OGH 12Os164/08x

OGH12Os164/08x11.12.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Dezember 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. Lässig und Dr. T. Solé als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Eilenberger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Michael B***** wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom 24. Oktober 2007, AZ 25 Bl 130/07p (GZ 66 U 12/07a-29 des Bezirksgerichts Bregenz), nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Bauer, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Bezirksgerichts Bregenz vom 26. April 2007, GZ 66 U 12/07a-23, wurde Michael B***** von der wider ihn erhobenen Anklage wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Das Bezirksgericht begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass der zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 247,09 Euro verpflichtete Angeklagte zwischen Juli 2004 und April 2005 jeweils 300 Euro pro Monat an die Bezirkshauptmannschaft Feldkirch überwiesen hatte und seit Mai 2005 (bis zum Zeitpunkt der Urteilsfällung erster Instanz) aufgrund seiner Alkoholerkrankung weder arbeitsfähig noch vermittelbar und solcherart nicht in der Lage gewesen war, seine Unterhaltspflichten zu erfüllen (US 3 f). Weiters hielt das Erstgericht fest, dass im Jahr 2006 insgesamt 1.466,55 Euro über Exekutionen beim Angeklagten hereingebracht werden konnten (US 3).

Die von der Staatsanwaltschaft Feldkirch gegen den Freispruch erhobene Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld wurde vom Landesgericht Feldkirch als Berufungsgericht mit Urteil vom 24. Oktober 2007, AZ 25 Bl 130/07p (ON 29), „als unbegründet zurückgewiesen".

Dazu hielt der Rechtsmittelsenat fest, dass entgegen der Ansicht der Berufungswerberin Unterhaltsbeiträge, die im Exekutionsweg eingebracht werden, nicht grundsätzlich außer Betracht zu bleiben hätten. Der Staatsanwaltschaft Feldkirch sei zwar beizupflichten, dass die strafbare Verletzung der Unterhaltspflicht in der Mehrzahl der Fälle bereits zum Zeitpunkt der Exekutionsführung vorliege und die zwangsweise Einbringung der Beträge die Gefährdung des Unterhalts bzw der Erziehung nicht rückwirkend beseitige. Ab dem Einlangen der Beiträge beim Unterhaltsberechtigten bzw bei dessen Vertreter seien sie jedoch zu berücksichtigen, weil es dann am objektiven Tatbestandsmerkmal der Unterhaltsgefährdung mangle. Ausgehend von der detaillierten Aufschlüsselung der im Exekutionsweg eingebrachten Unterhaltszahlungen ergebe sich daher, dass für die Monate Jänner, Mai, Juni, Juli, August und Dezember 2006 (in welchem Zeitraum die bereits erwähnten insgesamt 1.466,55 Euro einbringlich waren) keine Gefährdung des Unterhalts bewirkt wurde (US 5 f).

In ihrer gegen diese Entscheidung des Landesgerichts Feldkirch erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde führt die Generalprokuratur Folgendes aus:

Vorweg ist festzuhalten, dass erst im Exekutionsweg eingebrachte Unterhaltszahlungen die Strafbarkeit nicht berühren, weil sie in der Regel verspätet, das heißt erst nach einer bereits eingetretenen gröblichen Unterhaltsverletzung an den Berechtigten gelangen (vgl Markel in WK2 § 198 Rz 47; ebenso Leukauf/Steininger Komm3 § 198 RN 16).

Eine strafrechtlich relevante Anrechnung verspätet geleisteter Unterhaltsbeträge auf den jeweils laufenden Unterhalt, wie sie das Berufungsgericht vornimmt, käme nur dann in Frage, wenn es sich um freiwillige und nicht näher gewidmete Leistungen des Unterhaltspflichtigen handelt, weil solche Zahlungen auf die für den Schuldner beschwerlichste, demgemäß idR auf die mit (zusätzlicher) Strafsanktion bewehrte Schuld anzurechnen sind (vgl SSt 59/20; ebenso RIS-Justiz RS0033497). In Bezug auf (dem Anlassfall zu Grunde liegende) exekutiv hereingebrachte Rückstände, wo aufgrund eines Exekutionstitels eine exakt determinierte Forderung betrieben wird und somit gerade kein Zweifel darüber besteht, welche Schuld die dabei realisierten Beträge tilgen sollen (12 Os 9/07a), bleibt für die Anwendung dieser Zweifelsregel hingegen kein Raum. Gegen den Unterhaltsschuldner anhängige Exekutionsverfahren wären bei der Beurteilung der Strafbarkeit nach § 198 StGB bloß insoweit zu berücksichtigen, als sie geeignet sein können, seine tatsächliche Leistungsfähigkeit (hiezu Markel in WK2 § 198 Rz 7 ff und 49 bis 51) zu vermindern oder gegebenenfalls ganz auszuschließen (12 Os 90/08i, 110/08f).

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:

Die Staatsanwaltschaft Feldkirch bekämpfte lediglich den Freispruch betreffend den Deliktszeitraum Jänner bis Dezember 2006 (S 107 und 112) und damit jene Phase, in welcher dem Opfer mittels Zwangsexekutionen gegen den Angeklagten Unterhalt zukam. Indem das Berufungsgericht unter ausdrücklichem Bezug auf die erstmals am 4. Jänner 2006 im Exekutionsweg hereingebrachten Zahlungen darauf abstellte, dass diese Beträge ab dem Einlangen beim Unterhaltsberechtigten bzw bei dessen Vertreter zu berücksichtigen seien, weil es insoweit an einer Unterhaltsgefährdung mangle, bringt es keine unrichtige Rechtsansicht zum Ausdruck.

Exekutiv hereingebrachte Rückstände können die Tatbestandsmäßigkeit nach § 198 Abs 1 StGB in Frage stellen, zumal diese Gelder auf den Zeitpunkt ihrer Einbringung und auf die folgende Zeit „umzulegen" sind (vgl Markel in WK² § 198 Rz 47; RIS-Justiz RS0076799). Entgegen der Auffassung der Generalprokuratur wird damit aber keine strafrechtlich relevante Anrechnung verspätet geleisteter Unterhaltsbeträge auf den jeweils laufenden Unterhalt vorgenommen, zumal in Bezug auf im Zwangsvollstreckungsweg hereingebrachte Gelder kein Zweifel darüber besteht, welche Schuld die dabei realisierten Beträge tilgen sollen (vgl 12 Os 9/07a).

Mit der Verweigerung der freiwilligen Zahlung verletzt der Täter zwar die - ungesäumt zu erfüllende - Unterhaltspflicht (§ 140 ABGB). § 198 Abs 1 StGB sanktioniert aber nicht jeden Verstoß gegen diese Zahlungspflicht, sondern nur deren gröbliche Missachtung mit der zusätzlichen Folge der Unterhaltsgefährdung. Eine solche liegt nur vor, wenn zB die Dauer der Alimentationsverweigerung oder aber die Höhe eines tatsächlich geleisteten Unterhalts in einem groben Missverhältnis zur bedarfsorientierten Leistungsverpflichtung stehen (vgl Markel in WK² § 198 Rz 42; Kienapfel/Schmoller StudB BT III § 198 Rz 27). Ungeachtet einer bei vorsätzlicher Nichtzahlung des Unterhalts unter Umständen schon eingetretenen und auch fortbestehenden Strafbarkeit nach § 198 Abs 1 StGB mangelt es für jene Zeit, in welcher exekutiv realisierte Gelder (sofern die unfreiwilligen Leistungen betragsmäßig in etwa dem Unterhaltsanspruch entsprechen) fortlaufend beim Unterhaltsberechtigten bzw dessen Vertreter einlangen, an der Gröblichkeit einer Unterhaltspflichtverletzung, selbst wenn diese Gelder nur die zurückliegenden Unterhaltsschulden tilgen (Eine - in einem anders gelagerten Fall - allenfalls bereits durch Nichterfüllung für den zuvor liegenden Zeitraum ausgelöste Strafbarkeit nach § 198 Abs 1 StGB bliebe natürlich bestehen). Unter diesen Bedingungen fehlt es im Zeitraum der Zahlungseingänge überdies an einer Gefährdung des Unterhalts des Bezugsberechtigten, dem Gelder des alimentationspflichtigen Täters zukommen. Damit bleibt in dieser Zeit die Bestreitung der notwendigen Lebenshaltungskosten nicht ungesichert (vgl Kienapfel/Schmoller StudB BT III § 198 Rz 31). Solcherart ist Hilfe von dritter Seite kein Thema.

Die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war daher zu verwerfen.

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