OGH 14Os145/08t

OGH14Os145/08t4.11.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. November 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp und Hon.-Prof. Dr. Schroll und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Schmidmayr als Schriftführer in der Strafsache gegen Abdelsalam Elmitwalli Abdou E***** wegen des Verbrechens der Hehlerei nach § 164 Abs 2, Abs 3 und Abs 4 zweiter und dritter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 9. Juli 2008, GZ 163 Hv 70/08x-96, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Abdelsalam Elmitwalli Abdou E***** des Verbrechens der Hehlerei nach § 164 Abs 2, Abs 3 und Abs 4 zweiter und dritter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in Wien von 19. Juni 2007 bis 10. Februar 2008 in der Absicht, sich durch wiederholte Hehlerei eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, Sachen in einem 3.000 Euro übersteigenden Wert, nämlich einen Laptop der Marke IBM, ein Handy der Marke Nokia im Wert von 300 Euro und zumindest 141 Navigationsgeräte, die Michal J***** und Safet S***** zuvor durch Einbruchsdiebstähle in Autos, mithin durch eine aus einem anderen Grund als wegen gewerbsmäßiger Begehung mit fünf Jahre übersteigender Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlung erlangt hatten, in Kenntnis der diese Strafdrohung begründenden Umstände in mehreren Angriffen durch Kauf an sich gebracht.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 3, 4, 5, 5a und 9 lit a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht berechtigt. Entgegen der Beschwerdekritik (Z 3) hat das Erstgericht der Individualisierungsvorschrift des § 260 Abs 1 Z 1 StPO hinreichend entsprochen, zumal es die im rechtskräftigen Urteil gegen die ursprünglich Mitangeklagten Michal J***** und Safet S***** vom 25. Juni 2008 (ON 81) zur Spezifizierung der Einbruchsdiebstähle getroffenen Konstatierungen ausdrücklich zur Feststellungsbasis des gegenständlichen Urteils erhoben hat (US 6).

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider sind die Tatrichter den Anträgen auf Durchführung eines Lokalaugenscheins im Geschäft des Angeklagten „zum Beweis dafür, dass sich im Geschäft kein weißer Schrank befindet" und auf Einvernahme des RI Detlev St***** zu diesem Beweisthema und zum weiteren Nachweis, dass im Geschäft des Angeklagten auch zum Zeitpunkt der Hausdurchsuchung am 12. Februar 2008 kein weißer Schrank war (ON 79 S 33), mit Recht nicht nachgekommen (ON 95 S 9), weil das Ergebnis der Beweisaufnahme keinen Aufschluss über das Inventar im Geschäft zur Tatzeit geben hätte können. Die begehrte Einsichtnahme in „ein Konvolut von sonstigen Rechnungen von Sachen, die" der Angeklagte „sonst in seinem Geschäft ankauft" (ON 79 S 27), konnte der Schöffensenat mit der zutreffenden Begründung verweigern, dass eine solche Dokumentation keine Aussagekraft über eine Täterschaft hinsichtlich der hier verfahrensrelevanten Gegenstände hat.

Das die Beweisanträge ergänzende Vorbringen hat aufgrund des im Nichtigkeitsbeschwerdeverfahren geltendenden Neuerungsverbots auf sich zu beruhen.

Soweit den Tatrichtern unsubstanziiert mangelnde Sachverhaltsaufklärung vorgeworfen wird (RS 7; inhaltlich Z 5a), fehlt es an einem Vorbringen, wodurch der Angeklagte an der Ausübung seines Rechts, die Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung sachgerecht zu beantragen, gehindert war und daher hätte belehrt werden müssen, um so die Ermittlung der Wahrheit zu fördern (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 480; RIS-Justiz RS0115823).

Die gegen die Überzeugung des Schöffensenats von der Zuverlässigkeit der den Angeklagten im Sinn des Schuldvorwurfs belastenden Angaben der Mitangeklagten Michal J***** und Safet S***** gerichtete Mängelrüge (Z 5) erschöpft sich insgesamt in einem unzulässigen Angriff auf die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung. Denn abgesehen davon, dass die Tatrichter zufolge des Gebots zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht verhalten waren, sich mit sämtlichen - nun im Rechtsmittel im Detail angesprochenen - Passagen in den Aussagen der Genannten auseinanderzusetzen (etwa dass S***** abweichend von seinen mit jenen des J***** übereinstimmenden Angaben in der Hauptverhandlung, wonach sie sämtliches Diebsgut an den Angeklagten verkauft haben [ON 79 S 17 ff] im Vorverfahren von einem „Großteil der Navis" gesprochen hat [ON 10 S 9] oder dass S***** einen von J***** beschriebenen Kasten im Geschäft des Angeklagten nicht erwähnte, sowie dass S***** Tatzeiten „am Nachmittag und in der Nacht" angab und den Verkaufspreis eines Navigationsgeräts mit 30 bis 40 Euro bezifferte, Michal J***** Verkäufe „immer abends" um den Preis von 40 bis 50 Euro schilderte), haben sie die relevierten Widersprüche in den Angaben des ursprünglich Mitangeklagten Michal J***** in der Hauptverhandlung vom 25. Juni 2008 ohnedies explizit angeführt und dargelegt, weshalb sie dessen späterer Aussage in der Hauptverhandlung vom 9. Juli 2008 als Zeuge unter Wahrheitspflicht besondere Bedeutung beigemessen haben (US 10).

Dabei wurde die Aussage des Zeugen Gamal El***** dem weiteren Vorbringen zuwider keineswegs übergangen (US 11) und konnte der Schluss auf die subjektive Tatseite formal mängelfrei aus dem objektiven Geschehen - und zwar auch aus der Vielzahl der unverpackt und wiederholt zum Verkauf angebotenen Navigationsgeräte - gezogen werden (US 11 f). Indem die Rüge diesen Erwägungen bloß eigene Anschauungen zu den Verpflichtungen eines Geschäftsmannes entgegenhält, verfehlt sie erneut den gesetzlichen Anfechtungsrahmen. Der formelle Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5a StPO greift seinem Wesen nach erst, wenn aktenkundige Beweisergebnisse vorliegen, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen. Mit Tatsachenrüge sollen nur schlechterdings unerträgliche Feststellungen über entscheidende Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiserwägungen) verhindert werden. Tatsachenrügen die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780).

Sich solcherart aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrundeliegenden entscheidenden Tatsachen vermag die Tatsachenrüge mit dem Vorbringen zu isoliert betrachteten Aussagedetails der ursprünglich Mitangeklagten Michal J***** und Safet S***** schon deshalb nicht zu erwecken, weil das Erstgericht - wie dargelegt - Widersprüche in seine Erwägungen ohnedies einbezogen und nachvollziehbar dargelegt hat, weshalb ihm die widerspruchsfreie Aussage des Michel J***** in der Hauptverhandlung vom 9. Juli 2008, in welcher er als Zeuge unter Wahrheitspflicht befragt wurde, gerade aus diesem Grund besonders zuverlässig erschien (US 10). Da die Geltendmachung materieller Nichtigkeit stets unter Zugrundelegung des gesamten Urteilssachverhalts zu erfolgen hat (RIS-Justiz RS0099810), verfehlt auch die Rechtsrüge (Z 9 lit a) eine gesetzeskonforme Ausrichtung. Denn mit der Behauptung unzureichender Feststellungen zur subjektiven Tatseite übergeht sie bloß die entscheidenden und ausreichenden Feststellungen zum Vorsatz des Angeklagten (US 8, 12 f) und legt sie nicht dar, welche darüber hinausgehenden Konstatierungen für die rechtsrichtige Subsumtion des Verhaltens des Angeklagten erforderlich gewesen wären. Soweit die Rechtsrüge diese Urteilsfeststellungen ihrer Argumentation - solcherart in sich widersprüchlich - selbst zu Grunde legt und deren Begründung als mangelhaft reklamiert, womit sie inhaltlich ihr Vorbringen aus Z 5 des § 281 Abs 1 StPO erneut erstattet, ist auf die Ausführungen zur Mängelrüge zu verweisen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO) woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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