OGH 2Ob114/08s

OGH2Ob114/08s29.5.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith, Dr. Grohmann, Dr. E. Solé und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*****, vertreten durch Dr. Peter Schaden und Mag. Werner Thurner, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei Helmut S*****, vertreten durch Dr. Andreas Lintl, Rechtsanwalt in Wien, wegen 15.140,07 EUR sA und Feststellung (Streitinteresse 3.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 14. Februar 2008, GZ 4 R 189/07g-23, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Das Berufungsgericht hat die Rechtsprechung zur Eingliederung eines aus Gefälligkeit helfenden Betriebsangehörigen in das Unternehmen des anderen bei einander als Vertragskontrahenten gegenüberstehenden Unternehmen richtig dargestellt (vgl zuletzt etwa 2 Ob 24/05a = SZ 2005/75 [„Rückezug"]; 2 Ob 48/07h [Aschecontainer]). Danach ist vor allem wesentlich, dass die Tätigkeit ihrer Art nach einer abhängigen Beschäftigung entspricht und dass sie nicht zum betrieblichen Aufgabenbereich des Verletzten gehört (2 Ob 48/07h; vgl auch 1 Ob 162/06i; 3 Ob 23/07i).

Im vorliegenden Fall bestand zwischen dem Arbeitgeber des später verletzten Lkw-Fahrers und dem Beklagten zwar keine direkte Vertragsbeziehung; die in den zitierten Entscheidungen dargelegten Grundsätze sind aber dennoch heranzuziehen, werden sie doch etwa auch in Fällen bloßer Nachbarschaftshilfe (RIS-Justiz RS0084231) oder der organisatorischen Zusammenarbeit mehrerer Unternehmer (Neumayr in Schwimann, ABGB³ VII § 333 ASVG Rz 42) sinngemäß angewandt. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen bestand der Aufgabenbereich des Lkw-Fahrers darin, beim Beklagten den vom Auftraggeber seines Arbeitgebers gekauften Weizen abzuholen. Der Lkw war aus den Silos des Beklagten mit dessen Befüllanlage zu beladen. Diese wurde vom Beklagten bedient. Wäre nicht der Wechsel zum anderen Silo notwendig geworden, hätte der Lkw-Fahrer nicht eingegriffen. Daraus ist ableitbar, dass die Beladung in den betrieblichen Aufgabenbereich des Beklagten fiel.

Des weiteren steht fest, dass der Beklagte im Zuge der Verlagerung der Befüllanlage den Lkw-Fahrer um Hilfe bat, dieser die gewünschte Hilfe leistete und die dabei hergestellte „Stützkonstruktion" für den Förderarm für den Unfall und die Verletzung des Lkw-Fahrers ursächlich war. Bei dieser Sachlage hält sich die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass auf den Beklagten das Haftungsprivileg nach § 333 Abs 1 ASVG anzuwenden sei, im Rahmen der höchstgerichtlichen Judikatur. Eine Fehlbeurteilung, die der Oberste Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit wahrnehmen müsste, liegt nicht vor. Die in der Revision zitierte Entscheidung 8 Ob 28/86 hatte einen anders gelagerten Sachverhalt zum Gegenstand, wurde dort doch die den Schaden verursachende Explosion erst nach Beendigung der Hilfstätigkeit „wahrscheinlich" durch die automatische Einschaltung eines Kompressors ausgelöst.

2. Die Beurteilung, ob jemand einen Arbeitsunfall durch grobe Fahrlässigkeit verursacht hat, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls und begründet daher, von Fällen krasser Fehlbeurteilung abgesehen, keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0026555 [T5], RS0085228 [T15]). Grobe Fahrlässigkeit erfordert, dass ein objektiv besonders schwerer Sorgfaltsverstoß bei Würdigung aller Umstände des konkreten Falls auch subjektiv schwerstens vorzuwerfen ist (RIS-Justiz RS0030272, RS0031127). Dabei ist auch zu prüfen, ob der Schädiger ganz einfache und naheliegende Überlegungen nicht angestellt hat (RIS-Justiz RS0085228), sodass der Schadenseintritt als wahrscheinlich vorhersehbar ist (RIS-Justiz RS0031127).

Das Berufungsgericht hat seinen Ermessensspielraum nicht verlassen, wenn es dem Beklagten unter den konkreten Umständen des hier zu beurteilenden Einzelfalls lediglich leichte Fahrlässigkeit zum Vorwurf machte. Verlässliche Anhaltspunkte dafür, dass sich die gewählte „Stützkonstruktion", mag diese auch nur eine auf den eingeschränkten räumlichen Möglichkeiten für die Fortsetzung des Beladevorgangs beruhende provisorische Lösung gewesen sein, aller Wahrscheinlichkeit nach als unbrauchbar erweisen würde, gehen aus den Feststellungen nicht hervor. Welche konkreten Arbeitnehmerschutzvorschriften der Beklagte verletzt haben soll, wird im Rechtsmittel nicht dargetan. Die Abweisung des auf § 334 ASVG gegründeten Eventualbegehrens wirft somit ebenfalls keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf.

3. Entgegen der Auffassung der klagenden Partei liegen auch keine widersprüchlichen Feststellungen der Vorinstanzen (mehr) vor. Das Berufungsgericht hat mit ausreichender Deutlichkeit klargestellt, welche (nämlich die in seinem Urteil auf Seite 9 kursiv wiedergegebenen) Feststellungen des Erstgerichts es nicht übernommen hat. Es ist in seiner rechtlichen Beurteilung von dieser Tatsachengrundlage auch nicht abgewichen.

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