OGH 6Ob240/08z

OGH6Ob240/08z14.5.2009

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Christian P*****, vertreten durch Dr. Markus Orgler, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Dr. Hans B*****, vertreten durch Dr. Erwin Köll, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Unterlassung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 23. April 2008, GZ 4 R 97/08f-32, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 17. Dezember 2007, GZ 35 C 263/06d-26, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten die mit 838,44 EUR (davon 139,74 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Ehe des Klägers wurde am 16. 11. 2005 im Einvernehmen geschieden. Das Scheidungsverfahren war vom Kläger am 21. 10. 2005 mit einer auf § 49 EheG gestützten Klage eingeleitet worden. Er warf seiner Ehegattin neben anderen Eheverfehlungen auch das Eingehen einer ehebrecherischen und ehewidrigen Beziehung vor sowie, ihn grundlos der Aufrechterhaltung von ehewidrigen Beziehungen zu beschuldigen. Am 17. 12. 2005 sandte er an den Rechtsanwalt seiner Ehefrau im Scheidungsverfahren und an den beklagten wissenschaftlichen Beamten, seine Rechtsvertreter im Scheidungsverfahren, seine Kanzleipartnerin, seinen Konzipienten, einen Richter, seine Schwester und weitere 7 Personen, darunter eine Nachbarin, Freunde und Klienten, ein E-Mail. Darin schrieb er, seine geschiedene Ehefrau habe am 17. 12. 2005 um 0:51 Uhr mit Telefonterror begonnen. Sie habe ihn 6-mal, bei der Familie M***** mehrmals am Handy und 3-mal am Festnetz und offenbar zuletzt um 2:00 Uhr seine Mutter angerufen. Er habe daher seine geschiedene Ehegattin aufzufordern, eine schriftliche Verpflichtungserklärung abzugeben, derartige Anrufe ab sofort zu unterlassen, widrigenfalls er eine Klage einbringen werde. Für die Bestätigung merke er den 21. 12. 2005 vor. Weitere rechtliche Schritte behalte er ausdrücklich vor.

Der Beklagte antwortete ihm hierauf mit E-Mail vom 21. 12. 2005, das er auch an jene Personen sandte, an die der Kläger sein E-Mail vom 17. 12. 2005 gesandt hatte.

Aufgrund der Äußerungen des Beklagten in diesem E-Mail brachte der Kläger am 30. 1. 2006 Klage gegen den Beklagten ein, mit dem Begehren - soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse -, der Beklagte habe es zu unterlassen, Behauptungen aufzustellen, wonach der Kläger nach der Scheidung seine geschiedene Ehefrau nicht in Ruhe lasse, einen Zwang hätte, Schreiben mit Ultimaten und Klagsdrohungen zu verschicken, sich mit seinen E-Mails im strafrechtlich relevanten Bereich bewegen und aus diesem Grund psychiatrische Hilfe benötigen würde.

Das Berufungsgericht änderte die klagestattgebende Entscheidung des Erstgerichts im klageabweisenden Sinn ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR übersteige und die Revision nicht zulässig sei. Der Kläger habe im inkriminierten Schreiben weder die Tatsachenbehauptung aufgestellt, dass der Kläger nach der Scheidung seine frühere Ehefrau nicht in Ruhe lasse, noch die, dass er einen Zwang hätte, Schreiben mit Ultimaten und Klagsdrohungen zu verschicken. Vielmehr habe der Beklagte im E-Mail geschrieben, „ich verstehe einmal schon nicht, dass du auch jetzt nach der Scheidung keine Ruhe gibst und nicht versuchst, einen Schlussstrich zu ziehen und keine weiteren Streitigkeiten anzuzetteln" und „wenn du wirklich nicht anders kannst, als auch jetzt nach der Scheidung noch endlos Schreiben mit irgendwelchen Ultimaten und Klagsdrohungen zu verschicken, solltest du meiner Meinung nach dringend psychiatrische Hilfe in Anspruch nehmen". Auch bei großzügiger Betrachtungsweise und Interpretation des Gesamttextes habe der Beklagte die vom Kläger behaupteten Äußerungen nicht gemacht. Es sei weder davon die Rede, dass der Kläger seine geschiedene Ehefrau nicht in Ruhe lasse, noch davon, dass der Kläger tatsächlich irgendein zwanghaftes Verhalten an den Tag lege. Dem darauf gestützten Unterlassungsbegehren fehle es daher an der dem Beklagten vorwerfbaren Tathandlung. Die Äußerung des Beklagten, „mir scheint auch, dir ist nicht bewusst, dass du dich mit deinem Mail und den darin enthaltenen Unterstellungen bereits in einem strafrechtlich relevanten Bereich bewegst", sei nicht als Ehrenbeleidigung, sondern als Tatsachenbehauptung zu qualifizieren, die wahr sei. Der Beklagte habe dem Kläger nicht vorgeworfen, dass er sich mit den Äußerungen im E-Mail vom 17. 12. 2005 selbst strafbar gemacht habe, sondern darin „nur" die (zutreffende) Behauptung aufgestellt, sich mit seinem E-Mail in einem strafrechtlich relevanten Bereich zu bewegen. Da der Kläger nicht genauer definiert habe, worin der „Telefonterror" seiner Frau bestanden habe, seien bei dem vom Kläger gebrauchten drastischen Ausdruck „Terror" auch strafrechtliche Tatbestände wie Nötigung oder gefährliche Drohung denkbar, die er seiner geschiedenen Ehefrau vorwerfe. Die Äußerung des Beklagten, „wenn du wirklich nicht anders kannst, als auch jetzt nach der Scheidung noch endlos Schreiben mit irgendwelchen Ultimaten und Klagsdrohungen zu verschicken, solltest du meiner Meinung nach dringend psychiatrische Hilfe in Anspruch nehmen", sei unter den gegebenen Umständen des Falls weder eine ehrenrührige noch eine kreditschädigende, sondern eine noch zulässige Meinungsäußerung des Beklagten.

Nachträglich (§ 508 ZPO) ließ das Berufungsgericht die ordentliche Revision mit der Begründung zu, es bestehe keine oberstgerichtliche Rechtsprechung im Zusammenhang mit der im Zulassungsantrag des Klägers aufgeworfenen Frage, ob die bloße Anwesenheit eines weiteren Senatsmitglieds während der Beratung und Urteilsabstimmung der nach der Geschäftsordnung für eine bestimmte Rechtssache berufenen Senatsmitglieder eine Verletzung von Verfahrensgrundsätzen und damit eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens bewirke.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

1. Der Revisionswerber führt in seinem Rechtsmittel aus, an der Beratung des Berufungssenats hätten vier Richter teilgenommen. Es stelle sich die Frage, ob die Verfahrensgrundsätze gewahrt worden seien oder nicht. Gerade bei etwas komplexeren Sachverhalten sei eine „weitergehende Meinungsfindung" durch Beiziehung weiterer Richter wohl nicht zulässig. Diese tragenden Grundsätze des Verfahrensrechts bedürften einer Klarstellung durch das Höchstgericht. Der Kläger habe Anspruch auf den gesetzlichen Richter. Insoweit sei auch die Geschäftsordnung einzuhalten. Demnach seien drei und nicht vier Richter vorgesehen. Ob und inwieweit der vierte Richter für die Meinungsfindung und für den Ausgang des Verfahrens maßgebend gewesen sei oder nicht, könne nicht beurteilt werden. Es bleibe jedenfalls die Frage offen, ob nicht ein Mangel des Berufungsverfahrens vorliege.

1.1. Der Revisionswerber hat nicht nachgewiesen, dass ein vierter Richter - über die bloße Anwesenheit im Beratungszimmer hinaus - an der Beratung teilgenommen hat. Im Protokoll über die Berufungsverhandlung steht Folgendes: „Der KV ersucht festzuhalten, dass sich während eines Teils der Beratung die ebenfalls dem Senat 4 zugehörige Ri Dr. R***** im Beratungszimmer aufgehalten hat." Im Protokoll über die Beratung und Abstimmung sind als Teilnehmer an Beratung und Abstimmung nur jene Richter genannt, die an der Berufungsverhandlung mitwirkten und die Entscheidung fällten. Im Beschluss, mit dem die ordentliche Revision nachträglich zugelassen wurde, hält der Berufungssenat fest: „Richtig ist, dass sich ein - ebenfalls dem Senat 4 zugehöriger - weiterer Richter während der Urteilsberatung der erkennenden Senatsmitglieder zeitweise im Beratungszimmer aufgehalten, jedoch an der, entsprechend der Geschäftsordnung vorgenommenen, Urteilsabstimmung der erkennenden Richter nicht teilgenommen hat. Grund für die zeitweise Anwesenheit des weiteren Senatsmitglieds war, dass dieses im Beratungszimmer den Beginn der nachfolgenden mündlichen Berufungsverhandlung, bei welcher es als erkennendes Senatsmitglied mitzuentscheiden hatte, abgewartet hat."

1.2. Bei diesem Sachverhalt stellen sich die vom Revisionswerber bezeichneten Fragen nicht. In der Anwesenheit eines weiteren nicht zum Spruchkörper zählenden Richters während der Beratung oder Abstimmung liegt weder eine Nichtigkeit noch ein Mangel, der geeignet wäre, eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Streitsache zu verhindern (§ 496 Abs 1 ZPO).

2. Die Ermittlung des Bedeutungsinhalts einer Äußerung in ihrem Gesamtzusammenhang ist im Allgemeinen eine Rechtsfrage, die von den näheren Umständen des Einzelfalls abhängt und der deshalb keine über diesen hinausgehende Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zukommt (RIS-Justiz RS0111733; RS0031883; RS0031915). Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs hängen die Fragen, ob eine andere Beurteilung der festgestellten Äußerung vertretbar gewesen wäre (RIS-Justiz RS0107768) und ob eine bestimmte Äußerung als Wertungsexzess zu qualifizieren ist (RIS-Justiz RS0113943), so sehr von den Umständen des Einzelfalls ab, dass erhebliche Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO in der Regel nicht angenommen werden können. Dies gilt auch für die Frage, was noch zulässige Kritik ist (6 Ob 81/06i; RIS-Justiz RS0031832 [T2]).

Die auf den übernommenen Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts aufbauende - und sich gewiss nicht auf „angloamerikanische Verhältnisse" stützende - Ermittlung des Bedeutungsinhalts der Äußerungen des Beklagten im Bezugszusammenhang, deren Ergebnis der Revisionswerber bekämpft, ist eine jedenfalls vertretbare rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts.

3. Gemäß § 510 Abs 3 ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision auf die Anführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Der Beklagte wies in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels des Klägers hin.

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