OGH 1Ob97/08h

OGH1Ob97/08h10.6.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** reg GenmbH, *****, vertreten durch Dr. Andreas Widschwenter, Rechtsanwalt in Wörgl, gegen die beklagten Parteien 1) Helmut M***** und 2) Franziska M*****, beide *****, vertreten durch Mag. Roland Seeger, Rechtsanwalt in Wörgl, und Mag. Manfred Soder, Rechtsanwalt in Rattenberg, wegen Räumung, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 18. Oktober 2007, GZ 1 R 333/07p‑18, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

Aufgrund von innerhalb der Frist für die Erstattung einer Berufungsbeantwortung gestellten Verfahrenshilfeanträgen bewilligte das Erstgericht den Beklagten mit Beschluss vom 23. April 2007 (ON 13) die Verfahrenshilfe einschließlich der Beigebung eines Rechtsanwalts; dabei wurde ausgesprochen, dass die Beigebung des Rechtsanwalts für „die Dauer des Berufungsverfahrens und das weitere Verfahren (einschließlich eines spätestens innerhalb eines Jahres nach Abschluss des Rechtstreits eingeleiteten Vollstreckungsverfahrens)" gilt. Das Urteil des Berufungsgerichts, mit dem das Ersturteil im Sinne einer Stattgebung der Räumungsklage abgeändert worden war, wurde dem bestellten Verfahrenshelfer am 23. November 2007 zugestellt. Am 10. Dezember 2007 überreichten die Beklagten neuerlich Verfahrenshilfeanträge zum Aktenzeichen des erstgerichtlichen Verfahrens und bezeichneten dabei die Rechtssache mit „F***** wegen Berufung Abrechnung‑Darlehen". Das Erstgericht erteilte daraufhin einen (befristeten) Verbesserungsantrag, mit dem die Beklagten aufgefordert wurden, klarzustellen, für welchen Rechtsstreit Verfahrenshilfe beantragt wird und welchen Anspruch sie geltend machen wollen. Innerhalb der Verbesserungsfrist teilten die Beklagten mit, dass sie einerseits „Berufung" gegen das Urteil des Berufungsgerichts erheben wollen und andererseits eine Darlehensabrechnung von der Klägerin begehren. Das Erstgericht bewilligte (neuerlich) die Verfahrenshilfe einschließlich der Beigebung eines Rechtsanwalts (ON 22) und sprach aus, dass die Beigebung des Rechtsanwalts für „die Erhebung einer außerordentlichen Revision und Geltendmachung von Ansprüchen im Zusammenhang mit der Einhebung von Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträgen; und das weitere Verfahren (einschließlich eines spätestens innerhalb eines Jahres nach Abschluss des Rechtstreits eingeleiteten Vollstreckungsverfahrens)" gelte. Nachdem vom Ausschuss der Rechtsanwaltskammer ein anderer Verfahrenshilfeanwalt bestellt worden war und dieser den Bestellungsbeschluss am 11. Februar 2008 zugestellt erhalten hatte, gab er am 25. Februar 2008 die außerordentliche Revision zur Post.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision erweist sich als verspätet.

Das Urteil des Berufungsgerichts wurde dem (ersten) Verfahrenshelfer am 23. November 2007 zugestellt, weshalb die 4‑wöchige Revisionsfrist am 21. Dezember 2007 endete. Die Revision wurde allerdings erst am 25. Februar 2008, somit lange nach Ablauf der Revisionsfrist, erhoben.

Der innerhalb der Revisionsfrist gestellte neuerliche Verfahrenshilfeantrag war nicht geeignet, eine Fristunterbrechung im Sinne des § 464 Abs 3 ZPO iVm mit § 505 Abs 2 ZPO herbeizuführen. Wie der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, tritt die Unterbrechungswirkung nur dann ein, wenn die Partei innerhalb einer Rechtsmittelfrist erstmals einen Antrag auf Beigebung eines Rechtsanwalts stellt. Eine Partei, der im Rahmen der Verfahrenshilfe bereits ein Rechtsanwalt als Vertreter bestellt wurde, kann durch einen (neuerlichen) Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe und Beigebung eines Rechtsanwalts nicht die Unterbrechung der im Lauf befindlichen Rechtsmittelfrist erreichen (RIS‑Justiz RS0041621). Diese - vom erkennenden Senat geteilte - Auffassung, die auch damit begründet wurde, dass durch einen solchen Antrag die Revisionsfrist nicht verlängert werden kann, weil die Verfahrenshilfe auch im Rechtsmittelverfahren fortdauert, sodass es schon deshalb nicht einer neuerlichen Beistellung eines Verfahrenshilfeanwalts zur Erhebung der Revision bedarf (7 Ob 133/63 = EvBl 1963/364, 6 Ob 161/64, 6 Ob 190/67), wurde in der Folge jedoch für bestimmte Konstellationen differenziert betrachtet. So wurde etwa ausgesprochen, die (vom Gesetz an sich nicht vorgesehene) Bestellung eines weiteren Verfahrenshelfers durch das Erstgericht müsse als Tatsache hingenommen werden, sodass damit die Revisionsfrist im Ergebnis verlängert werde, bzw jeder Antrag auf Beigebung eines Rechtsanwalts habe grundsätzlich die Wirkung der Unterbrechung der Rechtsmittelfrist (vgl nur die zu RIS‑Justiz RS0036213 unter T1 bis T3 zitierten Entscheidungen). Dies wird etwa damit begründet, dass der betroffenen Partei in Anbetracht der durch die unzweckmässige Vorgangsweise des Erstgerichts verursachten Unklarheiten zugebilligt werden müsse, einen weiteren Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für das Revisionsverfahren zu stellen, wenn dieses zumindest vom Wortlaut des ersten Bewilligungsbeschlusses nicht erfasst gewesen sei (6 Ob 28/07x; ähnlich 10 ObS 179/03a ua).

Der zuletzt referierten Entscheidungslinie ist etwa Zechner (in Fasching/Konecny2 IV/1, § 505 ZPO Rz 33f; im Ergebnis ebenso Pimmer in Fasching/Konecny2 IV/1, § 464 ZPO Rz 15; E. Kodek in Rechberger3 § 464 ZPO Rz 4) mit dem zutreffenden Hinweis entgegengetreten, dass dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden dürfe, auch im Fall eines überflüssigen Verfahrenshilfeantrags eine durch die Unterbrechung einer Rechtsmittelfrist bewirkte Verfahrensverzögerung in Kauf nehmen zu wollen. Eine Partei, der ein Rechtsanwalt als Verfahrenshelfer schon vor der nunmehrigen Antragstellung (auch) für das Revisionsverfahren beigegeben wurde, bedürfe nicht mehr des besonderen Schutzes nach § 464 Abs 3 ZPO, weil deren Interessen im Revisionsverfahren ohnehin der bereits bestellte Verfahrenshelfer wahrnehmen müsse. Die unnötige Bestellung eines weiteren Verfahrenshelfers könne daher keinen Einfluss auf den Ablauf der Revisions- oder der Revisionsbeantwortungsfrist haben. Dies gelte selbst dann, wenn dem Antragsteller der Beschluss über die neuerliche Bewilligung der Verfahrenshilfe noch innerhalb der laufenden Notfrist zugestellt worden sei.

Diesen Erwägungen tritt der erkennende Senat bei. Soweit in abweichenden Entscheidungen damit argumentiert wird, es müsse der Partei wegen der vom Erstgericht verursachten Unklarheiten in bestimmten Fällen zugebilligt werden, einen weiteren Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für das Revisionsverfahren zu stellen, dessen Fristen damit auch im Sinne des § 464 Abs 3 ZPO unterbrochen würden, ist darauf hinzuweisen, dass in der hier zu beurteilenden Konstellation ein Rechtsanwalt rechtskräftig zum Verfahrenshelfer bestellt wurde. Diesem muss ausreichende Rechtskenntnis unterstellt werden, sodass ihm klar sein muss, dass sich seine Vertretung - auch bei unklarer oder missverständlicher Formulierung - stets auf das gesamte (weitere) Verfahren erstreckt, weil eine Beschränkung auf einzelne Verfahrensabschnitte gesetzlich gar nicht zulässig wäre (vgl nur M. Bydlinski in Fasching/Konecny2 II/1, § 64 ZPO Rz 1). Gerade im vorliegenden Fall bestand auch keine besondere Unklarheit, erfolgte die Bewilligung der Verfahrenshilfe bzw die Beigebung des Rechtsanwalts doch ausdrücklich für „die Dauer des Berufungsverfahrens und das weitere Verfahren". Letztlich steht einer Partei bei Versäumung einer Rechtsmittelfrist - wie etwa in den Fällen einer unrichtigen oder missverständlichen Rechtsmittelbelehrung durch das Gericht - gegebenenfalls auch der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Verfügung, sofern unklare oder missverständliche Formulierungen des Gerichts zu einer Fristversäumnis geführt haben.

Dazu kommt, dass ein trotz bereits bewilligter Verfahrenshilfe im Laufe des Verfahrens neuerlich gestellter Verfahrenshilfeantrag bei richtiger Gesetzesanwendung nicht etwa - wegen Fehlens der in § 63 Abs 1 ZPO geforderten Voraussetzungen - als unberechtigt abzuweisen, sondern vielmehr als unzulässig zurückzuweisen ist, weil die Partei nicht verlangen kann, dass über einen bereits bewilligten Antrag neuerlich inhaltlich abgesprochen wird. Erst jüngst hat der erkennende Senat (1 Ob 82/08b) den allgemeinen Rechtssatz formuliert, dass unzulässige Verfahrenshilfeanträge - anders als unberechtigte - nicht zu einer Fristunterbrechung im Sinne der §§ 73 Abs 2 bzw 464 Abs 3 ZPO führen. Da die Rechtzeitigkeit einer Revision vom Revisionsgericht stets selbstständig zu prüfen ist, ist es auch ohne Bedeutung, ob das Erstgericht den neuerlichen Verfahrenshilfeantrag zu Unrecht meritorisch behandelt, allenfalls sogar bewilligt hat (so schon 2 Ob 141/07k).

Da somit eine Unterbrechung der Revisionsfrist durch den neuerlichen Verfahrenshilfeantrag jedenfalls nicht stattgefunden hat, ist die Revision als verspätet zurückzuweisen.

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