OGH 6Ob180/08a

OGH6Ob180/08a14.5.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Peter K*****, vertreten durch Dr. Michael Auer und Dr. Ingrid Auer, Rechtsanwälte in Wien, wider die Antragsgegnerin Elisa Ursula K*****, vertreten durch Dr. Helene Klaar, Mag. Norbert Marschall Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 30. Juni 2008, GZ 16 R 109/08f-13, womit über Rekurs der Antragsgegnerin der Beschluss des Bezirksgerichts Gloggnitz vom 15. Februar 2008, GZ 3 C 1032/07b-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die am 30. 1. 1976 geschlossene Ehe der Parteien wurde mit Urteil des Bezirksgerichts Döbling am 16. 8. 2007 rechtskräftig geschieden.

Mit Antrag vom 10. 12. 2007 begehrte der Antragsteller die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse. Zur Zuständigkeit des Erstgerichts brachte er vor, der letzte gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt der Parteien sei in Reichenau an der Rax, *****, gewesen, wo die Antragsgegnerin noch immer wohne.

Die Antragsgegnerin wandte die örtliche Unzuständigkeit des Erstgerichts mit der Begründung ein, der letzte gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt der Parteien sei in 1190 Wien, *****straße 31, gewesen. Tatsächlich verhalte es sich so, dass an dieser Adresse nach wie vor ihr gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt sei.

Das Erstgericht wies die Prozesseinrede der örtlichen Unzuständigkeit ab. Es traf folgende Feststellungen:

Die Parteien übersiedelten nach dem Verkauf ihres Hauses in 1190 Wien, *****straße 28a im Jahr 1998 in ihr Haus in Reichenau an der Rax, das ihnen bis dahin als Wochenendhaus gedient hatte. Dieses Haus sollte Lebensmittelpunkt sein. Daneben behielten die Parteien aber auch die Mietwohnung in 1190 Wien, *****straße 31, als zusätzliche Wohnmöglichkeit in Wien. Bis etwa 1999/2000 verbrachten beide Teile mehr gemeinsame Zeit in Reichenau an der Rax als in Wien. Im Jahr 2000 hielt sich der Antragsteller immer weniger in Reichenau an der Rax auf.

Rechtlich folgerte das Erstgericht daraus, dass die Streitteile ihren letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt sowohl in 1190 Wien, *****straße 31, als auch in Reichenau an der Rax gehabt hätten. Gäbe es mehrere gewöhnliche Aufenthalte, so habe der Antragsteller die Wahl, bei welchem Gericht er den Antrag einbringe. Da die Antragsgegnerin nach wie vor an der Reichenauer Anschrift wohne, sei das Erstgericht, in dessen Sprengel Reichenau liege, örtlich zuständig.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsgegnerin nicht Folge. Gemäß § 76 JN sei für Streitigkeiten aus dem Eheverhältnis das Gericht ausschließlich zuständig, in dessen Sprengel die Ehegatten ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt haben oder zuletzt gehabt haben. Entscheidend sei der Mittelpunkt des gemeinsamen ehelichen Lebens. Dass aufgrund der Scheidung im Jahr 2007 ein Mittelpunkt des gemeinsamen ehelichen Lebens nicht mehr vorhanden sein könne und seit „Zerbrechen der Ehe" im Jahr 2000 (Aussage des Antragstellers) bzw seit Silvester 2002 (Aussage der Antragsgegnerin) nicht mehr existiere, bedürfe keiner Erörterung. Daher begründe es keinen Feststellungsmangel aufgrund unrichtiger rechtlicher Beurteilung, wenn das Erstgericht keine Feststellungen über den „aktuellen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt" getroffen habe.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei und der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegnerin ist zulässig, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehlt, ob geschiedene Ehegatten zur Zeit der Einbringung des Aufteilungsantrags einen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinn des § 76 Abs 1 JN iVm § 114a Abs 1 JN haben können. Er ist aber nicht berechtigt.

Die Rechtsmittelwerberin macht geltend, die Auffassung des Rekursgerichts widerspreche der zu § 114a JN vertretenen herrschenden Ansicht und Rechtsprechung, wonach primär das Gericht örtlich zuständig sein soll, in dessen Sprengel die Ehegatten ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt haben. Sie ließe auch den Verweis auf die gesamte Bestimmung des § 76 JN leerlaufen, weil der primäre Anknüpfungspunkt für die örtliche Zuständigkeit im Aufteilungsverfahren nie vorliege. Es entspreche einer sinngemäßen Anwendung des § 76 JN am ehesten, wenn primär auf den (aktuellen) gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt der (vormaligen) Ehegatten abgestellt werde.

Hiezu wurde erwogen:

Sofern weder eine andere Eheangelegenheit noch ein streitiges Eheverfahren in erster Instanz anhängig ist (§ 114a Abs 2 und Abs 3 JN), richtet sich die örtliche Zuständigkeit für außerstreitige Eheangelegenheiten im Allgemeinen gemäß § 114a Abs 1 JN nach dem sinngemäß anzuwendenden § 76 Abs 1 JN.

§ 76 Abs 1 JN knüpft die örtliche Zuständigkeit in erster Linie an den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten. Besteht bei Klagseinbringung ein gemeinsamer Aufenthalt nicht, ist subsidiär das Gericht des letzten gemeinsamen Aufenthalts der Ehegatten örtlich zuständig, sofern noch im Zeitpunkt der Klagserhebung einer der Ehegatten seinen gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Sprengel hat (§ 76 Abs 1 Satz 1 und Satz 2 erster Halbsatz JN; Simotta in Fasching² § 76 JN Rz 6 und 12). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung des letzten gemeinsamen Aufenthalts ist die Auflösung der häuslichen Gemeinschaft (6 Ob 94/72 SZ 45/60). Gemeinsam ist der Aufenthalt, wenn die Ehegatten zusammenleben, also der betreffende Ort zum Mittelpunkt des gemeinsamen Ehelebens gemacht wurde (6 Ob 261/69 EFSlg 12.223; 8 Ob 247/68 EFSlg 10.495; Simotta aaO Rz 6 und 8; Mayr in Rechberger³ § 76 JN Rz 2). Da es auf das gemeinsame eheliche Leben ankommt, kann ein gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt der Eheleute vor der Heirat nicht ein letzter gemeinsamer im Sinn des § 76 Abs 1 JN sein. Die Eheleute können auch nebeneinander mehr als einen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt haben oder zuletzt gehabt haben (SZ 45/60; Simotta aaO Rz 11 mwN; Mayr aaO Rz 2 mwN).

Zu den von § 114a JN erfassten Eheangelegenheiten zählt der Antrag auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse (§ 114a Abs 2 JN; 6 Ob 7/02a SZ 2002/65; 8 Ob 82/05z SZ 2005/127). Dieser Antrag kann erst gestellt werden, wenn die Ehe rechtskräftig aufgelöst ist (§ 81 Abs 1 EheG; 1 Ob 45/05p). Der in § 76 Abs 1 JN gebrauchte Begriff des oder der Ehegatten ist daher im Sinn von ehemaligem oder ehemaligen Ehegatten zu lesen (Simotta aaO § 114a JN Rz 20). Da zur Zeit der Stellung eines Antrags nach §§ 81 ff EheG ein eheliches Zusammenleben nicht (mehr) bestehen kann, führt die Anordnung der sinngemäßen Anwendung des § 76 Abs 1 JN in § 114a Abs 1 JN in diesem Fall nach dem dargelegten Inhalt des Begriffs „gemeinsam" dazu, dass als Gerichtsstand des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts nur jener gilt, den die ehemaligen Ehegatten während der Ehe zuletzt hatten. Dieser Auslegung steht der Wortlaut des § 114a Abs 1 JN nicht entgegen, weil unter den Begriff der außerstreitigen Eheangelegenheiten auch Anträge fallen, die nur oder auch während des Bestehens der Ehe gestellt werden können.

Die Entscheidung des Rekursgerichts war daher zu bestätigen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 Abs 1 AußStrG.

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