OGH 5Ob38/09p

OGH5Ob38/09p24.3.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen/Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Roch und Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin Sylvia S*****, vertreten durch Göbel & Groh, Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die Antragsgegnerin Mag. Karin R*****, vertreten durch Appiano & Kramer, Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 25. November 2008, GZ 41 R 62/08h-28, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegnerin wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Text

Begründung

Ein zwischen den Parteien bestehendes befristetes Hauptmietverhältnis wurde einvernehmlich per Ende Februar 2005 beendet. Unter Einhaltung der in § 16 Abs 8 dritter Satz MRG normierten Sechsmonatsfrist machte die Antragstellerin die Unwirksamkeit der getroffenen Mietzinsvereinbarung geltend.

Die Vorinstanzen stellten eine monatliche Hauptmietzinsüberschreitung um 453,43 EUR in der Zeit vom 11. 11. 1999 bis 28. 2. 2005 fest und verpflichteten die Antragsgegnerin gemäß § 37 Abs 4 MRG, der Antragstellerin den Betrag von 29.019,52 EUR samt gestaffelten Zinsen zu bezahlen.

Den ordentlichen Revisionsrekurs erklärte das Rekursgericht bei einem 10.000 EUR übersteigenden Wert des Entscheidungsgegenstands für nicht zulässig.

Im außerordentlichen Revisionsrekurs macht die Revisionsrekurswerberin primär geltend, die Vorinstanzen hätten die Bestimmung des § 16 Abs 1 Z 2 zweiter Fall MRG unrichtig angewendet und insofern zu Unrecht eine Neuschaffung des Bestandgegenstands und damit die Zulässigkeit einer angemessenen Mietzinsvereinbarung verneint.

Im Weiteren hätten die Vorinstanzen die Verjährungsbestimmungen des MRG unrichtig angewendet, weil tatsächlich die dreijährige Frist des § 27 Abs 3 MRG, nicht aber die zehnjährige Verjährungsfrist des § 16 Abs 8 dritter Satz MRG Anwendung finde. Darüber hinaus regt die Rechtsmittelwerberin ein Normprüfungsverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof an, da die Bestimmung über die zehnjährige Verjährungsfrist dem Gleichheitssatz widerspreche und sachlich nicht gerechtfertigt sei. Insofern liege eine erhebliche Rechtsfrage vor.

Rechtliche Beurteilung

Schließlich wird ein Verstoß gegen § 405 ZPO geltend gemacht, weil der Antragstellerin nach § 37 Abs 4 MRG ein höherer Rückzahlungsbetrag als von ihr begehrt zugesprochen worden sei.

Dem ist Folgendes zu entgegnen:

1. Nach ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung bewirkt ein Verstoß gegen § 405 ZPO nicht Nichtigkeit, sondern nur eine rügepflichtige Mangelhaftigkeit des Verfahrens, die überdies nur vom Rechtsmittelgericht in der nächsthöheren Instanz wahrgenommen werden kann, was auch im außerstreitigen Verfahren gilt (vgl RIS-Justiz RS0007501 [T4; T6]). Ein - wie hier vom Rekursgericht verneinter - Mangel des außerstreitigen Verfahrens erster Instanz kann daher keinen Revisionsrekursgrund bilden (vgl RIS-Justiz RS0050037; RS0030748).

2. Die Antragsgegnerin hat mit einem Kostenaufwand von 99.000 EUR eine ebenerdige, 72,11 m² große, der Ausstattungskategorie D zuzuordnende Wohnung, die trotz schlechtem Ausstattungszustand bis etwa 1997 vermietet und bewohnt war, mit zwei angrenzenden Abstellräumen in Größe von 31,10 m² verbunden. Dabei wurden eine Gesamtrenovierung des Objekts vorgenommen, eine Gasetagenheizung, ein WC sowie ein Bad errichtet, der gesamte Fußboden abgetragen und erneuert, die Raumeinteilungen und Widmungen verändert und die gesamte Gas- und Stromversorgung sowie die Kanalanbindung erneuert bzw in Stand gesetzt. Die baubehördliche Bewilligung dafür wurde im Jahr 2000 erteilt.

Diese Wohnung war Gegenstand des zwischen den Parteien abgeschlossenen Hauptmietvertrags, wofür ein „frei vereinbarter", gemeint angemessener, Hauptmietzins in Höhe von damals 11.000 S vereinbart wurde.

Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass diesbezüglich trotz des enormen Renovierungsaufwands der Ausnahmetatbestand des § 16 Abs 2 Z 2 zweiter Fall MRG nicht vorliegt, findet in der zu dieser Bestimmung bestehenden, umfangreichen Rechtsprechung Deckung. Eine Neuschaffung von Mietgegenständen liegt nur dann vor, wenn durch bauliche Maßnahmen Mietgegenstände gewonnen wurden, die bisher überhaupt nicht zur Verfügung standen, oder zur Verwendung als Wohnräume oder Geschäftsräume nicht geeignet waren (vgl RIS-Justiz RS0069647). Dieses Erfordernis wurde stets sehr restriktiv (im Sinn von „völlig unbenützbar" oder im Sinn von „für den bestimmungsgemäßen Zweck unbrauchbar") verstanden (vgl 2 Ob 618/90 = wobl 1992/10; 5 Ob 54/91 = wobl 1992/93 [Würth]; zuletzt 5 Ob 141/08h). Selbst eine mit beträchtlichen Kosten verbundene, aber bloß bauliche Umgestaltung schon vorhandenen Raums für Wohn- und Geschäftszwecke sowie die Renovierung eines mangels Instandhaltung unbenützbar gewordenen Mietgegenstands sind keine Neuschaffung, auch werden durch die Verlegung von Zwischenwänden Räume nicht neu geschaffen (vgl RIS-Justiz RS0069257; zuletzt 5 Ob 141/08h). Schon der festgestellte Umstand, dass die Wohnung Top Nr 1 bis etwa im Jahr 1997 vermietet war und die daneben liegenden Abstellräume als Nebenräume der Geschäftstätigkeit der Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin dienten, macht deutlich, dass von einer Neuschaffung eines nicht bestehenden Mietgegenstands keine Rede sein kann. Der von der Antragsgegnerin ins Treffen geführte schlechte Ausstattungszustand ändert daran nichts (vgl 5 Ob 141/08h mwN).

3. Die Anwendbarkeit des § 16 Abs 8 dritter Satz MRG auf den vorliegenden Fall der Auflösung eines befristeten Hauptmietverhältnisses ergibt sich schon aus dem klaren Gesetzeswortlaut, sodass diesbezüglich keine Rechtsfrage von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG vorliegt (vgl RIS-Justiz RS0042656).

Die dort angeordnete zehnjährige Verjährungsfrist für die Geltendmachung der Unwirksamkeit von Überschreitungen des zulässigen Hauptmietzinses, zum Unterschied von der in § 27 Abs 3 MRG normierten dreijährigen Verjährungsfrist, ist von rechtspolitisch begründeten, nachvollziehbaren gesetzgeberischen Erwägungen, wie sie der RV zur WRN 1997 in 555 BlgNR 20. GP entnommen werden können, getragen. Als entscheidend wird dabei angesehen, dass der Mieter bei einem befristeten Mietvertrag im Fall der Geltendmachung seiner im MRG normierten Rechte unter Druck steht, weil er damit eine Verlängerung des Bestandverhältnisses gefährdet. Diesem Umstand wird aber entgegen der Ansicht der Revisionsrekurswerberin nicht ausreichend dadurch begegnet, dass dem Mieter die Geltendmachung der Unwirksamkeit von Überschreitungen bis sechs Monate nach Auflösung des Mietverhältnisses ermöglicht wird. Es muss ihm dann auch ein Überprüfungsanspruch für die gesamte befristete Mietzeit zustehen. Um dieses rechtspolitisch gewollte Ziel zu erreichen, war es legistisch erforderlich, die Verjährungsfrist gesondert zu regeln, wobei sich das Ausmaß der Verlängerung der Verjährungsfrist an der im Geltungsbereich des § 29 Abs 2 Z 3 lit c MRG idF der WRN 1997 zulässigen Gesamtdauer befristeter Wohnungsmietverträge orientierte. Das ist bei richtigem Verständnis der zitierten RV zu entnehmen, wobei dort auch noch klargestellt ist, dass „insoweit die Neuregelung des § 16 Abs 8 als lex specialis dem § 27 Abs 3 vorgeht".

Die von der Antragsgegnerin gerügte Unsachlichkeit der Spezialbestimmung des § 16 Abs 8 dritter Satz MRG liegt also nicht vor.

Der erkennende Senat vermag daher die verfassungsrechtlichen Bedenken der Rechtsmittelwerberin nicht zu teilen, weshalb auch insofern keine im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG erhebliche Rechtsfrage vorliegt (vgl RIS-Justiz RS0116943).

Das hatte zur Zurückweisung des außerordentlichen Rechtsmittels der Antragsgegnerin zu führen.

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