OGH 2Ob218/07h

OGH2Ob218/07h14.2.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Baumann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Danzl, Dr. Veith, Dr. Grohmann und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Franz S*****, vertreten durch Dr. Karl Wagner Rechtsanwalt GmbH in Schärding, gegen die beklagte Partei Stadtgemeinde R*****, vertreten durch Dr. Thomas Brückl, Mag. Christian Breit, Rechtsanwälte in Ried im Innkreis, und der auf Seite der beklagten Partei beigetretenen Nebenintervenientin L***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Johann Kahrer, Dr. Christian Haslinger, Rechtsanwälte in Ried im Innkreis, wegen 12.901,97 EUR sA und Feststellung (Revisionsinteresse 12.901,97 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 6. August 2007, GZ 1 R 61/07g-26, womit das Teilzwischenurteil des Landesgerichts Ried im Innkreis vom 19. Jänner 2007, GZ 40 Cg 6/06a-20, abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei und der Nebenintervenientin auf Seite der beklagten Partei die mit je 749,70 EUR (darin enthalten je 124,95 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortungen binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Begründung

Der Kläger wurde als Radfahrer am 26. 9. 2005 gegen 15.30 Uhr durch einen Sturz bei einer Asphaltbodenschwelle auf dem im Stadtgebiet der Beklagten liegenden Max-Schlager-Weg, dessen Wegehalterin damals die beklagte Stadtgemeinde war, verletzt. Diese Asphaltbodenschwelle war vorher im Auftrag der Beklagten von der Nebenintervenientin errichtet worden.

Der Kläger begehrt 12.901,97 EUR sA (davon 12.000 EUR Schmerzengeld) als Schadenersatz aus dem Unfallsereignis; weiters begehrt er die Feststellung der Haftung der Beklagten für seine sämtlichen künftigen Schäden aus dem Unfall. Er brachte im Wesentlichen vor, die Bodenschwelle habe eine sechsundsechzigprozentige Steigung aufgewiesen, wohingegen nach den Richtlinien für den nicht motorisierten Verkehr der Straßenplanung des Landes Oberösterreich eine solche Rampe eine höchstens zehnprozentige Steigung aufweisen hätte dürfen und Radfahrern die Möglichkeit eingeräumt werden müsse, die Bodenschwelle zu umfahren. Diese sei mangelhaft gekennzeichnet bzw abgesichert gewesen. Der Kläger stützt das Klagebegehren im Revisionsverfahren nur mehr auf § 1319a ABGB.

Die Beklagte bestritt und wendete im Wesentlichen ein, die Bodenschwelle könne von einem Radfahrer bei normaler Aufmerksamkeit nicht übersehen werden. Der Kläger sei offensichtlich unaufmerksam gefahren. Die Richtlinien für den nicht motorisierten Verkehr seien nicht verbindlich und hätten nur Empfehlungscharakter. Den Kläger treffe das Alleinverschulden am Unfall.

Die auf Seite der Beklagten beigetretene Nebenintervenientin brachte vor, sie habe die Bodenschwelle sorgfältig errichtet und keine zusätzliche Gefahrenquelle geschaffen. Der Kläger habe den Unfall durch seine unaufmerksame Fahrweise selbst verschuldet. Das Erstgericht entschied mit Teilzwischenurteil nur über den Grund des Anspruchs hinsichtlich des Zahlungsbegehrens im klagsstattgebenden Sinn.

Das Berufungsgericht gab den Berufungen der Beklagten und der Nebenintervenientin Folge und wies das Zahlungsbegehren ab. In rechtlicher Hinsicht vertrat es die Ansicht, der Beklagten könne kein Verschulden gemäß § 1319a ABGB vorgeworfen werden, vielmehr sei der Unfall allein auf die mangelnde Konzentration bzw Aufmerksamkeit des Klägers zurückzuführen. Die Richtlinien für den nicht motorisierten Verkehr des Landes Oberösterreich seien keine rechtsverbindlichen Vorschriften, sondern nur Empfehlungen, die überdies primär den Fahrtkomfort im Auge hätten.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil noch keine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zur praktisch bedeutsamen Rechtsfrage ergangen sei, welche grundsätzlichen Anforderungen an die Beschaffenheit von Bodenschwellen im Straßenverkehr unter dem Gesichtspunkt einer allfälligen Haftung nach § 1319a ABGB zu stellen seien.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist unzulässig.

Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Es kommt im jeweils zu prüfenden Einzelfall darauf an, ob der Wegehalter die ihm zumutbaren Maßnahmen getroffen hat, um eine gefahrlose Benützung gerade dieses Wegs sicherzustellen (RIS-Justiz RS0087607). Unter grober Fahrlässigkeit im Sinne des § 1319a ABGB ist eine auffallende Sorglosigkeit zu verstehen, bei der die gebotene Sorgfalt nach den Umständen des Falls in ungewöhnlicher Weise verletzt wird und der Eintritt des Schadens nicht nur als möglich, sondern geradezu als wahrscheinlich vorauszusehen ist (RIS-Justiz RS0030171). Dabei stellt jedoch die Beurteilung des Verschuldensgrads in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage dar (RIS-Justiz RS0030171 [T7]).

Nach der dargestellten oberstgerichtlichen Rechtsprechung kommt daher regelmäßig der Frage, unter welchen Voraussetzungen der Wegehalter für den mangelhaften Zustand eines Wegs gemäß § 1319a ABGB haftet, keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu. Auch für die Beurteilung einer Haftung gemäß § 1319a ABGB im Hinblick auf die Beschaffenheit von Bodenschwellen kommt es auf eine Fülle von Einzelfaktoren, wie etwa die Verkehrs-, Straßen- und Sichtverhältnisse, die zulässige Höchstgeschwindigkeit ua, an. Diese zahlreichen, im jeweiligen Einzelfall zu beurteilenden Umstände entziehen die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Beschaffenheit von Bodenschwellen eine Haftung gemäß § 1319a ABGB auslösen kann, einer generalisierenden Betrachtungsweise.

Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO läge im vorliegenden Fall daher nur dann vor, wenn dem Berufungsgericht eine auffallende Fehlbeurteilung unterlaufen wäre. Davon kann allerdings keine Rede sein.

Entscheidungswesentlich steht fest, dass die gegenständliche Bodenschwelle 62 cm lang (in Fahrtrichtung gesehen) war und eine Kronenbreite von 27 cm hatte. Auf der Krone war die Schwelle 5 cm hoch, woraus sich nach dem Berufungsgericht mathematisch eine Steigung von 28,57 % errechnet. Vor und nach dieser Schwelle waren jeweils über eine Länge von etwa 10 bis 11 m fünf weiße Bodenquermarkierungen aufgebracht. Als Radfahrer konnte man der Schwelle rechts nicht ausweichen. Im Unfallstellenbereich waren keine Sichtbehinderungen vorhanden. Bei Tageslicht waren die Bodenschwelle und die beidseitig angebrachten weißen Bodenquermarkierungen beiderseits aus Entfernungen von zumindestens 70 m zu erkennen. Ist ein Radfahrer auf diese Schwelle gefasst und konzentriert, dann kann er sie problemlos mit 15 bis 20 km/h überfahren, selbst wenn man nur von einem durchschnittlichen Radfahrkönnen ausgeht. Die Ausführung des Berufungsgerichts, der Beklagten könne kein grobes Verschulden im Sinne des § 1319a ABGB vorgeworfen werden, der Unfall sei allein auf die mangelnde Konzentration bzw Aufmerksamkeit des Klägers zurückzuführen, bewegt sich im Rahmen des dem Berufungsgericht zukommenden Beurteilungsspielraums. Auch die Revision zeigt keine (sonstige) erhebliche Rechtsfrage auf. Sämtliche Ausführungen der Revision darüber, wie die Bodenschwelle anders auszuführen gewesen wäre oder welche weiteren Vorsichtsmaßnahmen oder Warnhinweise die beklagte Wegehalterin treffen hätte müssen, werden durch den festgestellten Umstand widerlegt, dass die Schwelle bei entsprechender Aufmerksamkeit selbst bei nur durchschnittlichem Radfahrkönnen problemlos mit 15 bis 20 km/h überfahren werden konnte.

Die Revision war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO. Die Beklagte und die Nebenintervenientin haben auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte