OGH 13Os122/07a

OGH13Os122/07a14.5.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Mai 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart des Richteramtsanwärters MMag. Klaus als Schriftführer in der Strafsache gegen Rudolf R***** wegen des Verbrechens des versuchten schweren Betrugs nach §§ 15, 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wr. Neustadt als Schöffengericht vom 6. August 2007, GZ 36 Hv 9/07h-39, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an das Landesgericht Wr. Neustadt verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Rudolf R***** des Verbrechens des versuchten schweren Betrugs nach §§ 15, 146, 147 Abs 1 Z 1 vierter Fall und Abs 3 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 6. Dezember 2004 in Wr. Neustadt mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz „dadurch versucht, den Verhandlungsrichter im Verfahren 24 Cg 145/04w des Landesgerichtes Wr. Neustadt zu einer Handlung, nämlich zu einer klagsstattgebenden Urteilsfällung zu verleiten, dass er vorspiegelte, ihm stünde eine Forderung des" - gemeint: gegen (US 4 f) - „Markus S***** zu, die den Genannten mit einem Betrag von 88.699,58 Euro am Vermögen schädigen sollte, indem er zur Täuschung ein falsches Beweismittel, nämlich eine rückdatierte Rechnung benützte, und einen Betrug mit einem 50.000 Euro übersteigenden Schaden herbeizuführen suchte."

Das Erstgericht stellte zusammengefasst fest, dass der Angeklagte Anfang 1999 wieder in Kontakt mit dem ihm aus der Schulzeit bekannten Markus S***** kam und diesem vorschlug, gemeinsam mit ihm das zum Verkauf stehende Miethaus in (richtig:) *****, zu erwerben; jeder sollte einen Hälfteanteil erstehen. Das Haus befand sich in einem desolaten Zustand. Mit den für den Innenausbau nötigen Arbeiten wurde der Angeklagte betraut, der ein Bauunternehmen betrieb. Am 4. April 2001 erwarb S***** einen Hälfteanteil; zum Kauf der anderen Hälfte durch den Angeklagten kam es infolge finanzieller Schwierigkeiten nicht. „Anlässlich einer Kreditaufnahme für den Kauf überwies Markus S***** an den Angeklagten einen Betrag von 70.000 S, womit sämtliche Arbeiten, welche vom Angeklagten im gegenständlichen Haus erbracht wurden, abgegolten waren. Damit waren die geschäftlichen Beziehungen zwischen den beiden beendet." Am 5. April 2004 erhielt jedoch S***** vom Angeklagten eine Rechnung über „einen Betrag von 88.699,85 Euro" (US 4; ersichtlich gemeint: 88.699,58 Euro, US 2, S 87/I). Ihm „war sofort klar, dass es sich hier um eine rückdatierte Rechnung handeln musste, der keinerlei Leistungen des Angeklagten zugrunde lagen, sodass er den geforderten Betrag auch nicht bezahlte." Daraufhin wurde er im Verfahren ***** des Landesgerichts Wr. Neustadt auf Bezahlung des genannten Betrags geklagt, wobei der Angeklagte am 6. Dezember 2004 die erwähnte Rechnung vorlegte, „um dem Gericht den aufrechten Bestand dieser nicht zu Recht bestehenden Forderung vorzutäuschen. Der Angeklagte beabsichtigte, den Verhandlungsrichter des Landesgerichtes Wr. Neustadt durch Vorlage einer Rechnung - die eine ihm nicht zustehende Forderung bezeugen sollte - zu täuschen (den Richter in Irrtum zu führen) und diesen so zu einem klagsstattgebenden Urteil zu verleiten, welches zu seiner Bereicherung führen sollte" (US 3-5).

Rechtliche Beurteilung

Dagegen wendet sich der Angeklagte mit einer aus Z 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde, die im Recht ist.

Zwar kann eine Verfahrensrüge (Z 4) nicht auf einen Antrag gestützt werden, der in einem Schriftsatz, aber nicht in der Hauptverhandlung gestellt wurde, wie hier jener auf Vernehmung des Zeugen Manfred L***** (S 369/I): Die Erklärungen des Verteidigers in der Hauptverhandlung vom 29. Mai 2007, den „Antrag auf Ladung und Einvernahme" des Zeugen Manfred L***** „zum Beweisthema wie bisher aufrecht" zu halten (S 33/II), und in der schließlich wegen Ablaufs der Zweimonatsfrist des § 276a zweiter Satz StPO neu durchgeführten Hauptverhandlung vom 6. August 2007, seine Beweisanträge „formaliter aufrecht" zu halten, vermögen die mit Blick auf § 281 Abs 1 Z 4 StPO gebotene Antragstellung in der Hauptverhandlung (§ 238 Abs 1 StPO aF, nunmehr § 238 Abs 1 und Abs 2 StPO) nicht zu ersetzen (Danek, WK-StPO § 238 Rz 4).

Dass das Schöffengericht über den schriftlichen Antrag ein (abweisendes) Zwischenerkenntnis fasste (mit der Begründung übrigens, dass es ohnedies von den unter Beweis gestellten Tatsachen ausging, S 109/II, vgl US 7), ändert am Mangel der Legitimation zur Verfahrensrüge ebensowenig wie die prozessleitende Verfügung in der später wiederholten (§ 276a StPO) Hauptverhandlung vom 30. März 2007, zur Ladung mehrerer Zeugen, darunter Manfred L*****, zu vertagen (S 501/I). Unrichtige Wiedergabe des aus Z 4 relevierten Vorbringens im Hauptverhandlungsprotokoll wurde im Rechtsmittel nicht behauptet (§ 285f; vgl auch § 271 Abs 1 zweiter Satz StPO).

Das an den Beginn der Mängelrüge (Z 5, BS 3) gestellte allgemein gehaltene, ohne konkreten Urteilsbezug erstattete Vorbringen des Beschwerdeführers dazu, wann ein Urteil seiner Meinung nach undeutlich ist (Z 5 erster Fall), an einem inneren Widerspruch leidet (Z 5 dritter Fall), keine oder eine nur offenbar unzureichende Begründung aufweist (Z 5 vierter Fall) oder unvollständig ist (Z 5 zweiter Fall), wird dem Gebot deutlicher und bestimmter Bezeichnung angeblich Nichtigkeit bewirkender Umstände (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO) ebenso wenig gerecht wie die teils damit verbundenen unsubstanziierten Behauptungen, dass dem Urteil derartige Mängel anhaften.

Kein Widerspruch (Z 5 dritter Fall), sondern ein als solches erkennbares Versehen in der Formulierung ist bei verständniswilliger Lesart zwischen der Feststellung, dass Markus S***** vom Angeklagten auf Bezahlung einer mit Hilfe einer rückdatierten Rechnung vorgebrachten Forderung geklagt wurde, und dem zusammenfassenden Referat der entscheidenden Tatsachen im Urteilsspruch auszumachen, wo es heißt, dass er in jenem Zivilverfahren vorspiegelte, ihm stünde eine Forderung „des" (ersichtlich gemeint: gegen) Markus S***** zu.

Zutreffend wendet der Beschwerdeführer jedoch ein, dass eine zureichende Begründung für die Feststellung, Markus S***** habe „sämtliche Arbeiten, welche vom Angeklagten im gegenständlichen Haus erbracht wurden, abgegolten", in weiterer Folge habe dieser beim Landesgericht Wr. Neustadt auf Zahlung geklagt und im Zivilverfahren „die gegenständliche Rechnung vorgelegt", „um dem Gericht den aufrechten Bestand dieser nicht zu Recht bestehenden Forderung vorzutäuschen" (US 4), fehlt (Z 5 vierter Fall).

In ihrer Beweiswürdigung haben die Tatrichter die Verantwortung des Angeklagten wiedergegeben, dass dieser per 28. Dezember 2001 eine Schlussrechnung erstellt und Markus S***** mit Zahlungsaufforderung zugestellt habe. Dieser habe trotz Mahnung nicht gezahlt. Weitere Bemühungen um Einbringung der Schuld habe er nicht unternommen; er sei der Meinung gewesen, dass der Genannte ohnedies zahlungsunfähig sei. Erst im Rahmen des Schuldenregulierungsverfahrens AZ 20 S 43/02t des Bezirksgerichts Leopoldstadt habe er im Einvernehmen mit seiner Masseverwalterin die Forderung durch Klage geltend gemacht (US 5).

Dem setzte das Erstgericht lediglich entgegen, dass

- es „beweiswürdigend der Aussage des Zeugen Markus S*****" gefolgt und der Überzeugung sei, dass dieser, bevor er am 4. April 2001 die Hälfte des Gebäudeteils von Manfred L***** erwarb, am 29. März 2001 700.000 S und am 4. April 2001 540.000 S an den Angeklagten überwiesen habe, womit „sämtliche Arbeiten, die vom Angeklagten im gegenständlichen Haus erbracht wurden, abgegolten gewesen" seien, wozu es auf eine Stelle der Aussage jenes Zeugen verwies (S 441/I),

- für die letztgenannte Annahme „auch" spreche, dass „bei Vorlage von Teilrechnungen Markus S***** diese immer beglichen hat (Rechnung vom 30. August 2000 ATS 384.000,- -)",

- es „keine andere Erklärung dafür, dass der Angeklagte eine zu Recht bestehende Forderung in weiterer Folge vorerst von S***** nicht einforderte, als jene, dass ihm keine weitere Forderung mehr zusteht", gebe, und

- es „beweiswürdigend den Angaben und der Aussage des Zeugen Markus S*****" im „Zusammenhalt mit der Aussage des Zeugen Boris Z*****" folgte (US 5 f).

Der Angeklagte habe am 14. Februar 2006 die Rechnung Nr 2001 R 014 abgespeichert. Die Rechnungen des Rudolf R***** an Markus S***** Nr 2001 R 016 und Nr 2001 R 015 seien datiert mit 28. Dezember 2001. „Sohin" sei „offensichtlich, dass diese beiden Rechnungen rückdatiert wurden", wozu die Tatrichter auf S 341/I verwiesen.

Die vorliegende Beweiswürdigung wird, wie der Beschwerdeführer zu Recht rügt, den sich aus Z 5 des § 281 Abs 1 StPO ergebenden Anforderungen nicht gerecht.

Der auch wiederholte Gebrauch des Wortes „beweiswürdigend" vermag die Anführung jener Argumente nicht zu ersetzen, die für die Tatrichter den Ausschlag gaben, vom festgestellten Sachverhalt überzeugt zu sein. Dem damit angesprochenen, aus § 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall StPO erhellenden Erfordernis einer - zudem den Denkgesetzen und den grundlegenden Erfahrungssätzen entsprechenden - Beweiswürdigung steht das Gebot gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) übrigens nicht entgegen.

Widersprüche darüber, wem die Zahlung von 540.000 S nach Ansicht des Erstgerichts zufloss, das auch an die - im Gegensatz zu seinen sonstigen Erwägungen getroffene - Annahme einer solchen Zahlung an den Angeklagten seine Überzeugung knüpfte, alle von diesem erbrachten Leistungen seien bezahlt worden (vgl einerseits US 5: Überweisung an den Angeklagten, andererseits US 7: Zahlung an Manfred L*****), sodass er gegen Markus S***** keine Ansprüche mehr habe, führen ebenso zur Aufhebung des Urteils (Z 5 dritter Fall).

Angesichts dieser die Kassation nach sich ziehenden Begründungsmängel bedarf das übrige Vorbringen keiner Erörterung.

Im zweiten Rechtsgang wird außer den bereits angesprochenen Anforderungen an die Entscheidungsgründe (vgl § 281 Abs 1 Z 5 StPO) Folgendes zu beachten sein:

1. Als falsches Beweismittel nach § 147 Abs 1 Z 1 vierter Fall StGB kann eine echte, inhaltlich unrichtige Urkunde nur dann beurteilt werden, wenn ihr ein eigener Beweiswert zukommt. Der Vorgang, dass ein Anspruchsteller seine Sachverhaltsbehauptungen schriftlich festhält, bewirkt für sich allein keinen eigenen Beweiswert der Urkunde (Kirchbacher/Presslauer in WK² [2006] § 147 Rz 36 mN; RIS-Justiz RS0103663 T5-T9). Ein solcher kann aber zB dann vorliegen, wenn das Schriftstück (unter anderem) darauf hinweist, dass es bereits zu einem früheren Zeitpunkt erstellt wurde.

Den Feststellungen im ersten Rechtsgang zufolge legte der Angeklagte im Zivilprozess beim Landesgericht Wr. Neustadt eine von ihm ausgestellte Rechnung über solche Leistungen vor, die er gegenüber dem Rechnungsempfänger und auch in der Klage behauptet, tatsächlich aber nicht erbracht hat (US 4 f). Sofern im zweiten Rechtsgang auf Basis der dort aufgenommenen Beweise wieder die rechtliche Annahme versuchten Betrugs erwogen und, was die erwähnte Rechnung betrifft, die Qualifikation nach § 147 Abs 1 Z 1 vierter Fall StGB in Betracht gezogen wird, ist nach dem Gesagten zu prüfen, ob die erwähnte Rechnung einen eigenen Beweiswert hat und der Angeklagte mit darauf bezogenem Vorsatz handelte (Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 147 Rz 41).

2. Ob der Angeklagte, falls sich ein gleichartiger Sachverhalt wie im ersten Rechtsgang ergibt, durch sein Vorgehen im Zivilprozess einen Betrugsversuch begangen hat (zu der im gegebenen Zusammenhang unproblematischen Identität von Anklage- und Urteilsgegenstand Ratz, WK-StPO § 281 Rz 502-513, va 504, 507, 509), ist nach folgenden Erwägungen zu beurteilen:

In Betreff jener Fälle, die zum einen unter der Bezeichnung „Behördenbetrug" (ieS) und zum anderen unter dem Schlagwort „Prozessbetrug" zusammengefasst werden, wurde mit der Entscheidung 15 Os 190/87, EvBl 1989/44 = JBl 1989, 59 = SSt 59/66, die allfällige Notwendigkeit einer differenzierten Beurteilung angesprochen, dort aber mangels Entscheidungsrelevanz nicht weiter vertieft.

Während „Behördenbetrug" ieS Fälle betrifft, in denen es um vorsätzliche Falschangaben einer Partei gegenüber einer Behörde zur Erlangung vermögenswerter Leistungen von dem durch sie vertretenen Rechtsträger geht, werden unter der Bezeichnung „Prozessbetrug" Fälle erfasst, in denen ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde über einen Anspruch einer Partei gegen eine andere zu erkennen hat, in denen also in einem kontradiktorischen Verfahren zu entscheiden ist (Kirchbacher/Presslauer in WK² § 146 [2006] Rz 39, 41; Kienapfel/Schmoller StudB BT II § 146 Rz 79, 81).

Bei Behördenbetrug ieS ist für die Beurteilung als Betrug nach der jüngeren Rechtsprechung in Abkehr von der früheren gegenteiligen Judikaturansicht nicht mehr maßgeblich, ob die Behörde zur Überprüfung verpflichtet war oder ein unrichtiges Beweis- oder Bescheinigungsmittel angeboten wurde. Dies deshalb, weil es sachlich nicht indiziert ist, den strafrechtlichen Vermögensschutz Personen des öffentlichen Rechts in geringerem Umfang zu gewähren als Privatpersonen. Dem Gesetz kann nicht unterstellt werden, bei der Geltendmachung vermögenswerter Ansprüche gegen die öffentliche Hand in einem behördlichen Verfahren dann, wenn deren Organe zur Prüfung des entsprechenden Vorbringens verpflichtet sind, an die Redlichkeit des Erklärenden geringere Anforderungen zu stellen als im Rechts- und Geschäftsverkehr zwischen Privaten (Nachweise aus der Rechtsprechung bei Kirchbacher/Presslauer in WK² [2006] § 146 Rz 39).

Für die in 15 Os 190/87 angedeutete Möglichkeit unterschiedlicher rechtlicher Bewertung von Behördenbetrug ieS einerseits und Prozessbetrug andererseits geben die dort angeführten Belegstellen keine Grundlage: Weder

- Bertel (AnwBl 1976, 203), der die Möglichkeit, unwahre Parteiaussagen von der Betrugsstrafbarkeit auszunehmen, nur im alten Recht, nämlich in § 197 StG, aber nicht im Betrugstatbestand des StGB begründet sieht, dafür aber einen „besonderen Rechtfertigungsgrund" des „Handelns zur Wahrung berechtigter Interessen, zur Rechtsdurchsetzung" mit der Konsequenz annimmt, dass unrichtiges Vorbringen durch Parteien oder Rechtsanwälte in einem „Zivil- oder Verwaltungsprozess" so lange keinen Betrug verwirkliche, „als sie von der Unrichtigkeit ihres Vorgehens geradezu wissen" (aaO 205), noch

- Kienapfel (BT II² § 146 Rz 60 f), der damals - unter expliziter Ablehnung Bertels - für eine Beurteilung im Sinn der oben genannten früheren Rechtsprechung eintrat,

- Nowakowski (Österreichisches Strafrecht in seinen Grundzügen [1955] 185 f), der es „rechtspolitisch" begrüßte, Betrug im Zivilprozess nur bei „Beweisverfälschungen (bei der Parteienvernehmung lediglich durch Meineid)" anzunehmen oder

- Rittler (Lehrbuch des österreichischen Strafrechts II² 206), der auf eine „listige Vorstellung" iSd StG abstellt und „bloße Lügen" davon ausnimmt,

bieten Ansätze für die angesprochene Differenzierung.

In einer Besprechung von 15 Os 190/87 trat Bertel ausdrücklich gegen Sonderregeln für kontradiktorische Prozesse, aber zugleich dafür ein, „die Strafbarkeit unwahrer Parteibehauptungen" „auf der Ebene der Rechtswidrigkeit" zu beschränken; solange die Parteien das, was sie vorbringen oder aussagen, wenigstens für möglich halten, dürfe „von Betrug und Täuschung nicht die Rede sein" (ÖJZ 1989, 144). Ebenso: Aussagen bei der Parteienvernehmung seien „rechtmäßig, wenn sie nicht geradezu wider besseres Wissen erfolgen" (Bertel/Schwaighofer BT I10 § 146 Rz 11 f; Schwaighofer, RdW 1984, 272).

Ausdrücklich für eine Gleichbehandlung von Behördenbetrug ieS und Prozessbetrug, dies im Sinn der oben dargestellten jüngeren Rechtsprechung zum Behördenbetrug ieS, sprach sich Kienapfel in jüngerer Zeit aus (BT II³ § 146 Rz 60, 63).

Nach Kienapfel/Schmoller (Studienbuch BT II § 146 Rz 82) kann eine Falschaussage bei einer Parteienvernehmung zur Strafbarkeit wegen Betrugs führen, während ein bloßes falsches Tatsachenvorbringen einer Partei oder eines Rechtsanwalts in einem kontradiktorischen Verfahren aus der Betrugsstrafbarkeit auszunehmen sei, werde das Vorbringen einer Partei oder ihres Anwalts im Rechtsverkehr doch ohnehin nur dahin verstanden, dass es sich um eine Behauptung unsicherer Tatsachen im Rechtsverkehr handelt, die eben der gerichtlichen Überprüfung anheim gestellt werden. Eine - von Bertel vorgeschlagene - Rechtfertigung in Fällen, in denen Parteien und Anwälte nicht wider besseres Wissen handeln, halten sie für verzichtbar (aaO Rz 83; idS auch Schmoller, JZ 1991, 117 [128]).

In Deutschland wird Prozessbetrug - auch durch unwahre Parteibehauptung - ganz überwiegend als strafbar erachtet (zB Cramer/Perron in Schönke/Schröder27 Rz 51, 70 f; Kühl, StGB26 Rz 17; für den Ausschluss von Fällen bedingten Vorsatzes dagegen Tiedemann in LK11 Rz 240; je zu § 263).

Eine Partei hingegen, die einen unwahren Sachverhalt vorträgt, um einen nach ihrer Überzeugung begründeten Anspruch durchzusetzen, der aber durch Beweisschwierigkeiten gefährdet ist, begehe mangels Vorsatzes keinen Prozessbetrug (Cramer/Perron in Schönke/Schröder27 § 263 Rz 75).

3. Für den in 15 Os 190/87 angedeuteten Ansatz zu strafrechtlicher Differenzierung zwischen Behördenbetrug ieS und Prozessbetrug finden sich, wie auch der dargelegte Blick auf den Meinungsstand in der Wissenschaft zeigt, keine stichhaltigen Argumente. Dementsprechend gehen die herrschende Lehre und - wenn auch bisher nur in einer Entscheidung (die dazu Anlass bot) hervorgehoben - der Oberste Gerichtshof (15 Os 73/00) von einer strafrechtlichen Gleichbehandlung aus:

Bei Behördenbetrug ieS und Prozessbetrug sind vorsätzliche falsche Angaben einer Partei gegenüber der Behörde zur Erlangung vermögensrechtlicher Leistungen auch dann als Täuschung über Tatsachen zu beurteilen, wenn die Behörde zur Überprüfung der Angaben verpflichtet ist und wenn keine falschen Beweismittel und Bescheinigungsmittel aufgeboten wurden, können doch an die Redlichkeit einer sich insoweit erklärenden Person keine geringeren Anforderungen gestellt werden als im Rechtsleben und Geschäftsleben zwischen Privaten (RIS-Justiz RS0115362).

Vornehmlich aus dem zuletzt genannten Grund vermag sich der Oberste Gerichtshof der genannten Auffassung von Kienapfel und Schmoller, bloßes falsches Tatsachenvorbringen einer Partei oder eines Rechtsanwalts in einem kontradiktorischen Verfahren sei aus der Betrugsstrafbarkeit auszunehmen, weil das Vorbringen einer Partei oder ihres Anwalts im Rechtsverkehr ohnehin nur dahin verstanden werde, dass es sich um eine Behauptung unsicherer Tatsachen im Rechtsverkehr handle, nicht anzuschließen. Zudem teilt der Oberste Gerichtshof nicht die dieser Auffassung zugrunde liegende Wertung dessen, wie „das Vorbringen einer Partei oder ihres Anwalts im Rechtsverkehr" allgemein verstanden werde.

Diese Auffassung liefe darauf hinaus, dass unwahres (täuschendes) Vorbringen, um sich (durch das Verhalten des Getäuschten) unrechtmäßig Vermögensvorteile zu verschaffen (und den Getäuschten oder einen anderen entsprechend zu schädigen), als (allenfalls nur versuchter) Betrug strafbar ist, solange es außergerichtlich geschieht (zB durch Absenden einer unrichtigen Schadensmeldung an die Versicherung, vgl Kirchbacher/Presslauer in WK² [2006] § 146 Rz 128), jedoch straflos, wenn es im Zug eines Zivilprozesses erstattet wird, der in solchen Fällen darauf angelegt ist, den auf Betrug gerichteten Tatplan, mit dessen Verwirklichung der Täter außergerichtlich begonnen hat, vor Gericht (und mit dessen gutgläubig geleisteter Hilfe) zu Ende zu führen. Darin wäre ein Wertungswiderspruch zu erblicken, dessen Vermeidung zur erwähnten Gleichbehandlung führt.

4. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die allfällige Verneinung der Frage, ob die dem Landesgericht Wr. Neustadt vom Angeklagten als Kläger im Zivilprozess vorgelegte Rechnung ein falsches Beweismittel darstellt, keineswegs den Ausschluss von Betrugsstrafbarkeit bewirkt.

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