OGH 5Ob275/08i

OGH5Ob275/08i13.1.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie durch die Hofrätinnen/Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Dr. Roch als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der jeweils klagenden Partei Dr. Erwin W*****, gegen die beklagten Parteien 1. Regina K*****, (4 C 1029/07i und 4 C 1036/07v), 2. Johannes S*****, (4 C 1037/07s), beide *****, beide vertreten durch Dr. Robert Kerschbaumer, Rechtsanwalt in Lienz, wegen Entfernung und Unterlassung (Streitwert: 15.000 EUR), über den (richtig) Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 8. Oktober 2008, GZ 4 R 397/08y-22, womit das Urteil des Bezirksgerichts Lienz vom 7. August 2008, GZ 4 C 1029/07i, 4 C 1036/07v-18, hinsichtlich der erstbeklagten Partei als nichtig aufgehoben wurde und die gegen die erstbeklagte Partei gerichteten Klagen als verfahrenseinleitende Anträge im Außerstreitverfahren an das Erstgericht zurückverwiesen wurden, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss, der in der Verwerfung der Nichtigkeitsberufung der zweitbeklagten Partei als rechtskräftig unberührt bleibt, wird gegenüber der erstbeklagten Partei dahin abgeändert, dass er lautet:

„Die Berufung der erstbeklagten Partei wegen Nichtigkeit wird verworfen.

Die erstbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 578,94 EUR (darin enthalten 96,49 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens in den Verfahren 4 C 1029/07i und 4 C 1036/07v des Bezirksgerichts Lienz zu ersetzen."

Die erstbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 744,43 EUR (darin enthalten 124,07 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger und die Erstbeklagte sind jeweils Mit- und Wohnungseigentümer eines Objekts in Osttirol. Die Erstbeklagte und ihr Ehemann, der Zweitbeklagte, stellten ihre Motorräder auf einer Fläche ab, die einen allgemeinen Teil der Liegenschaft darstellt. Die Erstbeklagte stellte außerdem im unmittelbaren Bereich vor ihrer Wohnungstür auf dem Stiegenpodest verschiedene Dekorationsgegenstände auf. An der Stiegenhauswand neben ihrer Eingangstüre befestigte sie diverse Kinderzeichnungen und Fotos.

In seinen Eigentumsfreiheitsklagen begehrte der Kläger die Verpflichtung 1. sowohl der Erstbeklagten (4 C 1036/07v) als auch des Zweitbeklagten (4 C 1037/07s), es zu unterlassen, Kraftfahrzeuge, insbesondere Motorräder auf einer näher beschriebenen „Allgemeinfläche" zu parken, 2. der Erstbeklagten (4 C 1029/07i), es zu unterlassen, im Stiegenhaus des Wohnhauses Fahrnisse abzustellen und Bilder, Fotos und Zeichnungen an den Wänden anzubringen, sowie die genannten Gegenstände zu entfernen. Das beanstandete Verhalten sei durch die Hausordnung untersagt und nicht durch eine Benutzungsregelung gedeckt. Die abgestellten Motorräder hinderten die Benützung einer für das Begehen gewidmeten allgemeinen Fläche. Das Aufstellen von Fahrnissen im Stiegenhaus versperre im Brandfall den Fluchtweg. Die aufgehängten Bilder und Fotos würden den Kläger in seinem ästhetischen Empfinden beeinträchtigen.

Die drei Verfahren, welche der Kläger mit jeweils 5.000 EUR bewertete, wurden zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Die Beklagten wendeten - ohne näheres Vorbringen - die Unzulässigkeit des Rechtswegs ein.

Das Erstgericht gab den Klagebegehren statt, ohne in der rechtlichen Beurteilung auf die bestrittene Zulässigkeit des Rechtswegs einzugehen.

Beide Beklagten erhoben Berufung ausschließlich wegen Nichtigkeit. Der Kläger habe seine Ansprüche nach § 838a ABGB im außerstreitigen Verfahren geltend zu machen.

Das Berufungsgericht verwarf die Nichtigkeitsberufung des Zweitbeklagten, hob das gegen die Erstbeklagte ergangene Urteil als nichtig auf und verwies die in außerstreitige Anträge umzudeutenden Klagen an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands in beiden gegen die Erstbeklagte geführten Verfahren jeweils 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs in diesen Verfahren zulässig sei.

§ 838a ABGB verweise alle Streitigkeiten zwischen Miteigentümern über die mit der Benutzung der gemeinschaftlichen Sache unmittelbar zusammenhängenden Rechte und Pflichten in das außerstreitige Verfahren. Entgegen der früheren Rechtslage seien daher auch „Klagen" eines Miteigentümers gegen andere Miteigentümer auf Unterlassung von Störungen (hier: eigenmächtige Anmaßung von Sondernutzungsrechten an Allgemeinflächen) dem außerstreitigen Verfahren vorbehalten. Auch bei einer „Eigentumsfreiheitsklage", mit der jeder einzelne Teilhaber einen eigenmächtigen Eingriff eines Mit- bzw Wohnungseigentümers in das gemeinsame Eigentum abwehren könne, handle es sich um nichts anderes als um eine Streitigkeit zwischen Miteigentümern über die mit der Benutzung der gemeinschaftlichen Sache unmittelbar zusammenhängenden Rechte und Pflichten.

Den Ausspruch über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses begründete das Rekursgericht mit fehlender höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu der Frage, ob „Eigentumsfreiheitsklagen" von Miteigentümern gegen andere Miteigentümer dem streitigen oder dem außerstreitigen Verfahren zuzuordnen seien.

In seinem Revisionsrekurs (richtig: Rekurs) beantragt der Kläger erkennbar, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass auch der Nichtigkeitsberufung der Erstbeklagten nicht Folge gegeben wird; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Erstbeklagte beantragt in der Rechtsmittelbeantwortung erkennbar, das gegnerische Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs des Klägers ist zulässig und berechtigt, weil das Berufungsgericht zu Unrecht die Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs verneint hat.

1. Der Vollrekurs nach § 519 Abs 1 Z 1 ZPO kommt nur dann in Betracht, wenn sich das Berufungsgericht mit dem zur Klagszurückweisung führenden Nichtigkeitsgrund erstmals auseinandergesetzt hat. War das behauptete Prozesshindernis aber bereits Gegenstand erster Instanz und der erstgerichtlichen Entscheidung, so unterliegt ein Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof den Beschränkungen des § 528 Abs 2 ZPO (RIS-Justiz RS0116348). § 519 Abs 1 ZPO ist nur dann analog anzuwenden, wenn ein Rekursgericht erstmals einen Nichtigkeitsgrund aufgreift und die Klage unter Nichtigerklärung des Verfahrens zurückweist (RIS-Justiz RS0043861 [T4]). Nach Auffassung des Obersten Gerichtshofs wäre es nämlich nicht sachgerecht, die Möglichkeit der Bekämpfung der Entscheidung eines Gerichts zweiter Instanz mit demselben Inhalt davon abhängig zu machen, ob über die Prozesseinrede vom Erstgericht abgesondert oder erst im Urteil entschieden wurde (2 Ob 185/02y; 10 Ob 35/07f).

2. Um die Anfechtungsbeschränkungen des § 528 Abs 2 ZPO anzuwenden, ist eine formelle (spruchmäßige) Entscheidung über die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs durch das Erstgericht nicht jedenfalls notwendig. Es reicht aus, dass es in den Entscheidungsgründen zu erkennen gegeben hat, diese Einrede verwerfen zu wollen. Auch in diesem Fall wird das Gericht zweiter Instanz, das sich mit dieser Prozesseinrede befasst, funktionell als Rekursgericht tätig, weshalb sich die Zulässigkeit eines Rechtsmittels an den Obersten Gerichtshof nach § 528 ZPO richtet (1 Ob 63/02z; 2 Ob 185/02y; 10 Ob 35/07f; Zechner in Fasching/Konecny² § 519 ZPO Rz 14f).

3. Im konkreten Fall hat das Erstgericht zwar bei der Wiedergabe des Parteienvorbringens auf den Einwand der Unzulässigkeit des Rechtswegs verwiesen, es ist aber in seiner rechtlichen Beurteilung mit keinem Wort auf dieses Prozesshindernis eingegangen. Wie der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 1 Ob 63/02z, welche die zu RIS-Justiz RS0116348 dokumentierte Judikaturlinie einleitete, dargelegt hat, muss das Erstgericht sich zumindest in den Entscheidungsgründen mit der (dort ausdrücklich bejahten) Zulässigkeit des Rechtswegs auseinandersetzen. Die meritorische Erledigung des Klagebegehrens durch (hier) seine Stattgebung, reicht damit nicht aus, weil in einem solchen Fall die zweite Instanz die Rechtsansicht des Erstgerichts zur Zulässigkeit des Rechtswegs nicht überprüfen kann und damit nicht funktionell als Rekursgericht tätig wird (vgl Zechner aaO).

Das Rechtsmittel des Klägers ist daher nicht als Revisionsrekurs, sondern als nach § 519 Abs 1 ZPO analog (Kodek in Rechberger³ § 519 ZPO Rz 10) zulässiger Rekurs zu werten.

4. Für die Frage der Zulässigkeit des Rechtswegs sind ausschließlich die Klagsbehauptungen maßgeblich (RIS-Justiz RS0005896). Für die Beurteilung der Frage, ob eine Sache in das Außerstreitverfahren oder auf den ordentlichen Rechtsweg gehört, sind die Behauptungen des Gegners ebenso wenig relevant wie die getroffenen Feststellungen (RIS-Justiz RS0005861 [T1]).

Der Kläger behauptet in seiner Klage eine rechtswidrige Benutzung allgemeiner Teile der Liegenschaft durch eine andere Mit/Wohnungseigentümerin und einen Dritten (früherer Lebensgefährte und nunmehriger Ehemann der Wohnungseigentümerin).

5. Lehre und Judikatur gestanden auch einem Minderheitseigentümer (Wohnungseigentümer) die Eigentumsfreiheitsklage (§ 523 ABGB) nicht nur gegen einen Dritten, sondern auch gegen andere Miteigentümer (Wohnungseigentümer) zu, um eigenmächtige Eingriffe in das gemeinsame Eigentum abzuwehren (RIS-Justiz RS0012137; RS0012112 [T1]; RS0013384; 5 Ob 25/08z; vgl Kiendl-Wendner in Schwimann³ II § 523 ABGB Rz 15).

6. Der mit dem FamErbRÄG, BGBl I 2004/58, mit 1. 1. 2005 in Kraft getretene § 838a ABGB verweist Streitigkeiten zwischen den Teilhabern über die mit der Verwaltung und Benützung der gemeinschaftlichen Sache unmittelbar zusammenhängenden Rechte und Pflichten in das Verfahren außer Streitsachen.

Zur Abgrenzung zwischen streitigen und außerstreitigen Verfahren führen die ErläutRV 471 BlgNR 22. GP 33 unter anderem aus:

„Bei Miteigentumsangelegenheiten wird in der Frage, ob ein Anspruch in streitigen oder außerstreitigen Verfahren durchzusetzen ist, bisher relativ unklar und wenig einsichtig differenziert. ... Es empfiehlt sich daher, solche Unwägbarkeiten durch eine eindeutige, Zuständigkeits- und Rechtswegstreitigkeiten nicht provozierende Regel möglichst auszuräumen. Einige der Miteigentümerstreitigkeiten passen nicht recht in den Zivilprozess mit seinem strikten Zwei-Parteien-System. Zudem können in diesen Angelegenheiten rechtsvorsorgende und rechtsgestaltende Mehrparteienverfahren vorkommen. Darüber hinaus ermöglicht das neue Außerstreitverfahren auch kontradiktorische Entscheidungen. Aus diesen Gründen ist es für die hier in Frage stehenden Auseinandersetzungen besser geeignet als der Zivilprozess. Mit § 838a ABGB werden daher Streitigkeiten zwischen den Teilhabern einer Miteigentumsgemeinschaft über die Verwaltung und Benützung der gemeinschaftlichen Sache in das Außerstreitverfahren verwiesen. Das gilt für Streitigkeiten zwischen den Miteigentümern, nicht aber für Streitigkeiten mit Dritten. ... In das Außerstreitverfahren fallen die mit der Verwaltung und Benützung unmittelbar zusammenhängenden Rechte und Pflichten der Teilhaber. Das betrifft jedenfalls die dem Richter nach den §§ 833 bis 838 ABGB zukommenden Aufgaben, aber auch Streitigkeiten aus einer Benützungsregelung, den Anspruch auf Rechnungslegung und auf die Verteilung des Erlöses zwischen den Miteigentümern (§ 830 Satz 1 ABGB) sowie die Verteilung des Nutzens und des Aufwands unter ihnen (§ 839 ABGB). Dabei macht es keinen Unterschied, ob der Auseinandersetzung der Teilhaber eine Vereinbarung zugrundeliegt oder nicht. In beiden Fällen ist der Außerstreitrichter zur Verhandlung und Entscheidung berufen. Die Verweisung in das Außerstreitverfahren erstreckt sich aber nur auf die mit der Verwaltung und Benützung unmittelbar zusammenhängenden Rechte und Pflichten. Ansprüche, die nicht nur auf das Miteigentumsverhältnis, sondern darüber hinaus auch noch auf weitere Rechtsgrundlagen gestützt werden (etwa ein Besitzstörungsanspruch, ein Schadenersatzanspruch, ein Bereicherungsanspruch oder ein auf das Nachbarrecht gestützter Unterlassungsanspruch zwischen Miteigentümern), sind weiterhin im streitigen Verfahren geltend zu machen. Die auf die besonderen Verhältnisse des Wohnungseigentums zugeschnittenen Sonderregelungen des § 52 Abs 1 WEG 2002 bleiben unberührt ..."

7. Interessant ist in diesem Zusammenhang insbesondere die Bestimmung des § 52 Abs 1 Z 3 WEG 2002, der Angelegenheiten der Wohnungseigentümer, über die nach dem 16. Hauptstück des Zweiten Teils des ABGB im außerstreitigen Verfahren zu entscheiden ist, wie etwa Benützungsregelungen (§ 17), dem außerstreitigen Wohnrechtsverfahren zuordnet.

8. Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat bereits in zwei Entscheidungen, die behauptete rechtswidrige Eingriffe in das Eigentumsrecht im Verhältnis zwischen Miteigentümern betrafen, zu § 838a ABGB Stellung genommen und in beiden Fällen die Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs bejaht:

Zu 10 Ob 53/08d = RIS-Justiz RS0013199 [T1] war ein Begehren auf Räumung einer Wohnung zu beurteilen, das die dortige Klägerin (Minderheitseigentümerin) auf ein einseitiges Abgehen von der bisherigen Benutzungsregelung und die alleinige titellose Benutzung durch die beklagte Miteigentümerin stützte. Der erkennende Senat sprach unter Hinweis auf Sailer in KBB² § 828 Rz 7 sowie § 838a Rz 3 mwN und Egglmeier/Gruber/Sprohar in Schwimann³ § 835 ABGB Rz 34 aus, dass derartige Ansprüche auch nach Inkrafttreten des § 838a ABGB auf den streitigen Rechtsweg gehörten.

Dasselbe Ergebnis erzielte der OGH in dem zu 3 Ob 144/08k entschiedenen Fall. In diesem Provisorialverfahren behauptete der klagende Miteigentümer die (teils) durchgeführte Demontage einer historischen Liftanlage und die drohende Neuerrichtung eines Lifts auf Veranlassung der beiden anderen Miteigentümer. Diese Maßnahme der außerordentlichen Verwaltung sei ohne Zustimmung des klagenden Miteigentümers nicht zulässig. Der OGH hielt diese Sache einem nachbarrechtlichen Unterlassungsverfahren gleich; er wertete sie nicht als Streitigkeit über die mit der Verwaltung und Benutzung der gemeinschaftlichen Sache zusammenhängenden Rechte und Pflichten im Sinn des § 838a ABGB, weil sich der erhobene Anspruch hier nicht allein auf das Miteigentumsverhältnis, sondern auf einen rechtswidrigen, nicht durch einen wirksamen Beschluss der Miteigentümer gedeckten Eingriff in das Miteigentumsrecht des Klägers, gründe.

9. Diese Meinung vertreten auch Vonkilch (Zur [Un-]Rechtmäßigkeit übermäßigen Gebrauchs der gemeinsamen Sache durch einen Miteigentümer, wobl 2006, 138 [145]) und Sailer (in KBB² § 838a Rz 3) im Zusammenhang mit Räumungs- und Verwendungsansprüchen gegen den die gemeinsame Sache übermäßig gebrauchenden Miteigentümer, weil sie der Bekämpfung unrechtmäßiger Eingriffe in das Anteilsrecht der übrigen dienen.

10. Dagegen sieht Call in seiner Besprechung der Entscheidung 1 Ob 213/07s (wobl 2008, 243 [247]; derselbe jüngst zu 3 Ob 144/08b = wobl 2008/133) § 838a ABGB auch auf Räumungs- und Unterlassungsansprüche anwendbar, die ein Miteigentümer gegen einen anderen Miteigentümer wegen eigenmächtiger Veränderung der bisherigen Benützungsverhältnisse bzw wegen eines Eigentumseingriffs geltend macht. Aus der Sicht des zitierten Autors spricht sehr viel dafür, die Wortfolge „mit der Verwaltung und Benützung der gemeinsamen Sache unmittelbar zusammenhängenden Rechte und Pflichten" nicht eng auszulegen.

11. Der erkennende Senat sieht sich zumindest für den Fall der Eigentumsfreiheitsklage durch die zuletzt zitierte Lehrmeinung nicht veranlasst, von der in den Entscheidungen 10 Ob 53/08d und 3 Ob 144/08k sowie in der Lehre vertretenen Linie, Ansprüche wegen eigenmächtiger Veränderung der bisherigen Benützungsverhältnisse durch einzelne Miteigentümer als rechtswidrigen Eingriff in die Anteilsrechte der anderen nicht § 838a ABGB zu unterstellen, sondern dem streitigen Verfahren vorzubehalten, abzugehen.

Die zitierten Materialien nehmen unter anderem nachbarrechtliche Unterlassungsansprüche zwischen Miteigentümern von dem in § 838a ABGB angeordneten Verweis in das außerstreitige Verfahren aus. Die Eigentumsfreiheitsklage nach § 523 ABGB, mit der sich ein Miteigentümer gegen behauptete rechtswidrige Eingriffe in sein Anteilsrecht (hier: widmungswidrige Benutzung von allgemeinen Teilen) wehrt, ist genauso ein Anwendungsfall der Eigentumsklage (Hofmann in Rummel³ § 523 Rz 9) wie eine auf Unterlassung von Immissionen (§ 364 Abs 2 ABGB) gerichtete Klage. Mit beiden wird ein unberechtigter Eingriff in das Eigentumsrecht geltend gemacht. Auf Unterlassung und Beseitigung unzulässiger Immissionen gerichtete nachbarrechtliche Ansprüche (insbesondere § 364 Abs 2 ABGB) sind inhaltlich nichts anderes als ein Sonderfall der Eigentumsfreiheitsansprüche nach § 523 ABGB (Spielbüchler in Rummel³ § 364 ABGB Rz 4; vgl Eccher in KBB² § 364 Rz 1). Die Materialien legen somit nahe, nicht nur die ausdrücklich erwähnten nachbarrechtlichen Unterlassungsansprüche, sondern auch Eigentumsfreiheitsklagen nach § 523 ABGB zwischen Miteigentümern vom Anwendungsbereich des § 838a ABGB auszunehmen und derartige Auseinandersetzungen zwischen Miteigentümern weiterhin dem streitigen Verfahren vorzubehalten.

12. Für dieses Ergebnis spricht auch, dass eine Unterscheidung auf Beklagtenseite zwischen Miteigentümern und dritten Störern nicht sehr praktisch ist, wenn (wie hier) idente bzw weitgehende deckungsgleiche Störungshandlungen behauptet werden, die sowohl von einem Miteigentümer als auch von einem unmittelbaren „dritten" Störer begangen werden, der in einer engen Beziehung zum Miteigentümer steht. Zu denken ist an das Beispiel eines „Familienautos", das vom Miteigentümer, aber auch von den sonstigen Familienangehörigen rechtswidrig auf einem allgemeinen Teil der Liegenschaft abgestellt wird. Auch die Durchsetzung eines Räumungsanspruchs wegen titelloser Benutzung einer Wohnung durch mehrere Personen, die nicht alle Miteigentümer sind, in unterschiedlichen, von der Rechtsposition des Beklagten abhängigen Verfahrensarten, ist nicht unbedingt ein wünschenswertes Ergebnis.

13. Die gegen die erstbeklagte Wohnungseigentümerin gerichteten Ansprüche sind somit im streitigen Verfahren geltend zu machen. Die Nichtigkeitsberufung der Erstbeklagten ist zu verwerfen. Einziger Berufungsgrund war die Nichtigkeit wegen Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs, weshalb die in der Rekursbeantwortung enthaltenen Ausführungen zur Berechtigung des Klagsanspruchs in materieller Hinsicht unbeachtlich sind (RIS-Justiz RS0043352; RS0043480; RS0043573). Der Verweis der Erstbeklagten auf das Neuerungsverbot ist schon deshalb verfehlt, weil § 482 ZPO nicht für von Amts wegen zu beachtende Umstände gilt, zu denen auch die Zulässigkeit des Rechtswegs gehört (RIS-Justiz RS0108589; RS0119356).

14. Die Entscheidung über die Verfahrenskosten zweiter und dritter Instanz gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Auf die Erstbeklagte, gegen die zwei von drei Klagen gerichtet waren, entfallen zwei Drittel der in der Berufungsbeantwortung beider Beklagter verzeichneten Kosten. Entgegen dem Kostenverzeichnis stehen nicht 180 %, sondern nur 60 % Einheitssatz zu. Über eine Nichtigkeitsberufung ist nach § 471 Z 5 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung zu entscheiden. Da eine mündliche Berufungsverhandlung nicht stattfindet, ist § 23 Abs 9 RATG nicht anzuwenden (Obermaier, Das Kostenhandbuch [2005] Rz 534).

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