OGH 4Ob193/08y

OGH4Ob193/08y15.12.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Zechner als Vorsitzenden und die Hofrätin Dr. Schenk sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Piaty Müller-Mezin Schoeller Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagten Parteien 1. Werner S*****, und 2. A***** Gesellschaft mbH & Co KEG, *****, beide vertreten durch GNBZ Graf Nestl Baurecht Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung und Widerruf (Streitwert im Provisorialverfahren 19.000 EUR), über den ordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 14. August 2008, GZ 6 R 137/08a-16, womit der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 10. Juni 2008, GZ 10 Cg 9/08x-10, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien sind schuldig, der klagenden Partei die mit 1.308,17 EUR bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung (darin 218,03 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Erstbeklagte war bis zu seiner fristlosen Entlassung Dienstnehmer der Klägerin (Vertreter im Außendienst). Die Zweitbeklagte ist Medieninhaberin einer regionalen, vierzehntägig erscheinenden Gratis-Zeitung, in der unter der Überschrift „Verrückte Welt! nach Versicherungswechsel von G***** vor Gericht zitiert" über Veranlassung des Erstbeklagten ein Artikel erschien, der über den zwischen dem Erstbeklagten und der Klägerin geführten Prozess berichtete. Dieser Bericht enthält ua die Aussage, die Klägerin hätte ihren ehemaligen Dienstnehmer (den Erstbeklagten) deswegen fristlos entlassen, weil er einen neuen Dienstvertrag nicht habe akzeptieren wollen; der Erstbeklagte sei von der Klägerin unter fadenscheinigen Argumenten fristlos entlassen worden.

Zuvor hatte die interne Revision der Klägerin die Tätigkeit des Erstbeklagten überprüft, weil der Erstbeklagte seit längerer Zeit nicht nur weniger Neuabschlüsse vermittelt hatte, sondern auch Verträge von ihm betreuter Kunden der Klägerin in einem überdurchschnittlichen Ausmaß beendet wurden. Interne Erhebungen und die Befragung ausgewählter Kunden führten zum Ergebnis, dass der Erstbeklagte anstelle der Klägerin andere Versicherungen empfahl und in weiterer Folge Verträge mit Konkurrenzunternehmen abwickelte und hiefür Provisionen erhielt. Die Klägerin entließ den Erstbeklagten unter Hinweis auf schwerwiegende dienstliche Verfehlungen mit sofortiger Wirkung fristlos. In einem daran anschließenden arbeitsgerichtlichen Verfahren veranlasste die Klägerin die Ladung bestimmter von ihr zuvor befragter Kunden als Zeugen. Zur Sicherung ihrer inhaltsgleichen Unterlassungsbegehren beantragte die Klägerin, den Beklagten mittels einstweiliger Verfügung zu verbieten, folgende Äußerungen zu verbreiten: a) die Klägerin zitiere nach einem Versicherungswechsel Kunden vor Gericht, b) sie habe ihren ehemaligen Dienstnehmer deswegen fristlos entlassen, weil er einen neuen Dienstvertrag nicht akzeptieren habe wollen und c) sie habe den Erstbeklagten aus fadenscheinigen Gründen entlassen. Der von der Zweitbeklagten auf Basis der Informationen des Erstbeklagten veröffentlichte Artikel enthalte unwahre Tatsachenbehauptungen, die geeignet seien, Kredit, Erwerb und Fortkommen der Klägerin erheblich zu beeinträchtigen. Ihr stünden daher gemäß § 1330 Abs 1 und 2 ABGB sowie §§ 1 und 7 UWG Unterlassungsansprüche zu.

Die Beklagten wendeten ein, Wiederholungsgefahr liege nicht vor, die beanstandeten Äußerungen seien keine unwahren Tatsachenbehauptungen, sondern bestenfalls Werturteile, welche weder rechtswidrig noch subjektiv vorwerfbar wären. Allfällige Tatsachenbehauptungen seien überdies wahr und durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Der Titel des Artikels sei eine - zumindest aufgrund der Unklarheitenregel - unwahre Tatsachenbehauptung. Dieser Eindruck werde durch den Inhalt des Artikels nicht beseitigt. Der Vorwurf der ungerechtfertigten Entlassung sei kein bloßes Werturteil. Die Zweitbeklagte sei für ihre identifizierende Berichterstattung verantwortlich. Auch ein vorangegangenes Rundschreiben der Klägerin rechtfertige keine über eine Abwehr hinausgehende Anschwärzung. Das Rekursgericht bestätigte die einstweilige Verfügung, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR übersteige, nicht aber 20.000 EUR und der ordentliche Revisionsrekurs „im Hinblick auf die Bedeutung des noch ausstehenden Hauptverfahrens" zulässig sei. Der Erstbeklagte sei nicht nur ehemaliger Dienstnehmer der Klägerin, sondern auch Geschäftsführer einer Versicherungsmaklergesellschaft. Diese stehe mit der klagenden Versicherungsgesellschaft in einem Wettbewerbsverhältnis. Wiederholungsgefahr ergebe sich aus dem rechtswidrigen Verhalten der Beklagten. Ein Verschulden an den kreditschädigenden Behauptungen sei zur Rechtfertigung der geltend gemachten Unterlassungsansprüche nicht erforderlich. Allfällige Wettbewerbsverstöße der Klägerin könnten die Kreditschädigung nicht rechtfertigen. Unter Zugrundelegung des maßgeblichen Gesamteindrucks habe der beanstandete Artikel unrichtige Tatsachenbehauptungen enthalten. Solche seien durch das Recht auf freie Meinungsäußerung nicht gerechtfertigt. Ein öffentliches Informationsbedürfnis in Ansehung unwahrer Tatsachenbehauptungen bestehe nicht. Die Zweitbeklagte habe der ihr obliegenden Pflicht zur journalistischen Sorgfalt nicht entsprochen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Beklagten, mit dem sie die Abweisung des Sicherungsantrags anstreben, ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.

Die Bedeutung der im Sicherungsverfahren zu lösenden Rechtsfragen für das nachfolgende Hauptverfahren begründet grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO. Davon abgesehen vermögen die Revisionsrekurswerber keine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen.

Die Beklagten übersehen, dass das herabgesetzte Unternehmen zur Klageführung nach § 7 UWG ohne Rücksicht darauf berechtigt ist, ob zwischen ihm und dem Verletzer ein Wettbewerbsverhältnis besteht (zuletzt 4 Ob 149/08b mwN; RIS-Justiz RS0078984). Abgesehen davon kann angesichts der Gleichheit der angesprochenen Kundenkreise (RIS-Justiz RS0077680) nicht ernsthaft bestritten werden, dass Versicherungsunternehmen und Versicherungsmakler beim Vertrieb von Versicherungsprodukten im Wettbewerb stehen (4 Ob 149/08b mwN unter ausdrücklicher Ablehnung der von den Beklagten zitierten Entscheidung 1 Os 216/49).

Ob die beanstandete Äußerung geeignet war, das Unternehmen oder den Kredit zu schädigen, ist keine über den konkreten Einzelfall hinausreichende erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 (§ 528 Abs 1) ZPO (RIS-Justiz RS0042890); ob bestimmte, im Gesamtzusammenhang stehende Äußerungen eine Ehrverletzung bilden, betrifft eine Entscheidung im Einzelfall (RIS-Justiz RS0031869 [T2]). Eine im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung liegt im Hinblick auf die naheliegende Auslegung der beanstandeten Äußerungen nicht vor. „Nach Versicherungswechsel ... vor Gericht zitiert" verstehen viele Durchschnittsleser in dem Sinn, dass die Klägerin nach dem Wechsel zu einer anderen Versicherung (zum Nachteil der Kunden) den Rechtsweg beschreite.

Ob schutzwürdige Interessen des Genannten beeinträchtigt wurden und zu wessen Gunsten die Abwägung des Veröffentlichungs- und des Informationsinteresses auf der einen Seite und des Interesses des Betroffenen an der Wahrung seines guten (auch wirtschaftlichen) Rufs ausschlägt, hängt von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab und berührt daher im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage (6 Ob 318/03p ua; RIS-Justiz RS0008990 [T6]). Auch in dieser Hinsicht liegt eine krasse Fehlbeurteilung des Rekursgerichts nicht vor. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens beruht auf § 393 Abs 1 EO; die Klägerin wies auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Revisionsrekurses hin, weshalb ihr die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zuzusprechen waren (1 Ob 173/06g mwN; RIS-Justiz RS0005677).

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