OGH 2Ob239/07x

OGH2Ob239/07x10.4.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Baumann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Danzl, Dr. Veith, Dr. Grohmann und Dr. Nowotny in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Parteien 1. (3 Cg 268/02z) R***** registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung, *****, vertreten durch Dr. Klaus Rohringer, Rechtsanwalt in Wels, 2. (3 Cg 66/06z) A*****Bankaktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Klaus Schiller, Rechtsanwalt in Schwanenstadt, gegen den Beklagten Franz W*****, vertreten durch Mag. Hermann Köck, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, wegen 1. 156.964,52 EUR sA (Revisionsinteresse 154.726,05 EUR), 2. 218.018,50 EUR sA, über die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 10. September 2007, GZ 4 R 124/07v-156, womit das Urteil des Landesgerichts Wels vom 26. April 2007, GZ 3 Cg 268/02z-152, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Beklagte ist schuldig, der klagenden Partei im führenden Verfahren (R***** registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung) die mit 2.074,46 EUR (darin enthalten 345,74 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeanwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Der Beklagte ist schuldig, der klagenden Partei im verbundenen Verfahren (A***** Bankaktiengesellschaft) die mit 2.245,32 EUR (darin enthalten 374,22 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Begründung

Die klagenden Parteien begehren vom Beklagten die Rückzahlung von Krediten, die sie ihm in den Jahren 1979 bis 1989 gewährt haben. Der Beklagte wendete ein, er sei bei Abschluss der Kreditverträge geschäftsunfähig gewesen.

Die Vorinstanzen haben die Geschäftsfähigkeit des Beklagten bejaht und den Klagebegehren zum größten Teil (führendes Verfahren) bzw ganz (verbundenes Verfahren) stattgegeben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten ist unzulässig.

Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Das Berufungsgericht hat die ordentliche Revision zugelassen, weil die psychiatrische Wissenschaft mit klassischen Begriffen wie Geisteskrankheit, Geistesschwäche oder Grenzdebilität nicht mehr das Auslangen finde, sondern, wie aus dem eingeholten psychiatrischen Sachverständigengutachten hervorgehe, entsprechend der internationalen Klassifikation psychischer Störungen eine neue Terminologie eingeführt habe, deren Begriffe im allgemeinen Sprachgebrauch teilweise keinen Aussagewert mehr hätten („ICD 10 F61.0" und „ICD 10 F32.9"). Welche Auswirkung die internationale Klassifikation psychischer Störungen auf die rechtliche Beurteilung der Geschäftsfähigkeit habe und wo bei dieser verfeinerten medizinischen Terminologie die Grenze zwischen Geschäftsfähigkeit und Geschäftsunfähigkeit verlaufe, sei bisher ebensowenig Gegenstand der oberstgerichtlichen Judikatur gewesen wie die Frage, ob die vernunftwidrige Verdrängung anstehender wirtschaftlicher Probleme einem krankhaften Geistesgebrechen gleichzuhalten sei und Geschäftsunfähigkeit begründe.

Mit diesen Ausführungen zeigt das Berufungsgericht keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung auf. Mag auch allenfalls die moderne Psychiatrie mit neuen Fachausdrücken arbeiten, so ändert dies doch nichts daran, dass ein Sachverständiger Befund und Gutachten letztlich sprachlich so abfassen muss, dass seine Ausführungen auch für Laien im betreffenden Fachgebiet verständlich sind und das Gericht und die Parteien die nötigen Schlüsse (hier: ob der Beklagte geschäftsfähig war) ziehen können.

Im Übrigen ist aber die Beurteilung, ob eine Person zu einem bestimmten Zeitpunkt die Tragweite bestimmter Willenserklärungen verstandesmäßig erfassen konnte oder ob dieser Person diese Fähigkeit durch eine die Handlungs- und Geschäftsfähigkeit ausschließende geistige Störung fehlte, eine typische Beurteilung des Einzelfalls (RIS-Justiz RS0117658).

Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, der Beklagte sei bei Aufnahme der gegenständlichen Kredite geschäftsfähig gewesen, könnte daher vom Obersten Gerichtshof nur aufgegriffen werden, wenn dem Berufungsgericht eine auffallende Fehlbeurteilung unterlaufen wäre.

Das Erstgericht hat zusammengefasst festgestellt, der Beklagte sei intellektuell minderbegabt und reagiere auf Probleme mit einem neurotischen, aber nicht krankheitswertigen Verleugnungs- und Verdrängungsmechanismus. Auch die Kombination aus diesen Faktoren habe aus medizinischer Sicht keine Geschäftsunfähigkeit begründet. Im Rahmen der Beweiswürdigung führte der Erstrichter (als dem Tatsachenbereich zuzuordnend: vgl RIS-Justiz RS0043110; 5 Ob 557/93; 3 Ob 2016/96h) weiter aus, er habe keine Zweifel, „dass es der Beklagte grundsätzlich versteht, dass ein Kredit rückzuzahlen ist und dass dem Kapital Zinsen angelastet werden, sodass in Summe mehr zurückzuzahlen ist, als er erhalten hat."

Wenn die Vorinstanzen im Hinblick auf diese Feststellungen die Geschäftsfähigkeit des Beklagten bei Aufnahme der Kredite bejaht haben, so liegt darin keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung.

Die Revision war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO. Beide Klägerinnen haben auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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