OGH 9ObA138/07w

OGH9ObA138/07w10.4.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Hopf sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug und AR Angelika Neuhauser als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ismet B*****, vertreten durch Mag. Wolfgang Kleinhappel, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Boris Knirsch ua, Rechtsanwälte in Wien, wegen 6.662,65 EUR brutto abzüglich 1.677,22 EUR netto sA, über den „Revisionsrekurs" (richtig: Rekurs) der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. Juli 2007, GZ 8 Ra 81/07a-42, womit das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 19. Februar 2007, GZ 7 Cga 88/05g-33, infolge Berufung der beklagten Partei aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Rekurs der beklagten Partei wird zurückgewiesen. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 399,74 EUR (darin 66,62 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht ließ den Rekurs gegen seinen Beschluss, mit dem es das Ersturteil aufhob und die Arbeitsrechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwies, ausdrücklich zu (§ 519 Abs 1 Z 2 ZPO). Diese Zulassung begründete es damit, dass eine oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Anwendbarkeit der Ausnahmebestimmungen von der Wochenend- und Feiertagsruhe für Bodenverlegearbeiten fehle. Dieser Rechtsfrage komme eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu. Die Rekurswerberin schloss sich dieser Begründung der Zulassung des Rekurses an und führte ergänzend aus, dass vor allem die Frage, inwieweit der in einer Fabrikshalle verlegte Boden, auf dem Produktionsmaschinen stehen, zur Betriebsanlage gehöre, bisher nicht an den Obersten Gerichtshof herangetragen worden sei. Von der Frage, ob der Begriff der „Betriebsanlage" weit oder eng auszulegen sei, insbesondere ob er auch den um die Maschinen befindlichen Boden mitumfasse, hänge wiederum die Frage ab, inwieweit ähnlich gelagerte Sachverhalte unter § 10 Abs 1 Z 1, 2 und 7 ARG zu subsumieren seien. Es gehe somit um die Frage, ob die gegenständlichen Arbeiten Instandhaltungs-, Instandsetzungs- oder Wartungsarbeiten gewesen seien oder ob sie die Wartung einer Betriebsanlage dargestellt haben. Der Revisionsgegner bestritt das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zulassung des Rekurses und beantragte dessen Zurückweisung. Das Berufungsgericht darf die Zulässigkeit des Rekurses nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO nur dann aussprechen, wenn es die Voraussetzungen für gegeben erachtet, unter denen nach § 502 ZPO die Revision zulässig ist (§ 519 Abs 2 ZPO). Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit des Rekurses an den diesbezüglichen Ausspruch des Berufungsgerichts nicht gebunden (§ 526 Abs 2 ZPO). Die Zurückweisung des Rekurses wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage nach § 502 Abs 1 ZPO kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 528a ZPO iVm § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO). Im vorliegenden Verfahren hängt die Berechtigung der Entlassung des Klägers von der Frage ab, ob er am 27. 3. 2005 (Ostersonntag) zu Unrecht der Arbeit ferngeblieben ist. Die Beklagte, die im ersten Rechtsgang offenkundig noch der Auffassung war, es genüge schon die bloße Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer, um diesen wirksam zu zulässiger Sonntagsarbeit zu verpflichten, beschränkte sich auch im zweiten Rechtsgang auf ein bloß rudimentäres Vorbringen zur Zulässigkeit von Arbeitsleistungen am 27. 3. 2005, indem sie auf die Notwendigkeit und Dringlichkeit dieser „Arbeitsleistungen" verwies. Dazu ist vorweg klarzustellen, dass die Frage, ob eine Arbeit des Klägers am Ostersonntag zulässig gewesen wäre, von der Frage, ob er zur Arbeit am Ostersonntag verpflichtet war, zu unterscheiden ist (vgl Marhold/Friedrich, Arbeitsrecht 102; Pfeil in ZellKomm §§ 10-15 ARG Rz 1 ua). Beide Fragen sind hier strittig. Die erste Frage unterliegt dem Arbeitsruhegesetz (ARG), BGBl 1983/144, die zweite dem Arbeitszeitgesetz (AZG), BGBl 1969/461 (vgl Grillberger, AZG² 24 ua). Die zweite Frage ist trotz zweier Rechtsgänge offen. Die Beklagte behauptet eine entsprechende Vereinbarung mit dem Kläger, die dieser jedoch bestreitet. Das Erstgericht traf keine eindeutigen Tatsachenfeststellungen zu diesem Thema. In der rechtlichen Beurteilung spricht es einerseits von der „Nichtbefolgung einer Anordnung", andererseits von einer „bloßen Vereinbarung". In der ersten Frage (Zulässigkeit der Sonntagsarbeit), die Gegenstand des Rekurses der Beklagten ist, ist von § 3 Abs 1 ARG auszugehen. Nach dieser Bestimmung hat der Arbeitnehmer in jeder Kalenderwoche Anspruch auf eine ununterbrochene Ruhezeit von 36 Stunden, in die der Sonntag zu fallen hat („Wochenendruhe"). Während dieser Zeit darf der Arbeitnehmer nur beschäftigt werden, wenn dies auf Grund der §§ 2 Abs 2, 10 bis 18 ARG zulässig ist. Nach § 3 Abs 2 ARG hat die Wochenendruhe für alle Arbeitnehmer spätestens Samstag um 13 Uhr, für Arbeitnehmer, die mit unbedingt notwendigen Abschluss-, Reinigungs-, Instandhaltungs- oder Instandsetzungsarbeiten beschäftigt sind, spätestens Samstag um 15 Uhr zu beginnen. Dem grundsätzlichen Verbot der Sonntagsarbeit steht ein umfangreicher Katalog von Ausnahmen gegenüber (Schrammel, Arbeitsrecht 25, 125 f ua). Diese finden sich zum Teil in den §§ 10 bis 18 ARG, zum Teil in Verordnungen, die auf Grund des § 12 ARG erlassen wurden. Allen voran ist hier vor allem die Arbeitsruhegesetz-Verordnung (ARG-VO), BGBl 1984/149, zu nennen. Diese enthält in der Anlage eine Aufzählung der Ausnahmen von der Wochenend- und Feiertagsruhe, welche allerdings als Ausnahmerecht von Arbeitnehmerschutzbestimmungen einschränkend auszulegen sind (4 Ob 80/91; RIS-Justiz RS0051695 ua). Erst das konkrete Vorliegen eines Ausnahmetatbestands macht die Beschäftigung am Sonntag erlaubt. Stets ist im Fall einer Ausnahme auch zu berücksichtigen, dass gemäß § 2 Abs 2 ARG während der Wochenendruhe im Rahmen der §§ 10 bis 18 ARG nur die unumgänglich notwendige Zahl von Arbeitnehmern beschäftigt werden darf.

Die Beklagte wollte mit ihrem erstinstanzlichen Vorbringen im zweiten Rechtsgang, wonach die Arbeiten am Ostersonntag notwendig gewesen seien und dass auf Grund des Dreischichtbetriebs (des Auftraggebers der Beklagten) eine Arbeitspflicht am Ostersonntag wegen dringender Fertigstellungsarbeiten erforderlich gewesen sei, offenkundig die für den 27. 3. 2005 geplante Durchbrechung der Wochenendruhe rechtfertigen. Sie unterließ es jedoch nicht nur, einen bestimmten Ausnahmetatbestand zu benennen, was gerade in Anbetracht der großen Zahl von Ausnahmen geboten gewesen wäre; sie unterließ es vor allem auch, ein hinreichend bestimmtes Vorbringen zu erstatten, das eindeutig unter einen Ausnahmetatbestand subsumiert werden kann. Bloß allgemeine Erwägungen zur Notwendigkeit und Dringlichkeit von „Arbeitsleistungen" reichen nicht aus, um die Wochenendruhe zu durchbrechen. Die Beklagte versucht nun im Rekurs, bisher versäumtes Vorbringen nachzuholen und macht gleich vier von ihr näher benannte Ausnahmetatbestände geltend, und zwar § 10 Abs 1 Z 1, 2 und 7 ARG sowie Abschnitt IX Z 40a der Anlage zur ARG-VO.

Nach § 10 Abs 1 Z 1 ARG dürfen Arbeitnehmer während der Wochenendruhe mit der Reinigung, Instandhaltung oder Instandsetzung beschäftigt werden, soweit sich solche Arbeiten während des regelmäßigen Arbeitsablaufs nicht ohne Unterbrechung oder erhebliche Störung ausführen lassen und infolge ihres Umfangs nicht bis spätestens Samstag 15 Uhr abgeschlossen werden können. Nach § 10 Abs 1 Z 2 ARG dürfen Arbeitnehmer während der Wochenendruhe mit der Bewachung oder Wartung von Betriebsanlagen einschließlich Bergbauanlagen oder Wartung von Tieren beschäftigt werden. Nach § 10 Abs 1 Z 7 ARG dürfen Arbeitnehmer während der Wochenendruhe mit Umbauarbeiten an Betriebsanlagen einschließlich Bergbauanlagen beschäftigt werden, wenn diese aus technischen Gründen nur während des Betriebsstillstands durchgeführt werden können und ein Betriebsstillstand außerhalb der Ruhezeiten mit einem erheblichen Schaden verbunden wäre.

Der Versuch, das zu allgemein gehaltene erstinstanzliche Beklagtenvorbringen zumindest unter einen der genannten gesetzlichen Ausnahmetatbestände nach § 10 Abs 1 ARG zu subsumieren, ist zum Scheitern verurteilt, weil die Beklagte in erster Instanz nicht vorbrachte, welche konkreten Arbeiten der Kläger am Ostersonntag tatsächlich hätte verrichten sollen, sondern immer nur ganz allgemein von „Arbeitsleistungen" sprach. Die von der Rekurswerberin geltend gemachten Ausnahmetatbestände nach § 10 Abs 1 ARG erfassen jedoch nur ganz bestimmte Arbeiten, nämlich die Reinigung, Instandhaltung oder Instandsetzung (Z 1), die Bewachung oder Wartung von Betriebsanlagen einschließlich Bergbauanlagen oder die Wartung von Tieren (Z 2) sowie Umbauarbeiten an Betriebsanlagen einschließlich Bergbauanlagen (Z 7). Die Beklagte scheitert daher mit ihrem unsubstantiierten Vorbringen bereits an dieser ersten Hürde. Dazu kämen aber noch weitere Voraussetzungen. Es werden von § 10 Abs 1 Z 1 ARG nämlich nicht alle Reinigungs-, Instandhaltungs- oder Instandsetzungsarbeiten umfasst, sondern nur solche, die sich während des regelmäßigen Arbeitsablaufs nicht ohne Unterbrechung oder erhebliche Störung ausführen lassen und infolge ihres Umfangs nicht bis spätestens Samstag 15 Uhr abgeschlossen werden können. Auch dazu fehlt ein Beklagtenvorbringen in erster Instanz. Nach § 10 Abs 1 Z 7 ARG werden auch Umbauarbeiten an Betriebsanlagen einschließlich Bergbauanlagen nicht generell als Ausnahme von der Wochenendruhe erfasst, sondern nur dann, wenn die Umbauarbeiten aus technischen Gründen nur während des Betriebsstillstands durchgeführt werden können und ein Betriebsstillstand außerhalb der Ruhezeiten mit einem erheblichen Schaden verbunden wäre. Auch dazu fehlt ein substantiiertes Beklagtenvorbringen in erster Instanz. Wenn nun die Rekurswerberin zur Begründung der Zulässigkeit des Rekurses erstmals Überlegungen anstellt, wonach es im vorliegenden Fall um den Boden unter und nahe von Maschinen in einer Fabrikshalle gegangen wäre, handelt es sich um im Rekursverfahren unzulässige Neuerungen (Kodek in Rechberger, ZPO³ § 526 Rz 3 mwN ua).

Ein ähnliches Bild ergibt die Berufung der Rekurswerberin auf Abschnitt IX Z 40a der Anlage zur ARG-VO. Nach § 1 Abs 1 ARG-VO dürfen während der Wochenendruhe Arbeitnehmer nur die in der Anlage angeführten Tätigkeiten während der jeweils angeführten Zeiträume ausüben. Der Abschnitt IX („Chemie") Z 40a der Anlage nennt nun die „Ausführung von Arbeiten mit Werkstoffen aus Kunststoff im Rahmen der Tätigkeit der kunststoffverarbeitenden Betriebe, die aus technologischen Gründen nur während des Betriebsstillstands des externen Auftraggebers in der Wochenend- und Feiertagsruhe ausgeführt werden können". Auch dazu fehlt ein konkretes erstinstanzliches Vorbringen der Beklagten, was von ihr im Rekurs sogar ansatzweise eingeräumt wird. Die Beklagte benannte in erster Instanz weder Werkstoffe aus Kunststoff noch bestimmte „technologische Gründe", die ein Arbeiten während des Betriebsstillstands gebieten. Die Frage der „Lückenschließung" stellt sich nicht, solange kein konkretes subsumierbares Vorbringen erstattet wird, das überhaupt erst die Beurteilung erlaubt, ob allenfalls eine Lücke vorliegt. Zusammenfassend ist dem Berufungsgericht zwar allgemein darin zu folgen, dass sich bei der Auslegung der Ausnahmetatbestände von der Wochenendruhe nach § 3 Abs 1 ARG unter Umständen eine erhebliche Rechtsfrage ergeben kann. Dies hat jedoch mit dem vorliegenden Fall nichts zu tun. Da die Beklagte in erster Instanz kein konkretes Vorbringen erstattet hat, das unter einen der im Rekurs geltend gemachten Ausnahmetatbestände oder unter einen anderen Ausnahmetatbestand subsumiert werden kann, stellt sich keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO, von der die Entscheidung über den Rekurs der Beklagten abhinge. Dieses Rechtsmittel ist daher ungeachtet seiner Zulassung durch das Berufungsgericht als unzulässig zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat in seiner „Revisionsrekursbeantwortung" (richtig: Rekursbeantwortung) auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels ausdrücklich hingewiesen (vgl RIS-Justiz RS0035962 ua).

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