OGH 6Ob80/09x

OGH6Ob80/09x14.5.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Heimaufenthaltssache der Bewohnerin Andrea W*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Dr. Mirko N***** sowie des Vereins „G*****“ *****, beide *****, beide vertreten durch Dr. Peter Lösch Rechtsanwalt GmbH in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 18. Februar 2009, GZ 43 R 89/09w-28, womit der Rekurs der Revisionsrekurswerber gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Döbling vom 24. Oktober 2008, GZ 36 HA 4/08b-15, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Die Revisionsrekursbeantwortung der Bewohnervertreterin Mag. Elisabeth P*****, vertreten durch Mag. Nikolaus Weiser, Rechtsanwalt in Wien, wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Mit Beschluss vom 24. 10. 2008 erklärte sich das Erstgericht „hinsichtlich der Freiheitsbeschränkung in der Werkstätte *****, 1220 Wien“ als zuständig. Weiters sprach es aus, dass die Freiheitsbeschränkung bei Andrea W***** in der Wohngemeinschaft, *****, 1190 Wien, durch Verschließen des Gartentores während der gesamten Zeit und Verschließen der Eingangstür ab 20:30 Uhr für die Dauer von sechs Monaten zulässig sei. Schließlich wies es den Antrag der Bewohnervertretung hinsichtlich der Überprüfung der Freiheitsbeschränkung durch Anordnen des Zurückhaltens und Verschließens der Türe in der Werkstätte *****, 1220 Wien, ab.

Gegen den abweisenden Teil dieses Beschlusses erhob die Bewohnervertreterin Rekurs. Außerdem erhoben Dr. Mirko N***** und der Verein „G*****“ ***** gegen den Beschluss Rekurs, soweit das Erstgericht seine Zuständigkeit bejahte und den Antrag der Bewohnervertretung abwies.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Bewohnervertreterin nicht Folge und wies den Rekurs des Dr. Mirko N***** und des Vereins „G*****“ ***** zurück.

Bei Beschlüssen, mit denen ein Überprüfungsantrag abgewiesen wird, weil das Gericht zu dem Ergebnis gelange, dass die von ihm überprüfte Maßnahme die Voraussetzungen einer Freiheitsbeschränkung im Sinne des § 3 HeimAufG nicht erfülle, richteten sich die Rechtsmittelbefugnisse nach den allgemeinen Grundsätzen des Außerstreitgesetzes. Insoweit fehle Dr. N***** und dem Verein „G*****“ die Beschwer. Außerdem fehle ihnen die Rechtsmittellegitimation. Im erstinstanzlichen Verfahren sei als Leiter der Einrichtung in Bezug auf die Werkstätte nur Herbert K*****, nicht aber Dr. Mirko N***** eingeschritten. Letzterem komme nur die Stellung des Obmanns des Vereins „G*****“, nicht aber jene des Leiters der verfahrensgegenständlichen Werkstätte zu. Der Verein „G*****“ sei zwar Träger dieser Einrichtung, nicht aber Leiter der Einrichtung im Sinne des Heimaufenthaltsgesetzes, welcher nur eine physische Person sein könne.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil Rechtsfragen der in § 62 Abs 1 AußStrG genannten Qualifikation nicht vorlägen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist unzulässig.

Auch die Zurückweisung eines Rekurses durch das Rekursgericht ist mangels einer dem § 519 Abs 1 Z 1 ZPO vergleichbaren Regelung im AußStrG nur unter den Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zulässig (RIS-Justiz RS0120974).

Bei Beschlüssen, mit denen ein Überprüfungsantrag abgewiesen wird, weil das Gericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die von ihm überprüfte Maßnahme die Voraussetzungen einer Freiheitsbeschränkung im Sinne des § 3 HeimAufG nicht erfüllt, richten sich die Rechtsmittelbefugnisse nach den allgemeinen Grundsätzen des AußStrG (2 Ob 77/08z; Barth/Engel, Heimrecht [2004] § 16 HeimAufG Anm 1; Strickmann, Heimaufenthaltsrecht [2008] 159). Durch einen Beschluss, der einen Antrag auf Überprüfung mit der Begründung abweist, es liege keine Freiheitsbeschränkung im Sinne des § 3 HeimAufG vor, sind nur der Bewohner, sein Vertreter und seine Vertrauensperson beschwert (Barth/Engel aaO).

Weder die Eigenschaft als Träger einer Einrichtung noch die Stellung als Obmann eines Trägervereins verleiht nach § 2 AußStrG materielle Parteistellung in einem Verfahren nach § 3 HeimAufG. Die diesbezüglichen Ausführungen im Revisionsrekurs erschöpfen sich in der Behauptung, die rechtliche geschützte Stellung der Revisionsrekurswerber wäre durch den anzufechtenden Beschluss „unmittelbar berührt“. Eine derartige unmittelbare Betroffenheit (vgl Rechberger in Rechberger, AußStrG § 2 Rz 10 ff) liegt im vorliegenden Fall aber gerade nicht vor, ist doch auch nicht ansatzweise erkennbar, inwieweit die Rechtsposition der Revisionsrekurswerber durch die Entscheidung des Erstgerichts beeinträchtigt würde. Bloß mittelbare Auswirkungen oder eine gar nur wirtschaftliche Betroffenheit reicht zur Begründung der Parteistellung aber jedenfalls nicht aus (Rechberger aaO § 2 Rz 11; 6 Ob 1/79; 6 Ob 7/85; 6 Ob 19/95; 6 Ob 2358/96; 6 Ob 168/98v uva).

Von diesen gesicherten Grundsätzen ist das Rekursgericht nicht abgewichen, sodass der Revisionsrekurs mangels Vorliegens einer Rechtsfrage der in § 62 AußStrG vorausgesetzten Qualität spruchgemäß zurückzuweisen war.

Auch die Revisionsrekursbeantwortung der Bewohnervertreterin war zurückzuweisen. Die Zweiseitigkeit des Rekurses und des Revisionsrekurses ist in § 16 Abs 3 HeimAufG nur für den Fall vorgesehen, dass der Leiter der Einrichtung den Beschluss, mit dem eine Freiheitsbeschränkung für unzulässig erklärt wird, bekämpft. In allen anderen Fällen ist das Rechtsmittel einseitig (2 Ob 77/08z). Diese Rechtslage steht im Einklang mit Art 6 MRK, werden doch civil rights im Sinne der zitierten Bestimmung anderer Personen durch die angefochtene Entscheidung nicht berührt.

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