OGH 11Os185/08b

OGH11Os185/08b20.1.2009

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Jänner 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schörghuber als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Siegfried K***** wegen der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Schöffengericht vom 29. September 2008, GZ 16 Hv 120/07m-103, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem auch einen Freispruch enthaltenden angefochtenen Urteil wurde Siegfried K*****, soweit für das Nichtigkeitsverfahren von Bedeutung, der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (I/A/1 und 2) schuldig erkannt.

Danach hat er in Drosendorf Renate K***** mit Gewalt I.A.1. Ende Februar/Anfang März 2007, indem er sie zu Boden stieß, sie an den Haaren auf das Bett im Schlafzimmer zerrte, sich dort auf ihren Körper setzte, sie ohrfeigte und dann ihre Beine hochriss, zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er an ihr einen Analverkehr unternahm; I.A.2. am Gründonnerstag, dem 5. April 2007, indem er sie an den Haaren packte und ihr Gesicht gegen seinen Penis drückte, zur Vornahme einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er sich von ihr oral befriedigen ließ.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten gegen diese Schuldsprüche erhobene, auf § 281 Abs 1 Z 5 und 10 (inhaltlich 9 lit a und 9 lit b) StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.

Unvollständigkeit der Beweiswürdigung (Z 5 zweiter Fall) erblickt der Beschwerdeführer darin, dass das von ihm in der Hauptverhandlung vorgelegte und dort auch verlesene Schreiben der Renate K***** (Beilage ./III zum Protokoll ON 102) in den Entscheidungsgründen des Urteils nicht erörtert wurde.

Demgegenüber ist ein Urteil dann unvollständig iS der Z 5, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 421; RIS-Justiz RS0118316). Mit erheblichen Tatsachen sind Verfahrensergebnisse gemeint, welche die Eignung haben, die dem Gericht durch die Gesamtheit der übrigen Beweisergebnisse vermittelte Einschätzung vom Vorliegen oder Nichtvorliegen einer entscheidenden Tatsache maßgebend zu beeinflussen (RIS-Justiz RS0116877). Davon kann aber bei dem ganz allgemein gehaltenen Schreiben („Es tut mir alles, was ich Dir angetan habe, von Herzen leid! Ich bin nicht sehr gut im Beenden einer Beziehung - entschuldige bitte. Trotz allem wünsche ich Dir ein schönes Osterfest.") nicht gesprochen werden. Die Tatrichter bezogen in ihre Erwägungen durchaus mit ein, dass die Zeugin keineswegs nur einseitige Angaben machte, unbefangen schilderte, dass sie zunächst in den Angeklagten verliebt war, und aussagte, wie nach und nach seine „wahre Persönlichkeit" zum Vorschein kam und seine Wutausbrüche und Gewalttätigkeit ihr gegenüber auftraten (US 14). Ebenso wurden ihre Angaben über wiederholte Aussöhnung mit ihm berücksichtigt, desgleichen der Umstand, dass die Aussagen der Zeugin zu den Tathandlungen im Wesentlichen gleich lautend waren (US 9, 13). Angesichts des Gebots zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) ist das Erstgericht nicht dazu verhalten, alle Verfahrensergebnisse im Einzelnen zu erörtern und darauf zu untersuchen, inwieweit sie für oder gegen diese oder jene Darstellung sprechen, oder sich mit jedem gegen seine Beweiswürdigung möglichen, erst in der Nichtigkeitsbeschwerde konkret erhobenen Einwand im Voraus auseinander zu setzen.

Ein Begründungsmangel (Z 5) ist demnach nicht gegeben. Die Rechtsrüge gegen den Schuldspruch I/A/1 (nominell Z 10, inhaltlich Z 9 lit b) legt nicht dar, weshalb es zur Vollendung einer Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB erforderlich sein soll, dass die vom Täter begonnene Penetration tatsächlich gelingt (vgl RIS-Justiz RS0115581). Der solcherart auf die rechtliche Annahme von Straffreiheit wegen Rücktritts von einem Versuch (§ 16 StGB) zielende Einwand ist nicht an der Verfahrensordnung orientiert: Die vom Beschwerdeführer angestrebte rechtliche Konsequenz ist nicht bloß zu behaupten, sondern methodisch vertretbar aus dem Gesetz abzuleiten (eingehend 13 Os 151/03, JBl 2004, 531 [Burgstaller] = SSt 2003/98; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588; RIS-Justiz RS0116565, RS0116569). Das Vorbringen gegen den Schuldspruch I/A/2 (ausdrücklich Z 10, der Sache nach Z 9 lit a) erweist sich als ebenso wenig prozessordnungskonform. Es erwähnt zwar die im Urteil getroffenen Feststellungen zur Vorgangsweise des Angeklagten (ON 105 S 5 oben), lässt sie aber bei dem nach der Verfahrensordnung gebotenen Vergleich des gesamten konstatierten Sachverhalts mit dem darauf angewendeten Gesetz (RIS-Justiz RS0117247, RS0099724, RS0099810) weitgehend außer Acht und stellt stattdessen nur auf eine aus dem Zusammenhang gelöste Äußerung des Opfers ab, die es nach Erreichen der angestrebten Vornahme von Oralverkehr am Angeklagten tätigte (US 10 Mitte). Desgleichen übergeht das Beschwerdevorbringen die Konstatierungen zu der auf gewaltsame Erzwingung eines Oralverkehrs gerichteten Willensausrichtung des Angeklagten (US 10).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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