OGH 2Ob185/02y

OGH2Ob185/02y5.9.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Reinhard Armster, Rechtsanwalt in Maria Enzersdorf, wider die beklagten Parteien 1. Daniela H*****, 2. Franz H*****, und 3. ***** Versicherung-AG, *****, alle vertreten durch Hule & Heinke, Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen EUR 1.191,53 sA über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 27. März 2002, GZ 36 R 469/01i-20, womit aus Anlass des von der klagenden Partei erhobenen Rechtsmittels das Verfahren des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien, GZ 21 C 287/01s, in Ansehung des Betrages von S 2.745,83 sA als nichtig behoben und die Klage insoweit zurückgewiesen wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien haben die Kosten der Rekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Am 27. 2. 2000 ereignete sich ein Verkehrsunfall bei dem durch Verschulden der Erstbeklagten ein von der klagenden Partei gehaltener PKW beschädigt wurde.

Die klagende Partei begehrt den Ersatz ihrer restlichen Schäden in der Höhe von S 16.395,83, darin enthalten S 2.445,83 an Gutachtenskosten. Dazu brachte sie vor, ein Gutachten eines Sachverständigen über die Reparaturkosten bezüglich der gegenständlichen Schäden eingeholt zu haben. Es müsse einem Geschädigten die Bewertung des Schadens durch einen unabhängigen Gutachter zugebilligt werden. Die Bemessung des Schadens durch die drittbeklagte Versicherung sei vielleicht nicht objektiv. Die Gutachtenskosten seien daher ein Aufwand zur Schadensfeststellung und -beseitigung. Überdies sei nach neuerer Auffassung die Unterscheidung zwischen vorprozessualen Kosten und materiellem Aufwand zur Schadensbeseitigung nicht nötig; die geschädigte Partei könne wählen, ob sie derartige Posten in das Kostenverzeichnis aufnehme oder aber als materiellrechtliche Forderung geltend mache.

Die beklagte Partei wendete unter anderem ein, die Gutachtenskosten seien als vorprozessuale Kosten im Rahmen des Kostenverzeichnisses von der klagenden Partei geltend zu machen, nicht aber als Kapital. Das Erstgericht verurteilte die beklagten Parteien zur Zahlung von S

13.650 sA, ein Mehrbegehren auf Zahlung von "S 2.745,83" sA wies es aber ab. Dazu führte es aus, die Gutachtenskosten seien als vorprozessuale Kosten zu qualifizieren, weshalb sie abzuweisen seien. Gegen die Abweisung des Begehrens auf Zahlung von S 2.445,83 sA erhob die klagende Partei Berufung. Das Berufungsgericht änderte die angefochtene Entscheidung dahin ab, dass in Ansehung des Betrages von "S 2.745,83" sA das Verfahren als nichtig behoben und die Klage zurückgewiesen wurde.

Nach Auffassung des Berufungsgerichtes sei der hier zu beurteilende Sachverhalt mit jenem, der der Entscheidung JBl 2001, 459 zugrundeliege, nicht zu vergleichen. Vorprozessuale Kosten seien solche, die zum Zweck der Prozessführung schon vor Einleitung des Prozesses aufgewendet worden seien, dies selbst dann, wenn die privatrechtlichen Voraussetzungen eines Schadenersatzanspruches gegeben seien. Bei Fortbestehen der Hauptforderung handle es sich bei Geltendmachung vorprozessualer Kosten um verfahrensrechtliche und daher öffentlichrechtliche Ansprüche. Würden solche Kosten als Hauptanspruch geltend gemacht werden, dürfe ein Zuspruch wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges nicht erfolgen. Im vorliegenden Fall habe das Erstgericht die Gutachtenskosten als "vorprozessuale Kosten" qualifiziert und diesen Teil des Klagebegehrens deswegen abgewiesen. Es habe daher materiell über diese Kosten erkannt und damit den Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 6 ZPO verwirklicht. Dagegen richtet sich der Rekurs der klagenden Partei mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und ihr einen weiteren Betrag von S 2.445,83 sA zuzusprechen. Die klagende Partei vertritt die Ansicht, der Rekurs sei unabhängig vom Wert des Entscheidungsgegenstandes und einer erheblichen Rechtsfrage zulässig, weil das Berufungsgericht aus Anlass der Berufung das Verfahren für nichtig erklärt und die Klage zurückgewiesen habe. In der Sache selbst führte die klagende Partei aus, vorprozessuale Kosten könnten Gegenstand eines eigenen Schadenersatzanspruches sein, wenn ein Interesse an der Sachverhaltsermittlung unabhängig von der Rechtsverfolgung in einem Prozess bestehe (JBl 2001, 459). Diese Voraussetzungen seien hier gegeben.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu wurde erwogen:

Entgegen der im Rekurs vertretenen Ansicht liegt kein Beschluss nach § 519 Abs 1 Z 1 ZPO vor. Der Auffassung, es liege eine solche Entscheidung vor, würde nämlich zu einem Wertungswiderspruch führen:

Hätte nämlich das Erstgericht über die von den Beklagten erhobene Prozesseinrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges mit abgesondertem Beschluss entschieden (§ 261 Abs 4 ZPO), dann wäre dagegen Rekurs zu erheben gewesen; die Zulässigkeit eines Rechtsmittels gegen eine abändernde Entscheidung des Rekursgerichtes wäre den Beschränkungen des § 528 Abs 2 ZPO unterlegen. Die Auffassung, dass zur Vermeidung des aufgezeigten Wertungswiderspruches auch eine Entscheidung des Berufungsgerichtes, das ein bereits im Verfahren erster Instanz eingewendetes Prozesshindernis wahrnimmt und die Zurückweisung der Klage ausspricht, den Anfechtungsbeschränkungen des § 528 Abs 2 ZPO unterliegen soll, wurde von der neueren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes aufgegriffen (JBl 1996, 58, AnwBl 1996, 703; zuletzt 1 Ob 63/02z). Auch der erkennende Senat tritt dieser Auffassung bei, weil es nicht sachgerecht wäre, die Möglichkeit der Bekämpfung der Entscheidung eines Gerichtes zweiter Instanz mit demselben Inhalt davon abhängig zu machen, ob über die Prozesseinrede vom Erstgericht abgesondert, oder aber erst im Urteil entschieden wurde. Gleiches muss aber auch für den Fall gelten, in dem das Erstgericht zwar eine formelle (spruchmäßige) Entscheidung über die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges unterlassen, aber in den Entscheidungsgründen zu erkennen gegeben hat, dass es diese Einrede verwerfen will (1 Ob 63/02z). Auch in diesem Fall wird das Gericht zweiter Instanz, das sich mit dieser Prozesseinrede befasst, funktionell als Rekursgericht tätig, weshalb sich die Zulässigkeit eines Rechtsmittels an den Obersten Gerichtshof nach § 528 ZPO richtet.

Liegt aber - so wie hier - der Entscheidungsgegenstand, über den das Rechtsmittelgericht entschieden hat, unter EUR 4.000, dann kann auch die vom Rekursgericht bestätigte Zurückweisung einer Klage - trotz § 528 Abs 2 Z 2 ZPO - gemäß § 528 Abs 2 Z 1 ZPO nicht angefochten werden (Kodek in Rechberger2, ZPO, § 528 Rz 2 mwN; RIS-Justiz RS0044496), weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

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