Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei hat die Kosten der Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Begründung
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 508a Abs 1 ZPO ist der Oberste Gerichtshof an den Ausspruch des Berufungsgerichts über die Zulassung der Revision nicht gebunden. Entgegen diesem Ausspruch ist die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig. Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung eines solchen Rechtsmittels auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.
Mit Schreiben der Hausverwaltung vom 13. 10. 2003 wurde die bei der Klägerin bestehende Gebäudeversicherung „wegen mehrheitlichen Besitzwechsels der Liegenschaft ..." im Namen sämtlicher Miteigentümer „per sofort" gekündigt. Wie aus dem Grundbuch ersichtlich, seien die Anteilsübertragungen (von mehr als 50 %) an die beiden neuen Liegenschaftseigentümer am 24. 3. 2003 und am 29. 9. 2003 einverleibt worden, weshalb die Kündigung nach der Entscheidung 7 Ob 297/99y „rechtens" sei.
Die Klägerin lehnte die Kündigung mit Schreiben vom 21. 10. 2003 „mangels Rechtswirksamkeit" ab, weil es sich bei den beiden Anteilsübertragungen (339/871 und 151/871 Anteile) „nicht um den gleichen Eigentümer" handle, sodass ein Vergleich mit der Entscheidung 7 Ob 297/99y nicht zulässig sei.
Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren auf Zahlung der ab 1. 1. 2004 fälligen Versicherungsprämien mit der Begründung ab, dass die Kündigungsmöglichkeit gemäß § 70 Abs 2 VersVG (Besitzwechselkündigung) nach der Rechtsprechung auch beim Erwerb der Mehrheit von Miteigentumsanteilen durch zwei verschiedene Personen bestehe und verwies dazu auf die Entscheidungen 3 Ob 221/55 (SZ 28/130); 7 Ob 297/99y (SZ 73/15) und 7 Ob 148/00s. Die ordentliche Revision sei (jedoch) zulässig, weil sich der Oberste Gerichtshof noch nicht „ausdrücklich" mit den Fragen beschäftigt habe,
- ob zwei Erwerber einer Liegenschaft, die gemeinsam die Mehrheit der Miteigentumsanteile erwerben, zu einer Kündigung nach § 70 Abs 2 VersVG berechtigt sind,
- welchen Inhalt die Zurückweisung einer fehlerhaften Kündigung zu enthalten hat, insbesondere, ob es ausreicht, diese zurückzuweisen, ohne auf die tatsächliche Fehlerhaftigkeit einzugehen,
- ab wann die Frist nach § 70 VersVG im Fall des sukzessiven Erwerbs zweier Miteigentümer, die lediglich gemeinsam die Mehrheit erwerben, zu berechnen ist, nämlich, ob dann „die Frist des letzten Erwerbers, mit dem dann die Mehrheit an den Anteilen erworben wird", ausreicht. Entgegen diesen Ausführungen hat der Senat im Fall einer Besitzwechselkündigung das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage erst jüngst (E v 7. 2. 2008, 7 Ob 258/07b) mit folgender Begründung verneint:
„Wird eine versicherte Sache veräußert, so tritt der Erwerber von Gesetzes wegen an Stelle des Veräußerers in das Versicherungsverhältnis ein (§ 69 VersVG). § 70 VersVG räumt sowohl dem Erwerber als auch dem Versicherer ein (jeweils befristetes [§ 70 Abs 1 und 2 VersVG]) Kündigungsrecht ein, weil dem Versicherer der ihm aufgezwungene Versicherungsnehmer bedenklich erscheinen kann, während der Erwerber der versicherten Sache möglicherweise einen anderen Versicherer vorziehen will oder keinen Versicherungsschutz mehr wünscht (RIS-Justiz RS0080653). § 70 VersVG soll also die durch § 69 VersVG bewirkte Einschränkung der Vertragsfreiheit sowohl des Versicherers als auch des Erwerbers korrigieren; ein über diese „Sanierungsfunktion" hinausgehender Zweck kommt ihm nach herrschender Ansicht nicht zu (Grassl-Palten, Miteigentum und Veräußerung der versicherten Sache, JBl 1994, 375 ff [378 f]).
Beim Erwerb von Miteigentum an einer Liegenschaft ist dieses
Kündigungsrecht nach den Bestimmungen über die Willensbildung in der
Miteigentumsgemeinschaft zu beurteilen; daraus folgt, dass das
Kündigungsrecht gemäß § 70 VersVG beim [sukzessiven] Erwerb
derartiger Miteigentumsanteile erst dann entsteht, wenn ein mehr als
50 % betragender Anteil erworben wird, mit dem also die Möglichkeit
eingeräumt wird, im Rahmen der ordentlichen Verwaltung
Versicherungsverträge abzuschließen (Rsp seit SZ 73/16 = 7 Ob 297/99y
= RIS-Justiz RS0113297, an der mit SZ 73/115 = 7 Ob 148/00s
ausdrücklich festgehalten wurde).
Die Zulassungsbeschwerde der außerordentlichen Revision räumt zunächst (Punkt 1) ein, die Beurteilung des Gerichts zweiter Instanz könne sich auf die zitierte „ständige Judikatur" des Obersten Gerichtshofs (also die Entscheidungen 7 Ob 297/99y und 7 Ob 148/00s) sowie auf die Meinung von „Grassl-Palten, Miteigentum und Veräußerung der versicherten Sache, JBl 1994, 375 (389)" [= Fall 9 Variante 1] berufen, wonach dem Erwerber das Kündigungsrecht nach § 70 VersVG zustehe, sobald er das Recht auf ordentliche Verwaltung der Sache erlange, was regelmäßig bei einem Miteigentumsanteil von mehr als 50 % der Fall sei. Diese Fälle stellten jedoch nur „ähnliche Fallkonstellationen" dar, weil sie mit dem hier zu beurteilenden Sachverhalt in einem „wesentlichen Punkt" nicht übereinstimmten; ... Erhebliche Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO werden damit nicht aufgezeigt:
Das Berufungsgericht hat sich mit den wiedergegebenen Argumenten bereits befasst und die angesprochenen Fragen - unter Berücksichtigung der zitierten Rechtsprechung und Lehre - beantwortet
...
Dass eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einem (völlig) vergleichbaren Sachverhalt fehlt, bedeutet im Übrigen keineswegs, dass die Entscheidung von der Lösung einer im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhinge, weil andernfalls die ordentliche Revision im Zulassungsbereich nahezu immer zulässig wäre (RIS-Justiz RS0102181; RS0110702 [T4]). Besonderheiten der Fallgestaltung schließen eine richtungsweisende, die Rechtsentwicklung vorantreibende und für zukünftige Entscheidungen nutzbringende Judikatur des Obersten Gerichtshofs vielmehr sogar eher aus (RIS-Justiz RS0102181; vgl auch RIS-Justiz RS0042405 und RS0110702). Die Frage nach der Vertretbarkeit einer anderen Lösung der Rechtsfrage (hier: der Beurteilung, dass - weil die Zulässigkeit der Besitzwechselkündigung für den Fall, dass der Kläger bereits Versicherungsnehmer oder Vertragspartner war, bereits bejaht worden sei - schon nach dem Zweck des § 70 VersVG um so mehr derjenige zur Kündigung berechtigt sein müsse, der als Hälfteeigentümer nicht Versicherungsnehmer gewesen sei und dem durch den Anteilserwerb somit ein Versicherer „aufgezwungen" werde) ist mangels Vorliegens einer gravierenden Fehlbeurteilung nämlich keine erhebliche Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0116755)."
Da die Grundsätze dieser Entscheidungen nach ständiger Rechtsprechung immer dann anzuwenden sind, wenn - wie hier - mehr als 50 % der Anteile an der Liegenschaft „übertragen werden", ist die hier bekämpfte Beurteilung des Berufungsgerichts ebenfalls nicht zu beanstanden:
Müssen doch - wie der Senat auch zuletzt festgehalten hat - schon nach dem Zweck des § 70 VersVG insbesondere diejenigen Personen zur Kündigung berechtigt sein, die als neue Mehrheitseigentümer nicht Versicherungsnehmer gewesen sind und denen durch den Anteilserwerb somit ein Versicherer „aufgezwungen" würde (vgl 7 Ob 258/07b); wobei das Kündigungsrecht gemäß § 70 VersVG beim sukzessiven Erwerb der Miteigentumsanteile erst entsteht, wenn der (insgesamt) mehr als 50 % betragende Anteil von den (hier: beiden) neuen Eigentümern erworben wird (vgl auch „Grassl-Palten, Miteigentum und Veräußerung der versicherten Sache, JBl 1994, 375 (386)" [= Fall 3]), also erst wenn ihnen (gemeinsam) die Möglichkeit eingeräumt wird, im Rahmen der ordentlichen Verwaltung Versicherungsverträge abzuschließen (RIS-Justiz RS0113297 [T2] = 7 Ob 258/07b mwN).
Da die Monatsfrist des § 70 Abs 2 VersVG somit erst mit der Einverleibung des Eigentumsrechts des zweiten neuen (Mit-)Eigentümers am 29. 9. 2003 begonnen hat, war die Kündigung vom 13. 10. 2003 rechtswirksam. Aus diesem Grund stellt sich die weitere angesprochene Frage nach dem erforderlichen Inhalt der Zurückweisung einer unwirksamen Kündigung nicht mehr.
Mangels erheblicher Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision zurückzuweisen.
Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40 und 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels nicht hingewiesen. Der Schriftsatz ist daher nicht als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen (RIS-Justiz RS0035962; 1 Ob 23/08a).
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