OGH 2Ob262/08f

OGH2Ob262/08f25.6.2009

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DI Dr. Heinz P*****, vertreten durch Dr. Bernd Fritsch und andere Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei (nunmehr) B***** GmbH, *****, vertreten durch Klein, Wuntschek & Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen 16.200 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 14. Juli 2008, GZ 5 R 117/08p-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 16. April 2008, GZ 22 Cg 87/07d-11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

I. Die Bezeichnung der beklagten Partei wird von „T***** GmbH" auf „B***** GmbH" berichtigt.

II. Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichts wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung über die Berufung der beklagten Partei an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung

Zu 1.:

Nach der am 17. 9. 2008 von der Generalversammlung der beklagten Partei beschlossenen und am 18. 11. 2008 im Firmenbuch eingetragenen Änderung des Gesellschaftsvertrags wurde der Firmenwortlaut der beklagten Partei von „T***** GmbH" geändert in „B***** GmbH". Die Parteienbezeichnung war daher gemäß § 235 Abs 5 ZPO von Amts wegen zu berichtigen.

Zu II.:

Die beklagte Partei und die K*****-GmbH (in der Folge: K*****) schlossen am Beginn des Jahres 2005 einen Kooperationsvertrag, dessen Gegenstand die Entwicklung des von der Ö***** F*****gesellschaft mbH (in der Folge: F*****) subventionierten Projekts „Richtlinie für die dynamische Berechnung von Eisenbahnbrücken" (in der Folge: RL-Dynamik) war. Eine wichtige Rolle bei der Ausarbeitung der Richtlinie kam dem Kläger zu, der damals noch einer der beiden Gesellschafter und Geschäftsführer der beklagten Partei war. Für die K***** war er die „Schlüsselperson" des Projekts.

Mit Abtretungsvertrag vom 31. 5. 2005 veräußerte der Kläger seinen Geschäftsanteil an der beklagten Partei (im Wesentlichen) an seinen Mitgesellschafter DI Dorian J*****. Er schied auch aus seiner Funktion als Geschäftsführer aus. Aufgrund eines mit der beklagten Partei ebenfalls am 31. 5. 2005 abgeschlossenen Konsulentenvertrags blieb er jedoch in das Projekt RL-Dynamik weiterhin eingebunden. In der Folge entwickelten sich zwischen dem Kläger und der beklagten Partei bzw DI Dorian J***** Streitigkeiten, die zu insgesamt drei Prozessen führten. Mit Schreiben vom 24. 11. 2005 kündigte der Kläger den Konsulentenvertrag auf.

Bereits am 4. 11. 2005 hatte er die beklagte Partei beim Erstgericht zu AZ 18 Cg 209/05p auf Zahlung von 11.150,36 EUR sA geklagt. Den Gegenstand dieses Rechtsstreits bildeten Honoraransprüche des Klägers für Leistungen aus dem Konsulentenvertrag, deren (vollständige) Berichtigung die beklagte Partei mit dem Vorwurf, der Kläger habe ein Konkurrenzunternehmen beworben und Kunden der beklagten Partei abzuwerben versucht, verweigerte. Dieser Rechtsstreit endete am 6. 10. 2006 mit einem Vergleich, worin sich die beklagte Partei zur Zahlung von 12.400 EUR an den Kläger verpflichtete und festgehalten wurde, dass damit „sämtliche klagsgegenständlichen Ansprüche verglichen und bereinigt" seien.

Die (hier) beklagte Partei und DI Dorian J***** brachten ihrerseits am 30. 12. 2005 beim Erstgericht gegen den nunmehrigen Kläger Klagen ein. Während die (hier) beklagte Partei zu AZ 16 Cg 2/06h die Rückerstattung einer Gewinnausschüttung und Schadenersatz wegen Verstoßes gegen ein vereinbartes Konkurrenzverbot im Gesamtbetrag von 125.285,58 EUR sA geltend machte, begehrte DI Dorian J***** zu AZ 22 Cg 4/06x die Feststellung, dass er aus dem Abtretungsvertrag vom 31. 5. 2005 keine weiteren Zahlungen zu leisten habe. In diesen beiden Verfahren wurde das Projekt RL-Dynamik nur im Zusammenhang mit den dafür gewährten Subventionen und deren umstrittenen Bedeutung für die Erstellung einer Bilanz erwähnt.

DI Dorian J***** und der nunmehrige Kläger schlossen im Verfahren AZ 22 Cg 4/06x in der Tagsatzung vom 18. 1. 2007 den folgenden Vergleich:

„1.) Der Kaufpreis aus dem Abtretungsvertrag vom 31. 5. 2005, [...], wird einvernehmlich auf 194.000 EUR reduziert. Festgehalten wird, dass davon bereits ein Betrag von 144.000 EUR vom Kläger an den Beklagten bezahlt wurde.

2.) Der restlich noch aushaftende Kaufpreis von 50.000 EUR ist unter Aufrechterhaltung der Sicherheiten im Betrag von 50.000 EUR in zwei Raten zu bezahlen und zwar 14.000 EUR bis längstens zum 15. 1. 2008 und 36.000 EUR bis längstens zum 1. 7. 2008.

  1. 3.) Die übrigen Bestimmungen des Notariatsakts bleiben aufrecht.
  2. 4.) Mit diesem Vergleich sind sämtliche wechselseitigen wie immer gearteten Ansprüche zwischen den Streitteilen, aber auch zwischen der beklagten Partei DI Heinz P***** und der T*****, bereinigt und verglichen.

    5.) Im hg Verfahren 16 Cg 2/06h vereinbaren beide Streitteile ewiges Ruhen.

    6.) Die in diesem Verfahren (22 Cg 4/06x), aber auch die im Verfahren hg 16 Cg 2/06h jeweils anerlaufenen Prozesskosten werden wechselseitig aufgehoben."

    Ungeachtet der zwischen den Streitteilen aufgetretenen Konflikte legte der Projektpartner der beklagten Partei weiterhin großen Wert auf die Mitwirkung des Klägers und übte entsprechenden Druck auf die beklagte Partei aus. In Ergänzung des Kooperationsvertrags hielten die beklagte Partei und die K***** am 15./19. 12. 2005 fest:

    „Die Firma T***** und K***** haben den gemeinsamen Wunsch, das Projekt RL-Dynamik optimal weiterzuführen und erfolgreich abzuschließen. Seitens K***** ist dafür die Mitarbeit des DI Dr. Heinz P***** im Wesentlichen in den Bereichen 'Entwicklungsmethode' und 'zugehörige Berechnungen' eine Voraussetzung. Seitens T***** wird festgehalten, dass die Mitarbeit des DI Dr. Heinz P***** schwer organisierbar ist. Herr P***** ist nicht mehr Mitarbeiter der T***** und eine Einbindung in das Projekt ist nur indirekt möglich. Der Forderung der K***** wird nachgekommen, um eine konfliktfreie Projektfortführung zu gewährleisten. Die beiderseitige Akzeptanz dieser Nebenvereinbarung ist Voraussetzung dafür, dass die Verträge so wie die 'Vereinbarung über die Leistungserbringung für die T***** im Rahmen des Projekts RL-Dynamik' (zwischen T***** und DI Dr. Heinz P*****) von der T***** unterfertigt werden."

    Aufgrund dieser Ergänzung des Kooperationsvertrags schlossen die Streitteile trotz ihrer Differenzen am 15. 12. 2005 eine schriftliche Vereinbarung über die Leistungserbringung des Klägers für die beklagte Partei im Rahmen des Projekts RL-Dynamik. Danach hatte der Kläger im Wesentlichen zwei Leistungspakete zu erbringen, nämlich zunächst die Entwicklung einer Berechnungsmethode (Näherungsmethode) und danach die Ausarbeitung der Richtlinie sowie eines Leitfadens für Bestandobjekte. In der Präambel dieser Vereinbarung wurde ausgeführt:

    „Sowohl das Förderungübereinkommen (mit der F*****) als auch der Kooperationsvertrag (mit K*****) bleiben, soweit es die Erfüllung der gegenseitig bestehenden Verpflichtungen betrifft, unberührt. Im Rahmen des Verkaufs der Gesellschafteranteile des DI Dr. Heinz P***** an DI Dorian J***** ist Herr DI P***** aus der T***** ausgeschieden und war im Rahmen seines Konsulentenvertrags für das Projekt RL-Dynamik tätig. K***** bittet die T*****, zur Sicherstellung der Mitarbeit des DI Heinz P***** an dem Projekt RL-Dynamik bis zum Vertragsende am 31. 12. 2006, mit DI Heinz P***** eine dementsprechende projektbezogene Vereinbarung zu treffen."

    Punkt 5. der Vereinbarung lautet:

    „Werden sämtliche Aufgaben durch Herrn Heinz P***** termingerecht und verwendbar im Sinne der o.a. Förderungsvereinbarung (die Beurteilung darüber obliegt dem Projektleiter K*****), erbracht, erhält Herr P***** nach Vorlage der Ergebnisse und Rechnungslegung an die T***** einen Pauschalbetrag in Höhe von 27.000 EUR. Die Beurteilung, ob die Leistung, funktionsfähiges Näherungsverfahren und akzeptierbare Richtlinie, tatsächlich erbracht wurde, und die Zahlung daher fällig ist, obliegt ausschließlich dem Projektleiter, also K*****.

    Fakturierung und Bezahlung erfolgt in zwei Raten: 1. Rate 50 % nach Fertigstellung und Funktionsnachweis des vereinbarten Berechnungsverfahrens, zahlbar innerhalb zwei Wochen ab Rechnungslegung und Abnahme. 2. Rate 50 % nach Gesamtfertigstellung zum Projektende, zahlbar innerhalb zwei Wochen ab Rechnungslegung und Abnahme. Darüber hinausgehende Leistungen werden, wenn sie für die ordnungsgemäße Projektabwicklung notwendig sind und den in Punkt 1 definierten fachlichen Rahmen des Arbeitsumfangs nicht überschreiten, durch Herrn DI Heinz P***** geleistet, sind jedoch im Rahmen des Pauschalbetrags abgedeckt. Eine allfällige Aufrechnung mit Gegenforderungen ist seitens der T***** nicht zulässig."

    Die vom Kläger aufgrund der Vereinbarung vom 15. 12. 2005 erbrachten Leistungen wurden von der K***** geprüft und gegenüber der beklagten Partei bestätigt. Im April 2006 wurde die erste Rate an den Kläger bezahlt.

    Der Kläger begehrte mit der am 9. 5. 2007 eingebrachten Klage von der beklagten Partei die Zahlung der zweiten Rate des Honorars in Höhe von 16.200 EUR sA. Die Streitteile hätten das Vertragsverhältnis am 15. 12. 2005 trotz der damals bereits bestehenden Divergenzen außerhalb sämtlicher übrigen Streitigkeiten begründet. Die zu erbringenden Leistungen seien auch nie strittig gewesen. Das Projekt RL-Dynamik sei bei den Vergleichsgesprächen nicht erwähnt worden. Zumindest für den Kläger sei klar gewesen, dass er auch noch nach dem Vergleichsabschluss seine Leistungen zur Erfüllung des Projekts weiter erbringen werde und dass diese zu bezahlen seien. Die Leistungen des Klägers seien Ende April 2007 abgeschlossen gewesen und verrechnet worden. Die beklagte Partei habe die nach dem Vergleichsabschluss erbrachten Leistungen auch angenommen und daraus resultierende Förderungsgelder lukriert. Der geltend gemachte Anspruch sei erst nach Vergleichsabschluss entstanden und fällig geworden. Aus all diesen Gründen sei das besagte Vertragsverhältnis von dem am 18. 1. 2007 abgeschlossenen Vergleich nicht umfasst. Die beklagte Partei wandte ein, die klagsgegenständliche Forderung sei von der Bereinigungswirkung der in den Vergleich aufgenommenen Generalklausel mitumfasst. Die Arbeiten des Klägers hätten Ende 2006 abgeschlossen sein sollen, eine Verlängerung sei im Wesentlichen nur über Wunsch der K***** erfolgt. Habe der Kläger nach dem Vergleichsabschluss noch Arbeiten durchgeführt, so habe er dies ohne Auftrag der beklagten Partei getan. Der zwischen den Streitteilen abgeschlossene Vertrag habe mit 31. 12. 2006 geendet. Aufgrund des Vergleichs sei völlig klar gewesen, dass der Kläger zu keiner weiteren Leistungserbringung mehr verpflichtet sei. Die beklagte Partei habe vom Kläger auch nichts mehr gefordert.

    Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus, soweit wesentlich, noch fest:

    Die Ausarbeitung der Richtlinie (2. Etappe) lieferte der Kläger im März 2007 bei der K***** ab. Der Kläger hat daher auch nach dem Vergleichsabschluss vom 18. 1. 2007 Leistungen für das Projekt erbracht. Nachdem er im Jahr 2006 bereits Vorarbeiten geleistet hatte, konnte die Fertigstellung der Richtlinie erst erfolgen, als Ergebnisse von gewissen Serienrechnungen verfügbar waren. Diese Berechnungen wurden auf der Basis der vom Kläger im ersten Leistungsabschnitt entwickelten Berechnungsmethode zu einem großen Teil von der K***** und zu einem kleinen Teil auch von der beklagten Partei durchgeführt und waren erst in den Monaten Jänner, Februar und (jene der beklagten Partei) März 2007 sukzessive verfügbar. Das Projekt wurde somit nicht, wie ursprünglich vorgesehen, mit Ende 2006, sondern erst im Frühjahr 2007 abgeschlossen. Die zweite Bestätigung über die restliche Leistungserbringung durch den Kläger wurde von der K***** am 10. 5. 2007 ausgestellt.

    Es war Vertragsinhalt zwischen der K***** und der beklagten Partei, dass der Kläger während des gesamten Projekts eingebunden bleibt. Die beklagte Partei hatte Kenntnis davon, dass der Kläger auch nach dem 31. 12. 2006 weiterhin für das Projekt tätig war. Zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses am 18. 1. 2007 waren die vom Kläger zu erbringenden Leistungen bezüglich der Ausarbeitung der Richtlinie noch nicht so weit abgeschlossen, dass sie rechnungslegungsfähig gewesen wären. Im Zuge der Vergleichsgespräche war über das Projekt RL-Dynamik nicht gesprochen worden. Beide Vergleichsteile hatten an dieses bei Vergleichsabschluss nicht gedacht. Es war aber Wissensstand beider, dass es das Projekt gab, es zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen war, der Kläger über den 31. 12. 2006 hinaus daran noch gearbeitet hat und die zweite Rate noch nicht fällig war. Der Kläger legte am 25. 4. 2007 Rechnung unter Einräumung einer 14-tägigen Zahlungsfrist.

    In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Ansicht, der Wille der Streitteile sei bei Vergleichsabschluss darauf gerichtet gewesen, alles Strittige zu bereinigen und zu beseitigen. Sowohl die Generalklausel als auch der Parteiwille hätten sich jedoch nur darauf erstrecken können, woran die Beteiligten bei Vergleichsabschluss gedacht hätten. Etwas, woran nicht gedacht worden sei, könne vom Vergleich nicht umfasst sein. Die Regelung des gegenständlichen Honoraranspruchs sei nicht gemeinsame Geschäftsgrundlage für den Vergleich gewesen.

    Das von der beklagten Partei angerufene Berufungsgericht änderte diese Entscheidung im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens ab. Es sprach zunächst aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

    Es ließ die Tatsachen- und Beweisrüge mit der Begründung unerledigt, dass die Rechtsrüge auch aufgrund der getroffenen Feststellungen berechtigt sei. Der allgemeine Vergleich erstrecke sich auch auf Fälle, an welche die Parteien nicht gedacht hätten, nicht aber auf solche, an die sie nicht denken hätten können. Im vorliegenden Fall hätten beide Parteien zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses gewusst, dass das Projekt RL-Dynamik noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Den Streitteilen hätte bewusst sein müssen, dass dem Kläger für seine späteren Leistungen bei diesem Projekt noch die zweite Rate als Teil des vereinbarten Honorars zustehe. Von einem geflissentlichen Verschweigen dieses Anspruchs sei nicht auszugehen. Auch wenn die Parteien anlässlich des Vergleichsabschlusses an diesen Anspruch nicht gedacht hätten, werde er von der Bereinigungswirkung des Vergleichs dennoch umfasst, weil sie daran denken hätten können. Es seien auch keine nachträglichen Änderungen eingetreten, die der Gesamtbereinigungswirkung entgegenstünden.

    Auf Antrag des Klägers änderte das Berufungsgericht seinen Ausspruch, wonach die ordentliche Revision nicht zulässig sei, dahin ab, dass es die ordentliche Revision doch für zulässig erklärte. Zur Begründung führte es (sinngemäß) aus, dass es über den Einzelfall hinaus von Bedeutung sei, ob sich die Bereinigungswirkung eines Generalvergleichs auch auf einen Vertrag erstrecken könne, bei dem die Beurteilung der Tauglichkeit der geschuldeten Leistung vereinbarungsgemäß nicht dem Vertragspartner, sondern einem Dritten obliege.

    Gegen das Berufungsurteil richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils abzuändern. Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung (sinngemäß), die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig. Die Auslegung eines Vergleichs richtet sich nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zwar stets nach den Umständen des Einzelfalls und begründet in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO (2 Ob 83/06d; RIS-Justiz RS0113785, RS0044358 [T18]). Hier ist dem Berufungsgericht aber eine grobe Fehlbeurteilung unterlaufen, die einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedarf. Die Revision ist im Sinne des in jedem Abänderungsantrag auch enthaltenen Aufhebungsantrags berechtigt.

Der Kläger macht geltend, maßgeblich für den Umfang der Bereinigungswirkung eines Vergleichs sei der Parteiwille. Danach seien zwischen den Streitteilen sämtliche wechselseitigen Ansprüche zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses verglichen worden. Der erst nach diesem Zeitpunkt entstandene Anspruch des Klägers, der von der Erbringung weiterer Leistungen abhängig gewesen sei, könne von dem Vergleich nicht umfasst gewesen sein. Folge man der Argumentation des Berufungsgerichts, hätte der Kläger seinerseits keine Leistungen mehr erbringen müssen. Darüber hinaus diene ein Vergleich der Bereinigung strittiger und zweifelhafter Rechtsverhältnisse. Auch diese Voraussetzung liege nicht vor, weil das Vertragsverhältnis zwischen den Streitteilen nie strittig gewesen sei. Das Berufungsgericht sei von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen, wonach auch bei einem Generalvergleich eine einschränkende Auslegung geboten sein könne.

Hiezu wurde erwogen:

1. Was die Streitteile als Gegenstand der Streitbereinigung angenommen haben, bestimmt sich nach dem übereinstimmend erklärten Parteiwillen (RIS-Justiz RS0017954; Neumayr in KBB2 § 1389 Rz 1), wobei dem konkreten Vergleichszweck bei der Auslegung großes Gewicht beizumessen ist (1 Ob 617/91 = SZ 64/160; 1 Ob 256/05m; 2 Ob 83/06d). Es gelten die Grundsätze der Vertrauenstheorie (RIS-Justiz RS0014696; Neumayr aaO § 1389 Rz 1), sodass Vergleiche nach den allgemeinen Regeln (§§ 914 f ABGB) auszulegen sind. Entscheidend für das Verständnis der wechselseitigen Erklärungen ist der objektive Erklärungswert (1 Ob 617/91; 2 Ob 83/06d; 2 Ob 150/06g; Neumayr aaO § 1380 Rz 6). Dabei ist das gesamte Verhalten der Vertragsteile zu berücksichtigen (1 Ob 256/05m mwN). Diese Grundsätze sind auch dann maßgeblich, wenn es um die Auslegung einer in den Vergleichstext aufgenommenen Generalklausel geht (vgl 1 Ob 617/91; 9 Ob 110/06a mwN).

2. § 1389 Satz 2 ABGB enthält für die Auslegung von allgemeinen Vergleichen (Generalvergleichen) insoweit eine Zweifelsregel, als von der Bereinigungswirkung Rechte ausgenommen werden, die geflissentlich verheimlicht worden sind oder an die „die sich vergleichenden Parteien nicht denken konnten". Allgemeine Vergleiche erstrecken sich damit, mangels entgegenstehender Parteienabsicht, zwar auf Fälle, an welche die Parteien nicht gedacht haben, nicht aber auf solche, an die sie nicht denken konnten (4 Ob 21/03x; 2 Ob 83/06d; RIS-Justiz RS0032453). Das sind jene Ansprüche, mit deren späterem Entstehen die Parteien trotz Anwendung der pflichtgemäßen Sorgfalt nicht rechnen konnten (4 Ob 21/03x).

3. Im vorliegenden Fall enthält der im Rechtsstreit zwischen dem Kläger und seinem ehemaligen Mitgesellschafter, der zum damaligen Zeitpunkt auch selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer der beklagten Partei war, abgeschlossene Vergleich die - ausdrücklich auch auf das Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der beklagten Partei erstreckte - Regelung, dass damit „sämtliche wechselseitigen wie immer gearteten Ansprüche [...] bereinigt und verglichen sind". Dieser Vergleichspunkt umfasst seinem Wortlaut nach jede Art von Ansprüchen und zwar unabhängig davon, ob sie für die Parteien bei Vergleichsabschluss erkennbar waren oder nicht (vgl 4 Ob 21/03x). Ehe die Zweifelsregel des § 1389 Satz 2 ABGB zur Anwendung gelangt, ist nach den dargelegten Auslegungskriterien aber zu prüfen, ob ein von diesem weit gefassten Wortlaut abweichender Parteiwille bestand. Behauptungs- und beweispflichtig hiefür war der Kläger (vgl RIS-Justiz RS0032504; Neumayr aaO § 1389 Rz 6).

4. Nach den vom Prozessvorbringen des Klägers gedeckten Feststellungen des Erstgerichts schlossen die Streitteile den die weitere Mitwirkung des Klägers an dem Projekt RL-Dynamik sichernden Vertrag am 15. 12. 2005 in einer Phase, in welcher der Konflikt zwischen ihnen bereits ausgebrochen war. Hatte doch der Kläger wenige Wochen vorher den Konsulentenvertrag aufgekündigt und die beklagte Partei auf Zahlung geklagt, während die „Gegenklagen" der beklagten Partei und des damaligen Hauptgesellschafters unmittelbar bevorstanden. Dass es dennoch zu der vertraglichen Einigung kommen konnte, war ausschließlich auf den Wunsch und den Druck des Projektpartners der beklagten Partei zurückzuführen, der in der Person des Klägers eine „Schlüsselfigur" für das Gelingen des Projekts sah. In einer Ergänzung zum Kooperationsvertrag hatte die beklagte Partei dem Projektpartner (und -leiter) auch zugesichert, die weitere Mitwirkung des Klägers zu ermöglichen, „um eine konfliktfreie Projektfortführung zu gewährleisten". Es war zwischen den Projektpartnern vereinbart, dass der Kläger während des gesamten Projekts einbezogen sein soll. Zudem sollte ausschließlich dem Projektpartner die Beurteilung obliegen, ob die Leistungen des Klägers termingerecht und verwendbar sind. Das Projektende war zwar mit 31. 12. 2006 vorgesehen, die Kooperation wurde aber - wie die beklagte Partei selbst zugestand - verlängert, weil das Projekt zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen war. Dies war den Beteiligten am Tag des Vergleichsabschlusses (18. 1. 2007) ebenso bekannt, wie der Umstand, dass der Kläger über diesen Termin hinaus noch Leistungen zu erbringen hatte. Den Feststellungen ist weiters zu entnehmen, dass dem Kläger die endgültige Fertigstellung der Richtlinie vor dem März 2007 gar nicht möglich war, weil er abwarten musste, bis die Ergebnisse der von der beklagten Partei und ihrem Projektpartner zu erstellenden Serienrechnungen verfügbar waren. Vor dem Hintergrund dieser Tatsachenfeststellungen konnte ein redlicher, verständiger Erklärungsempfänger die Generalklausel des Vergleichs vom 18. 1. 2007 nur in einschränkendem Sinn dahin verstehen, dass der damit zum Ausdruck gebrachte Parteiwille zwar auf die endgültige Bereinigung der bereits beendeten Vertragsverhältnisse gerichtet war, das am 15. 12. 2005 begründete Vertragsverhältnis hingegen unberührt ließ. Die gegenteilige Auffassung hätte zur faktischen und rechtlichen Konsequenz gehabt, dass die Mitwirkung des Klägers an dem Projekt RL-Dynamik noch vor dessen Fertigstellung beendet worden wäre, obwohl dies dem ausdrücklichen, dem Kläger bekannten Wunsch des Projektpartners und dessen mit der beklagten Partei getroffenen Vereinbarung widersprochen hätte und der Projektpartner an den Vergleichsverhandlungen nicht mitgewirkt hat. Nicht nur der Kläger, sondern auch die beklagte Partei hätte nämlich ab dem Tag des Vergleichsabschlusses keine weiteren vertraglichen Ansprüche mehr gehabt, sodass der Kläger zur Erbringung der noch ausständigen Leistungen weder berechtigt noch verpflichtet gewesen wäre. Sein Anspruch auf den zweiten Teil des Honorars konnte in diesem Fall gar nicht entstehen.

Dies hat das Berufungsgericht offensichtlich nicht bedacht, wenn es seiner Auslegung die Ansicht zugrundelegte, dass dem Kläger „für seine späteren Leistungen" noch die zweite Honorarrate zugestanden wäre, dieser Anspruch aber, weil die Parteien an ihn denken konnten, von der Bereinigungswirkung des Vergleichs umfasst worden sei. Stattdessen ist davon auszugehen, dass, folgte man der Auslegung des Berufungsgerichts, das Projekt RL-Dynamik zumindest gefährdet gewesen, wenn nicht gescheitert wäre. Der Kläger konnte die in den Vergleich aufgenommene Generalklausel unter den konkreten Umständen, insbesondere aber unter Berücksichtigung des Geschäftszwecks des Vertrags vom 15. 12. 2005 und der diesem zugrundeliegenden Kooperationsvereinbarung als redlicher Erklärungsempfänger somit nur dahin verstehen, dass dieses Vertragsverhältnis davon jedenfalls unberührt bleiben sollte. Dazu kommt, worauf der Kläger schon in erster Instanz zutreffend verwiesen hat, dass die Rechte aus diesem Vertragsverhältnis bis zum Tag des Vergleichsabschlusses nicht streitig oder zweifelhaft waren, sodass es auch an dieser grundsätzlichen Voraussetzung für eine vergleichsweise Bereinigung fehlte (vgl 2 Ob 83/06d mwN).

5. Aus den dargelegten Erwägungen folgt, dass der Vergleich vom 18. 1. 2007 der Honorarforderung des Klägers nicht entgegenstünde. Dennoch ist die Rechtssache noch nicht spruchreif. Die beklagte Partei hat mehrere der ihrem Standpunkt widersprechenden und die obige Auslegung des Obersten Gerichtshofs stützenden Feststellungen in zweiter Instanz mit Beweisrüge bekämpft. So wandte sie sich insbesondere gegen jene Feststellung, wonach der Kläger nach dem Vergleichsabschluss noch wesentliche Leistungen für das Projekt erbracht habe, er über den 31. 12. 2006 hinaus in das Projekt RL-Dynamik eingebunden sein sollte und die beklagte Partei von einer nach diesem Zeitpunkt entfalteten projektbezogenen Tätigkeit des Klägers Kenntnis gehabt habe. Das Berufungsgericht ließ diese Rüge mit dem Hinweis auf seine Rechtsausführungen unerledigt. Da diese vom erkennenden Senat nicht gebilligt werden, ist das zweitinstanzliche Urteil aufzuheben und die Rechtssache zur Erledigung der Beweisrüge an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Bleibt es danach bei den angefochtenen Feststellungen, ist das stattgebende Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen. Andernfalls hätte das Berufungsgericht, je nach Sachverhaltsgrundlage, erneut durch Auslegung des Vergleichs zu ermitteln, ob die Honorarforderung des Klägers zu Recht besteht.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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