OGH 10Ob30/08x

OGH10Ob30/08x22.4.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon.-Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Pflegschaftssache der 1. minderjährigen Nadine M*****, geboren am 5. Dezember 1991, und 2. des minderjährigen Manuel M*****, geboren am 8. Mai 1996, beide vertreten durch das Land Salzburg als Jugendwohlfahrtsträger, dieses vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung, Abteilung Jugendwohlfahrt, 5020 Salzburg, Karl-Wurmb-Straße 17, über den Revisionsrekurs der Minderjährigen gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 12. September 2007, GZ 21 R 447/07t-10, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Oberndorf vom 20. Juli 2007, GZ 1 P 32/06d-U4, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden - abgesehen von der bereits rechtskräftigen Abweisung eines Unterhaltsherabsetzungsmehrbegehrens hinsichtlich der minderjährigen Nadine von 30 EUR monatlich ab 1. 1. 2007 und von der nicht mehr bekämpften Herabsetzung des Unterhalts des minderjährigen Manuel auf 276 EUR monatlich ab 1. 1. 2007 - aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang zur Ergänzung des Verfahrens und zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung

Der Vater war zuletzt verpflichtet, für die beiden im Haushalt der Mutter betreuten Kinder ab 1. 4. 2005 302 EUR monatlich (Nadine) bzw ab 1. 6. 2006 309 EUR monatlich (Manuel) an Unterhalt zu bezahlen. Er bezog im Jahr 2006 als Kraftfahrer laut Lohnzettel ein Bruttoeinkommen von 23.875,02 EUR, welches nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge und der Lohnsteuer einem Nettoeinkommen von 17.468,56 EUR entspricht. Das durchschnittliche Nettoeinkommen des Vaters betrug somit 1.455 EUR monatlich. Weiters bezog er laut Lohnzettel für das Jahr 2006 steuerfreie Bezüge (§ 26 Z 4 EStG) in Höhe von insgesamt 6.018,34 EUR.

Der Vater begehrt die Herabsetzung seiner monatlichen Unterhaltsverpflichtungen ab 1. 1. 2007 auf 250 EUR je Kind. Er begründete sein Begehren im Wesentlichen damit, dass sich sein Einkommen verringert habe und die minderjährige Nadine mittlerweile über ein eigenes Einkommen verfüge.

Die Minderjährigen beantragten die Abweisung des Herabsetzungsantrags und brachten insbesondere vor, dass die vom Vater bezogenen Diäten zumindest zur Hälfte in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzurechnen seien. Im Übrigen verdiene die minderjährige Nadine seit 22. 2. 2007 durch stundenweise Arbeit am Wochenende lediglich ein Taschengeld von 100 EUR monatlich.

Das Erstgericht gab dem Herabsetzungsantrag des Vaters hinsichtlich des minderjährigen Manuel im vollen Umfang und hinsichtlich der minderjährigen Nadine teilweise statt. Es setzte den Unterhalt für die Zeit ab 1. 1. 2007 bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit für die minderjährige Nadine mit 280 EUR monatlich und für den minderjährigen Manuel mit 250 EUR monatlich fest und wies hinsichtlich der minderjährigen Nadine ein Unterhaltsherabsetzungsmehrbegehren des Vaters von 30 EUR monatlich - rechtskräftig - ab. Es ging bei seiner Entscheidung weiters davon aus, dass der Vater keine weiteren Sorgepflichten hat und die minderjährige Nadine seit 22. 2. 2007 ein „Taschengeld" in Höhe von 100 EUR monatlich verdient. Nach der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts sei von einem monatlichen Nettoeinkommen des Vaters von 1.455 EUR auszugehen, da die Diäten „im Jahreslohnzettel bereits inkludiert seien (§ 26 Z 4 EStG)". Das geringe Einkommen der minderjährigen Nadine mindere deren Unterhaltsanspruch nicht. Nach der Prozentsatzmethode errechne sich unter Berücksichtigung der gebotenen Anrechnung der Familienbeihilfe ein Unterhaltsanspruch von 280 EUR für die minderjährige Nadine und von 250 EUR für den minderjährigen Manuel.

Das Rekursgericht gab dem von den Minderjährigen dagegen erhobenen Rekurs keine Folge. Es teilte zwar die Rechtsansicht der Rekurswerber, dass Aufwandsentschädigungen und Diäten, sofern nicht die Abdeckung eines höheren tatsächlichen Mehraufwands nachgewiesen sei, zur Hälfte in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen seien. Daraus folge, dass zu den im Lohnzettel des Vaters ausgewiesenen steuerpflichtigen Bezügen von 16.253,02 EUR höchstens die Hälfte der ausgewiesenen steuerfreien Bezüge nach § 26 Z 4 EStG, somit ein Betrag von 3.009,17 EUR, hinzuzurechnen sei, sodass sich ein Gesamtbetrag von 19.262,19 EUR ergebe. Nach Abzug der Lohnsteuer in Höhe von 2.078,92 EUR betrage das anrechenbare monatliche Nettoeinkommen des Vaters 1.431 EUR und sei somit sogar geringfügig niedriger als es vom Erstgericht seiner Berechnung zugrundegelegt worden sei.

Das Rekursgericht sprach zunächst aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Über Antrag der Minderjährigen änderte es seinen Ausspruch dahin, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch zulässig sei, weil es das anrechenbare monatliche Nettoeinkommen des Vaters offensichtlich unrichtig ermittelt habe.

Die Entscheidung des Rekursgerichts wird von den Minderjährigen insoweit bekämpft, als der Unterhaltsanspruch der minderjährigen Nadine überhaupt und der Unterhaltsanspruch des minderjährigen Manuel auf einen Betrag von weniger als 276 EUR monatlich herabgesetzt wurde.

Der Vater beantragt in seiner Revisionsrekursbeantwortung, dem Revisionsrekurs keine Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs ist zulässig und im Sinne der beschlossenen Aufhebung auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Im Revisionsrekursverfahren ist nur noch die Höhe der Unterhaltsbemessungsgrundlage strittig. Als Unterhaltsbemessungsgrundlage gemäß § 140 ABGB sind sämtliche tatsächlich erzielten Einnahmen des Unterhaltspflichtigen in Geld oder geldwerten Leistungen, über die er verfügen kann, heranzuziehen, soweit es sich nicht bloß um die Abgeltung von effektiven Auslagen handelt (RIS-Justiz RS0107262 [T1]; RS0086684 ua; Neuhauser in Schwimann, ABGB³ § 140 Rz 51 mwN). Bei unselbständig Erwerbstätigen fällt darunter das Arbeitsentgelt, also das, was der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für das Zurverfügungstellen der Arbeitskraft leistet, soweit damit nicht tatsächliche Aufwendungen abgegolten werden (Neuhauser aaO § 140 Rz 52 mwN). Dabei werden regelmäßig Aufwandsentschädigungen (Diäten, Taggeld, Nächtigungsgeld, Reisekostenentschädigung udgl) zur Hälfte in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einbezogen, sofern der Unterhaltsverpflichtete nicht nachweist, dass diese darüber hinaus der Abdeckung berufsbedingter Mehrausgaben dienen (Neuhauser aaO § 140 Rz 61 mwN; RIS-Justiz RS0047442).

Die Rechtsmittelwerber machen zutreffend geltend, dass dem Rekursgericht bei der Berechnung der Unterhaltsbemessungsgrundlage insofern ein Fehler unterlaufen ist, als es im Sinne der erwähnten Rechtsprechung die Hälfte der dem Vater im Jahr 2006 laut Lohnzettel zugekommenen Diäten (steuerfreie Bezüge nach § 26 Z 4 EStG) nicht dem zwischen den Parteien außer Streit stehenden Nettoeinkommen des Vaters für das Jahr 2006 in Höhe von 17.468,56 EUR sondern dessen steuerpflichtigen Bezügen in Höhe von 16.253,02 EUR abzüglich der Lohnsteuer von 2.078,92 EUR hinzugerechnet hat. Dennoch ist die Sache nicht im Sinne der von den Rechtsmittelwerbern in ihrem Revisionsrekurs angestellten Berechnungen spruchreif, da die Minderjährigen bereits im Verfahren erster Instanz in ihrem Schriftsatz vom 19. 7. 2007 geltend gemacht haben, dass es sich bei den im Lohnzettel ausgewiesenen steuerfreien Bezügen um Diäten für ihren als Kraftfahrer beschäftigten Vater handle, welche nach der zitierten Rechtsprechung im Zweifel zur Hälfte in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen sind. Stellte der an „Diäten" bezogene Betrag, wie der Vater im Rechtsmittelverfahren geltend macht, hingegen eine reine Aufwandsentschädigung dar, wäre er in die Unterhaltsbemessungsgrundlage nicht einzubeziehen. Es hätte daher schon das Erstgericht eine entsprechende Überprüfung in diese Richtung vornehmen müssen, zumal es dem Vater keine Möglichkeit eingeräumt hat, zum erwähnten Vorbringen der Minderjährigen in ihrem Schriftsatz vom 19. 7. 2007 inhaltlich Stellung zu nehmen. Das Verfahren erweist sich daher insoweit als ergänzungsbedürftig, als näher festzustellen sein wird, welche Diäten der Vater von seinem Arbeitgeber konkret bezogen hat und wie weit es sich dabei um den Ersatz tatsächlicher Aufwendungen gehandelt hat.

Es waren daher in Stattgebung des Revisionsrekurses der Minderjährigen die Beschlüsse der Vorinstanzen im noch strittigen Umfang aufzuheben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

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