OGH 3Ob2016/96h

OGH3Ob2016/96h10.9.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst, Dr. Graf, Dr. Pimmer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Susanne K*****, ***** ***** vertreten durch Dr. Helene Klaar, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei Günther K*****,***** ***** vertreten durch Dr. Walther Leeb, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 71.000 sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 27. Juli 1995, GZ 43 R 2090/95-24, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 10. Februar 1995, GZ 5 C 171/93z-18, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Dem Berufungsgericht wird die neuerliche Entscheidung über die Berufung des Beklagten aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung

Die Ehe der Streitteile wurde am 9.10.1992 im Einvernehmen geschieden. Der anläßlich der Scheidung geschlossene Vergleich hatte in den hier wesentlichen Punkten folgenden Wortlaut:

"V. Die Nutzungsrechte an der bisherigen Ehewohnung im Hause

................ stehen künftig dem Ehemann alleine zu.

Die Ehefrau verpflichtet sich, die oben genannte Ehewohnung bis

1.3.1993 geräumt von eigenen Fahrnissen an den Ehemann zu übergeben.

VI. ......

6. Der Ehemann verpflichtet sich, für den Fall, daß für die neue Wohnung der Ehefrau eine Ablöse zu zahlen ist, diese alleine zur Zahlung zu übernehmen und die Ehefrau schad- und klaglos zu halten. Die Höhe der Zahlungsverpflichtung des Ehemannes wird mit S 100.000 limitiert."

Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Bezahlung von S 71.000 sA. Sie brachte dazu vor, daß sie eine neue Wohnung gemietet habe und dabei eine "Möbelablöse" in der Höhe von S 71.000 bezahlen habe müssen.

Der Beklagte wendete ein, daß die Klägerin die Wohnung mieten habe können, ohne dafür eine Ablöse zahlen zu müssen, weshalb seine im Vergleich übernommene Zahlungspflicht nicht entstanden sei. Die Klägerin habe den eingeklagten Betrag dem früheren Mieter der von ihr gemieteten Wohnung für die Überlassung von Einrichtungsgegenständen bezahlt. Hierauf habe sich die im Vergleich vereinbarte Zahlungspflicht nicht erstreckt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte im wesentlichen noch folgendes fest:

Die Klägerin erklärte sich im Zuge der Scheidungsgespräche letztendlich bereit, die Wohnung dem Beklagten zu überlassen und nur die im Scheidungsvergleich festgehaltenen Einrichtungsgegenstände mitzunehmen. Dieser Verpflichtung kam sie auch zeitgerecht nach. Dafür erklärte sich der Beklagte bereit, ihr bei der Finanzierung einer neuen Wohnmöglichkeit einen Beitrag zu leisten. Er veranlaßte, daß sein Antrag auf Zuweisung einer neuen Wohnung beim Wohnungsausschuß der Post- und Telegraphendirektion auf den Namen der Klägerin geändert wurde. Der Wohnungsausschuß machte hierauf die Klägerin für eine bestimmte Wohnung als Nachmieterin namhaft. Der Mieter der Wohnung bot der Klägerin an, ihr die Küchen- und Badezimmereinrichtung zu überlassen. Hiefür wurde ein Kaufpreis von insgesamt S 71.000 vereinbart, den die Klägerin bezahlte. Solche Vereinbarungen zwischen Vor- und Nachmieter sind durchaus üblich und werden vom Wohnungsausschuß geduldet. Sie sind aber auf den Erwerb der Mietrechte ohne Einfluß.

Unter der Einleitung "Rechtliche Beurteilung" führte das Erstgericht aus, daß das Wort "Ablöse" eine mehrfache Bedeutung habe und daß darunter auch die Abgeltung von in der Wohnung getätigten Investitionen welcher Art auch immer verstanden werden könne. Die Klägerin habe in der "Ablöse für eine neue Wohnung" eine finanzielle Unterstützung des Beklagten, gewidmet für die Anschaffung einer Wohnung, erblickt, zumal sie aus der Ehewohnung an Möbeln nur eine Lederbank mitgenommen habe. Die Darstellung des Beklagten, daß die von ihm zu leistende Zahlung nur einen allfälligen Baukostenzuschuß oder einen für den Genossenschaftsanteil zu zahlenden Betrag abdecken sollte, soweit dies für den Erwerb der Mietrechte notwendig sei, sei nicht glaubwürdig. Es könne nicht davon ausgegangen werden, daß der Parteiwille nur auf die Abgeltung eines Baukostenzuschusses oder ähnlicher Zahlungen gerichtet war. Aus der finanziellen Situation der Streitteile und aus dem übrigen Inhalt des Scheidungsvergleiches gehe hervor, daß eine Art Starthilfe vereinbart wurde und daß der Beklagte der Klägerin für die Anschaffung einer neuen Wohnmöglichkeit eine Geldaushilfe zugesagt hat. Diese umfasse auch in der Wohnung vorhandene und übernommene Investitionen in Form von Einbaumöbeln. Der Beklagte sei daher zur Bezahlung des eingeklagten Betrages verpflichtet.

Das Berufungsgericht wies infolge Berufung des Beklagten das Klagebegehren ab und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Die in der Berufung bekämpfte Feststellung, daß sich der Beklagte bereit erklärt habe, der Klägerin bei der Finanzierung einer neuen Wohnmöglichkeit einen Beitrag zu leisten, könne ohne Rechtsnachteil für den Beklagten bestehen bleiben. Die Erwägungen, die das Erstgericht in seiner rechtlichen Beurteilung zur Vertragsauslegung angestellt habe, seien gemäß der vom Erstgericht vorgenommenen Gliederung des Urteils Bestandteil dieses Abschnitts und nicht der Beweiswürdigung oder des Feststellungsteils. Das Berufungsgericht müsse daher diesen Urteilsabschnitt als Teil der rechtlichen Beurteilung der Sache ansehen. Auch wenn man von der vom Beklagten bekämpften Feststellung, daß er sich bereit erklärte, der Klägerin bei der Finanzierung einer neuen Wohnmöglichkeit einen Beitrag zu leisten, ausgehe, sei vom Wortlaut des Vergleiches nicht die Finanzierung von Einrichtungsgegenständen erfaßt. Dafür sprächen vor allem die Worte "daß für die neue Wohnung der Ehefrau eine Ablöse zu zahlen ist", weil sie entbehrlich gewesen wären, wenn auch die Finanzierung von Einrichtungsgegenständen erfaßt werden hätte sollen. Da die Klägerin aus der Ehewohnung nur drei Einrichtungsgegenstände mitgenommen habe, habe sie auf jeden Fall damit rechnen müssen, daß sie für die neue Wohnung Einrichtungsgegenstände anschaffen werde müssen. Zur Zeit des Vergleichsabschlusses sei nur ungewiß gewesen, ob sie für die Wohnung eine Ablöse zu bezahlen haben werde. Der Vergleichstext lasse eindeutig den Schluß zu, daß der Ehemann sich nur zur Mitfinanzierung einer Wohnraumbeschaffung und nicht dazu verpflichtet habe, einen finanziellen Beitrag zur Anschaffung von Einrichtungsgegenständen zu leisten.

Die von der Klägerin gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache erhobene außerordentliche Revision ist zulässig, weil die Entscheidung des Berufungsgerichtes von der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes JUS Z 1994/1513 abweicht. Darin wurde nämlich ausgesprochen, daß es sich dann, wenn die Rechtsausführungen im Urteil auch Ausführungen enthalten, die dem Tatsachenbereich zuzuordnen sind, um Tatsachenfeststellungen handelt, weil es nur auf die Qualität und nicht auf den Ort der Aussage in den Entscheidungsgründen eines Urteils ankommt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist auch berechtigt.

Gemäß § 914 ABGB ist bei der Auslegung von Verträgen nicht an dem

buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften, sondern die Absicht der

Parteien zu erforschen und der Vertrag so zu verstehen, wie es der

Übung des redlichen Verkehrs entspricht. Wird also eine vom Wortlaut

des Vertrages abweichende übereinstimmende Parteienabsicht

festgestellt, so ist diese maßgebend. Dies ist hier aber geschehen,

weil nach den nach dem Gesagten als Tatsachenfeststellungen zu

wertenden Ausführungen im Ersturteil nicht davon auszugehen ist, daß

der Parteiwille nur auf die Abgeltung eines Baukostenzuschusses oder

ähnlicher Zahlungen gerichtet war, sondern daß eine Art Starthilfe

vereinbart wurde und daß der Beklagte der Klägerin für die

Anschaffung einer neuen Wohnmöglichkeit eine Geldaushilfe zusagte.

Geht man von diesen Tatsachenfeststellungen aus, so ist das Klagebegehren berechtigt, weil dann nach dem maßgebenden objektiven Erklärungswert der Erklärungen des Beklagten (vgl SZ 68/13; ÖBA 1992, 745; ÖBA 1990, 843; Miet 42.110 ua) durchaus auch angenommen werden kann, daß diese Geldaushilfe zur Anschaffung von Einrichtungsgegenständen für eine neue Wohnung bestimmt sein konnte. Dem Argument des Berufungsgerichtes, daß sich die Klägerin auf jeden Fall neue Einrichtungsgegenstände anschaffen hätte müssen, kommt dann keine Bedeutung zu.

Der Beklagte hat die wiedergegebenen Feststellungen allerdings in seiner Berufung bekämpft. Das Berufungsgericht hat sich, von einer nicht zu billigenden Rechtsansicht ausgehend, mit diesen Ausführungen nicht befaßt. Sein Verfahren ist daher mangelhaft geblieben (RZ 1990/121 ua), weshalb das angefochtene Urteil aufgehoben und dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung über die Berufung des Beklagten aufgetragen werden mußte.

Der Ausspruch über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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