OGH 7Ob201/08x

OGH7Ob201/08x27.11.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Magda K*****, vertreten durch Dr. Nikolaus Gabor, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei A***** S.A.-N.V., *****, vertreten durch Dr. Ralf Mitsche, Rechtsanwalt in Wien, wegen 23.285,01 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. April 2008, GZ 4 R 216/07z-41, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 8. August 2007, GZ 35 Cg 64/05h-31, aufgehoben wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Der Antrag der klagenden Partei auf Kostenzuspruch für die Rekursbeantwortung wird abgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zuzulassen sei, weil über den Charakter von Kosten eines Sachverständigenverfahrens nach Art 15 AUVB 1995 (vorprozessuale Kosten) keine Judikatur vorliege.

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruch des Berufungsgerichts ist der Rekurs mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig. Die Zurückweisung des Rekurses kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§§ 528a iVm 510 Abs 3 ZPO).

Nach ständiger Rechtsprechung kann eine vom Gericht zweiter Instanz verneinte Nichtigkeit des Verfahrens erster Instanz vor dem Obersten Gerichtshof nicht mehr geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0042981, RS0043405). Die Verneinung einer Nichtigkeit durch das Berufungsgericht ist auch dann unanfechtbar, wenn sie nur in den Entscheidungsgründen erfolgt (RIS-Justiz RS0042917). Nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung sind vorprozessuale Kosten nur im besonderen Kostenverfahren nach §§ 40 ff ZPO geltend zu machen. Insoweit gehen die öffentlich-rechtlichen prozessualen Kostenersatzregeln vor. Der Rechtsweg ist unzulässig (RIS-Justiz RS0120431, RS0035721).

Diese Rechtslage erkennt auch der Rekurs. Er übergeht aber, dass das Berufungsgericht, wenn auch nicht im Spruch, so aber doch in seinen Entscheidungsgründen das Vorliegen der Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 6 ZPO verneint hat, weil es sich mit dem Charakter der Kosten des Schiedsgutachterverfahrens auseinandersetzte und die Rechtsauffassung vertrat, dass es sich bei diesen nicht um vorprozessuale Kosten iSd §§ 40 ff ZPO handle, sondern um Kosten, die aufgrund der Kostentragungsvereinbarung in Art 15.7 AUVB 1995 von der Beklagten zu tragen seien. Damit hat es die Zulässigkeit des Rechtswegs bejaht und das Vorliegen einer Nichtigkeit verneint, weshalb die verneinte Nichtigkeit nicht mehr Gegenstand des Rekurses sein kann. Nur der Vollständigkeit halber sei darauf verwiesen, dass die Kosten des zwischen den Parteien in Art 15 AUVB 1995 vereinbarten Schiedsgutachterverfahrens keinesfalls vorprozessuale Kosten sind, die der Prozessvorbereitung dienen (RIS-Justiz RS0035770) und in der Kostennote geltend zu machen sind. Vielmehr ist das Schiedsgutachterverfahren ein eigenständiges Verfahren, das einen Prozess grundsätzlich vermeiden soll. Lediglich in dem Fall, dass die von der Ärztekommission getroffenen Feststellungen offenbar von der wirklichen Sachlage erheblich abweichen, kann die Feststellung durch Urteil erfolgen (§ 184 Abs 1 VersVG). Die Kostentragungspflicht ergibt sich sohin nicht aus den §§ 40 ff ZPO (für den Prozess aufgewendete Kosten), sondern aus der Vereinbarung in Art 15 AUVB 1995. Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält sich im Rahmen der Judikatur und entspricht der klaren Gesetzeslage.

Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung nach allgemeinen Vertragsauslegungsgrundsätzen vom Verständnis eines verständigen durchschnittlichen Versicherungsnehmers ausgehend auszulegen. Unklarheiten gehen zu Lasten des Versicherers (RIS-Justiz RS0112256; RS0050063). Aus Art 15.7 AUVB 1995, der die Tragung der Kosten der Ärztekommission im Verhältnis des Obsiegens von Versicherer und Versicherungsnehmer regelt, ergibt sich keine gesonderte Vereinbarung für die Kostentragung bei einem allfällig mangelhaften Schiedsgutachterverfahren. Abgesehen davon steht eine Mangelhaftigkeit nicht fest.

Die Beklagte hat im erstinstanzlichen Verfahren die Angemessenheit der Kosten für die zwei Schiedsgutachter, die die Klägerin vorweg bezahlte, weder bestritten noch dargelegt, inwiefern hier Angemessenheitsgrenzen verletzt worden wären. Schon allein aus diesem Grund können sich unter diesem Aspekt keine erheblichen Rechtsfragen stellen.

Die Ausführungen des Berufungsgerichts, dass die Beklagte zwar immer wieder darauf hingewiesen habe, dass die Bemessung noch nicht endgültig sei und die Möglichkeit einer Neubemessung nach Art 7.6 AUVB 1995 innerhalb von vier Jahren nach dem Unfall bestehe, dass die Beklagte aber keinen Neubemessungsantrag innerhalb der Frist gestellt habe, sind im Einzelfall nicht zu beanstanden. Die Beklagte stützte sich im erstinstanzlichen Verfahren nicht auf eine konkrete Antragstellung auf Neubemessung.

Bei der Frist des Art 7.6 AUVB 1995 handelt es sich um eine Ausschlussfrist. Wird der Antrag auf Neubemessung versäumt, so bleibt es bei der letzten Feststellung der Bemessung der Invaliditätsentschädigung (7 Ob 63/07a = RIS-Justiz RS0122119). Der Schriftsatz vom 4. 5. 2006, aus dem die Beklagte einen Antrag auf Neubemessung ableiten will, langte nach Ablauf der Frist des Art 7.6 AUVB 1995 bei Gericht ein. Es erübrigen sich Erwägungen dazu, ob dieser Schriftsatz, in dem lediglich ergänzende Fragen an den Sachverständigen formuliert sind, die offenbar auf die Feststellung des gegenwärtigen Zustands der Klägerin hinzielen, überhaupt als Antrag auf Neubemessung gewertet werden könnte. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass nun ein Antrag auf Neubemessung der Invaliditätsentschädigung verfristet ist, hält sich im Rahmen der Judikatur.

Dem Vorbringen der Beklagten zur Auslegung der Gliedertaxe und zur Maßgeblichkeit der Entscheidung 7 Ob 304/05i entsprechen die Ausführungen des Berufungsgerichts im Aufhebungsbeschluss ohnehin; der von der Beklagten vermutete Widerspruch ist nicht erkennbar. Es werden also insgesamt keine erheblichen Rechtsfragen geltend gemacht.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 40 ZPO. Die Klägerin wies auf die Unzulässigkeit des Rekurses nicht hin. Sie glaubte vielmehr zu erkennen, dass die Beklagte nicht nur einen (ihrer Meinung nach zulässigen) Rekurs, sondern auch eine (ihrer Meinung nach unzulässige) „außerordentliche Revision" erhoben habe. Dies ist aber nicht der Fall. Das Berufungsgericht hat den Rekurs für zulässig erklärt, sodass die Beklagte im Rekurs erhebliche Rechtsfragen zum Verfahrensgegenstand hätte geltend machen können. Es handelt sich dabei nicht um eine „außerordentliche Revision", wurde doch vom Berufungsgericht kein Urteil gefällt, sondern die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben. Die Beklagte machte aber keine erheblichen Rechtsfragen nach § 502 Abs 1 ZPO geltend, sodass der Rekurs unzulässig ist, worauf die Klägerin aber nicht hinwies. Ihre Rekursbeantwortung war daher nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig.

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