OGH 1Ob35/09t

OGH1Ob35/09t31.3.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Sol als weitere Richter in der beim Landesgericht Leoben zu AZ 6 Cg 62/07z anhängigen Rechtssache der klagenden Partei Univ.-Prof. Dr. Rudolf B*****, vertreten durch Mag. Christian Pilz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17-19, wegen 665,66 EUR sA, infolge Ablehnung über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz vom 22. Dezember 2008, GZ 6 Nc 30/08z-4, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat ihre Rekurskosten selbst zu tragen.

Text

Begründung

Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz änderte als Rekursgericht einen den Unterbrechungsantrag des Klägers (dortigen Beklagten) abweisenden Beschluss ab und unterbrach das Verfahren. Der Oberste Gerichtshof hob diesen Beschluss des Rekursgerichts als nichtig auf, wies den Rekurs des Klägers zurück und verpflichtete ihn zum Ersatz der Kosten des Revisionsrekursverfahrens (9 Ob 70/05t). Diese Kosten von 665,66 EUR machte der Kläger in seiner beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz eingebrachten Amtshaftungsklage geltend. Das Oberlandesgericht Graz bestimmte gemäß § 9 Abs 4 AHG das Landesgericht Leoben als zur Behandlung der Amtshaftungsklage zuständiges Gericht. In der gegen das klagsabweisende Urteil des Landesgerichts Leoben erhobenen Berufung machte der Kläger die Befangenheit des Erstrichters geltend. Dieser Ablehnungsantrag wurde mit Beschluss des Landesgerichts Leoben vom 18. 12. 2007 (2 Nc 38/07g) abgewiesen. Der in Ablehnungssachen zuständige zweite Zivilsenat des Oberlandesgerichts Graz gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge. Der Kläger lehnt nunmehr ein bestimmtes Mitglied dieses Senats ab, weil dieser Richter seinerzeit als Richter des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz von der Behandlung der Amtshaftungsklage ausgeschlossen gewesen sei. Damit sei er auch von der Entscheidung über den Rekurs im Ablehnungsverfahren ausgeschlossen.

Das Oberlandesgericht Graz wies diesen Ablehnungsantrag zurück. Es verneinte eine analoge Anwendung des § 9 Abs 4 AHG, weil der nunmehr abgelehnte Richter des Oberlandesgerichts Graz gerade nicht dem im Amtshaftungsprozess zuständigen Landesgericht Leoben angehört habe.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs des Klägers, der eine Abänderung im Sinn der Stattgebung seines Ablehnungsantrags, in eventu die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses anstrebt, ist nicht berechtigt.

Gemäß § 9 Abs 4 AHG ist ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung zu bestimmen, wenn der Ersatzanspruch unter anderem aus der Entscheidung eines Gerichtshofs abgeleitet wird, der nach den Bestimmungen des AHG unmittelbar oder im Instanzenzug zuständig wäre. Dieser Delegierungstatbestand ist nach der ständigen Judikatur des erkennenden Senats auch anzuwenden, wenn jener Richter, dem ein amtshaftungsbegründendes Verhalten vorgeworfen wird, nunmehr bei einem Gerichtshof tätig ist, der über eine Amtshaftungsklage - als Erstgericht oder als Rechtsmittelgericht - zu entscheiden hätte (1 Nd 5/00; 1 Nc 21/08s; RIS-Justiz RS0119894). Zweck des § 9 Abs 4 AHG ist somit, dass ein Gericht, dem jener Richter angehört, gegen den amtshaftungsbegründende Vorwürfe erhoben werden, in keiner Weise mit Entscheidungen befasst sein soll, die die Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen beeinflussen könnten (Schragel AHG³ Rz 255; RIS-Justiz RS0056449). Der Anschein der Befangenheit, der sich aus der kollegialen Nahebeziehung des betroffenen Richters zu den Richtern des Gerichtshofs, der mit Entscheidungen im Zusammenhang mit Amtshaftungsansprüchen befasst ist, ergibt, soll vermieden werden.

Wie sich aus dem beigeschafften Akt 9 Ob 70/05t ergibt, war der nunmehr abgelehnte Richter des Oberlandesgerichts Graz an jener Entscheidung des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz, auf die der Kläger seinen Amtshaftungsanspruch stützt, nicht beteiligt. Seine Mitwirkung an dieser Entscheidung hat der Kläger auch nicht behauptet. Die Gefahr eines Anscheins kollegialer Befangenheit lässt sich nicht erkennen. Der im § 9 Abs 4 AHG enthaltene „typisierte" Tatbestand der „kollegialen Befangenheit" ist darauf zu reduzieren, dass Richter von der Verhandlung und Entscheidung ausgeschlossen sind, wenn sie im Zeitpunkt der Verhandlung bzw des Fällens der Entscheidung am selben Gericht tätig sind wie der oder die Richter, auf dessen oder deren Verhalten ein Amtshaftungsanspruch gestützt wird. Der Ersatzanspruch wird auch nicht aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Graz abgeleitet. Warum in einer derartigen Konstellation der Zweck des § 9 Abs 4 AHG seine analoge Anwendung rechtfertigen soll, ist nicht zu erkennen.

Der - nicht überzeugenden - Anregung, „die Bestimmung des § 9 AHG sowie die Bestimmungen betreffend der Geschäftsverteilung der Gerichte, insbesondere die Regelung in Bezug auf die Besetzung von Ablehnungssenaten, mittels Antrag an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art 89 B-VG iVm Art 140 B-VG wegen Widerspruch zu Art 6 EMRK einer Gesetzesprüfung zu unterziehen", folgt der erkennende Senat nicht.

Kostenersatz steht für erfolglose Verfahrensschritte im Ablehnungsverfahren jedenfalls nicht zu (1 Ob 148/08h mwN).

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