42 R 420/08p-49, womit das Urteil des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 30. Mai 2008, GZ 3 C 22/06h-38, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig der klagenden Partei die mit 445,82 EUR (darin 74,30 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Zum bisherigen Verfahrensgang wird auf den im ersten Rechtsgang gefassten Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts vom 24. 1. 2007, GZ 42 R 679/06y-23 und den Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 20. 6. 2007, 7 Ob 104/07f, verwiesen, womit der gegen den Aufhebungsbeschluss erhobene - absolut unzulässige - Revisionsrekurs zurückgewiesen wurde.

Im zweiten Rechtsgang hat das Berufungsgericht das (die Wiederaufnahme [nunmehr] bewilligende, das Scheidungsurteil aufhebende) Ersturteil bestätigt und die Revision mit der Begründung zugelassen, die Berufungsentscheidung weiche von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ab, wonach eine Wiederaufnahmsklage nach dem Tod eines Ehegatten unzulässig sei. Auch die beklagte Verlassenschaft nach dem verstorbenen Ehemann beruft sich zur Zulässigkeit ihrer Revision auf das Abweichen des Berufungsgerichts von der ständigen Rechtsprechung und macht geltend, das Berufungsgericht hätte das Fehlen der genannten Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Wiederaufnahmsklage gemäß § 543 ZPO als Nichtigkeitsgrund wahrzunehmen gehabt und die Klage zurückweisen müssen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist jedoch - entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) - nicht zulässig.

Dazu wurde Folgendes erwogen:

Die Zulässigkeit der Wiederaufnahmsklage (auch des Aufhebungsverfahrens) stellt eine vom Gesetzgeber an eng umgrenzte Voraussetzungen geknüpfte Ausnahme von der aus der Rechtskraft der Vorentscheidung abgeleiteten Einmaligkeitswirkung dar. Liegen die hiefür erforderlichen Voraussetzungen nicht vor, ist ein dessen ungeachtet durchgeführtes Verfahren (und zwar auch schon das Aufhebungsverfahren) wegen des darin liegenden Verstoßes gegen die Einmaligkeitswirkung des Vorprozesses nichtig (1 Ob 251/04z mwN). Der Oberste Gerichtshof vertritt daher in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass das Berufungsgericht aus Anlass einer Berufung das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage - unter Nichtigerklärung des vorangegangenen Verfahrens - zurückzuweisen hat, wenn es etwa zum Ergebnis kommt, dass die Wiederaufnahmsklage, über die das Erstgericht mit Urteil entschieden hat, auf keinen gesetzlichen Anfechtungsgrund gestützt wurde (RIS-Justiz RS0044681; 7 Ob 281/06h; 7 Ob 104/07f).

Wie bereits der Zurückweisungsbeschluss im ersten Rechtsgang vom 20. 6. 2007, 7 Ob 104/07f, darlegt, schafft § 543 ZPO im vorliegenden Sonderfall die gesetzliche Grundlage für die amtswegige Wahrnehmung des Fehlens der Zulässigkeitsvoraussetzungen für Wiederaufnahmsklagen (als Prozessvoraussetzungen) in jeder Lage des Verfahrens (nicht nur im Vorprüfungsverfahren gemäß § 538 ZPO) - auch als Nichtigkeit auch aus Anlass der Berufung.

Das Fehlen dieser Zulässigkeitsvoraussetzungen bildet somit - wie die Revision selbst festhält - einen Nichtigkeitsgrund. Ein solcher kann aber in höherer Instanz dann nicht mehr aufgegriffen werden, wenn bereits eine bindende, die Nichtigkeit verneinende Entscheidung der Vorinstanzen vorliegt (RIS-Justiz RS0035572; RS0042981; RS0043405; 1 Ob 123/08g); eine solche Bindung ist nach ständiger Rechtsprechung auch dann zu bejahen, wenn sich das Gericht nur in den Entscheidungsgründen mit dem Vorliegen der Prozessvoraussetzung auseinandergesetzt hat (RIS-Justiz RS0035572 [T30 und T33]; RS0039774; RS0114196; jüngst 9 Ob 66/08h mwN). In der Entscheidung vom 27. 11. 2008, 7 Ob 201/08x, hat auch der erkennende Senat ausdrücklich festgehalten, dass die Verneinung einer Nichtigkeit durch das Berufungsgericht selbst dann unanfechtbar ist, wenn sie - wie hier - nur in den Entscheidungsgründen erfolgt (RIS-Justiz RS0042917).

Demgemäß ist die Bejahung der Zulässigkeit der Wiederaufnahmsklage im vorliegenden Fall zum einen als bindende (rechtskräftige: 7 Ob 104/07f) Entscheidung über den bereits im ersten Rechtsgang erfolglos eingewendeten Prozessvoraussetzungsmangel (Ballon in Fasching/Konecny I² § 42 JN Rz 20 f) einer Überprüfung im Revisionsverfahren entzogen; zum anderen deshalb, weil sie eine nach § 519 Abs 1 ZPO unanfechtbare Entscheidung über den maßgebenden Nichtigkeitsgrund darstellt (vgl Zechner in Fasching/Konecny IV² § 503 ZPO Rz 69 mwN): Dieser Rechtsmittelausschluss kann nämlich auch nicht dadurch umgangen werden, dass der Revisionswerber seine diesbezüglichen Ausführungen unter den Revisionsgrund der „unrichtigen rechtlichen Beurteilung" zu subsumieren versucht, weil die Beurteilung von Nichtigkeitsgründen stets nach Prozessrecht zu erfolgen hat und nicht mittels Rechtsrüge bekämpfbar ist (RIS-Justiz RS0043405 [T51] = 6 Ob 273/08b und 6 Ob 1/09d [betreffend Streitanhängigkeit und Unzulässigkeit des Rechtswegs]).

Da sich die Beklagte weiterhin allein auf die (aus dem Tod des Ehemanns abgeleitete) Unzulässigkeit der Wiederaufnahmsklage beruft, also lediglich eine - nicht mehr geltend zu machende - Nichtigkeit des Verfahrens rügt, sind insgesamt keine erheblichen Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zu beantworten.

Die Revision ist daher zurückzuweisen.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40, 41 und 50 ZPO. Die Klägerin hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen.

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