OGH 2Ob198/07t

OGH2Ob198/07t14.2.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Baumann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Danzl, Dr. Veith, Dr. Grohmann und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Walter F*****, vertreten durch Dr. Elisabeth Scheuba, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Ulrike N*****, vertreten durch Dr. Renate Weinberger, Rechtsanwältin in Wien, wegen 409.210,49 EUR sA, über die außerordentlichen Revisionen beider Streitteile gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. Juni 2007, GZ 14 R 33/07m-65, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 10. November 2006, GZ 4 Cg 102/04b-57, abgeändert wurde, beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

1.) Die außerordentliche Revision der Beklagten wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen. Der Kläger hat die Kosten seiner Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

2.) Der Revision des Klägers wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahingehend abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts mit der Maßgabe wiederhergestellt wird, dass es zu lauten hat wie folgt:

„Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger 409.210,49 EUR samt 4 % Zinsen seit 1. 1. 2004 sowie die mit 34.603,98 EUR (darin enthalten 4.350,33 EUR USt) bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen zu bezahlen."

Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit 3.750,60 EUR (darin enthalten 625,10 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 15.778,68 EUR (darin enthalten 449,94 EUR USt sowie 13.079,04 EUR Pauschalgebühr) bestimmten Kosten der Revision binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagten wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts Mödling vom 17. 11. 2003, *****, der gesamte Nachlass nach der am 27. 10. 2002 verstorbenen Hildegard M***** auf Grund deren Testaments vom 30. 1. 2002 eingeantwortet. Der Nachlass bestand aus einer Eigentumswohnung samt Garage in Baden mit dem dreifachen Einheitswert von 44.719,57 EUR, aus Guthaben auf einem Girokonto, aus einem Wertpapierdepot, drei Sparbüchern, einem Guthaben bei der Bezirkshauptmannschaft Baden sowie aus der Wohnungseinrichtung und Kleidung; die Wohnungseinrichtung und die Kleidung wurden pauschal mit 2.760 EUR bewertet. Unter Abzug der Nachlassschulden beläuft sich der reine Nachlass laut dem eidesstättigen Vermögensbekenntnis auf den Klagsbetrag.

Mit der vorliegenden Erbschaftsklage begehrt der Kläger, die Beklagte für schuldig zu erkennen, den erwähnten Nachlass zur Gänze abzutreten und dem Kläger 409.210,49 EUR samt 4 % Zinsen seit 1. 1. 2004 zu bezahlen. Er brachte dazu im Wesentlichen vor, er sei von der Erblasserin mit letztwilliger Verfügung vom 20. 2. 1987 zum Alleinerben eingesetzt worden. Im Zeitpunkt der Errichtung des Testaments zu Gunsten der Beklagten, am 30. 1. 2002, sei die Erblasserin nicht mehr testierfähig gewesen. Die Beklagte habe die ihr eingeantwortete Eigentumswohnung samt Garage um 90.000 EUR verkauft, sie sei daher verpflichtet, den aus diesem Verkauf erlangten Vorteil herauszugeben. Vorsichtshalber würden von den 90.000 EUR aber nur 44.719,57 EUR geltend gemacht. Das bewegliche Vermögen des Nachlasses habe die Beklagte in ihr Vermögen übernommen und damit bereits vermischt.

Die Beklagte bestritt und brachte im Wesentlichen vor, die Erblasserin sei am 30. 1. 2002 noch testierfähig gewesen, obwohl sie unter Sachwalterschaft gestanden sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf die entscheidungswesentliche Feststellung, die Erblasserin sei im Zeitpunkt der Testamentserrichtung zu Gunsten der Beklagten nicht mehr in der Lage gewesen, den Testiervorgang und den Inhalt der letztwilligen Verfügung zu erfassen. In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Ansicht, aus dem Umstand, dass der Kläger die Frist zur Einbringung der Erbrechtsklage ungenutzt verstreichen habe lassen, könne nicht abgeleitet werden, dass er auf sein Erbrecht verzichtet habe. Es sei ihm daher die Erbschaftsklage offen gestanden. Da die Erblasserin im Zeitpunkt der Testamentserrichtung am 30. 1. 2002 testierunfähig gewesen sei, sei dem Klagebegehren stattzugeben gewesen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung teilweise Folge, es bestätigte das Ersturteil hinsichtlich der Anordnung der Abtretung des Nachlasses, im Übrigen änderte es das Urteil des Erstgerichts dahingehend ab, dass der auf Geldzahlung gerichtete Zusatz ersatzlos zu entfallen habe. Rechtlich führte das Berufungsgericht aus, das von der Erblasserin am 30. 1. 2002 errichtete Testament sei mangels Testierfähigkeit gemäß § 566 ABGB ungültig. Das frühere Testament vom 20. 2. 1987 habe daher seine Gültigkeit behalten; der Kläger sei auf Grund dieses Testaments zum Alleinerben berufen. Dass der Kläger innerhalb der im Verlassenschaftsverfahren gesetzten Frist die Erbrechtsklage nicht eingebracht habe, bedeute keinen stillschweigenden Verzicht auf sein Erbrecht. Das Begehren der Erbschaftsklage als Universalklage habe grundsätzlich auf Abtretung bzw Herausgabe der Verlassenschaft zu lauten. Ein Zahlungsbegehren sei nicht zulässig. Nur dann, wenn der Nachlass nur aus Geld bestehe, laufe das Herausgabebegehren auf ein Zahlungsbegehren hinaus. Es sei nicht behauptet worden, dass auch die im Nachlass enthaltenen Fahrnisse, nämlich Wohnungseinrichtung und Kleidung, von der Beklagten veräußert worden seien. Es liege daher kein ausschließlich in Geld bestehender Nachlass vor, weshalb es dem Kläger im Sinne der zitierten Rechtsprechung verwehrt sei, einen Zahlungsanspruch zu erheben. Es habe daher der Leistungsbefehl (Geldzahlung) im Spruch des Urteils des Erstgerichts zu entfallen.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision nicht zu. Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richten sich die außerordentlichen Revisionen beider Streitteile.

Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil im Sinne einer Klagsabweisung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Oberste Gerichtshof hat der Beklagten die Beantwortung der Revision des Klägers, nicht jedoch dem Kläger die Beantwortung der Revision der Beklagten freigestellt.

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, die Revision der Beklagten zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben. Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision des Klägers nicht Folge zu geben; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO unzulässig. Die Revision des Klägers ist wegen auffallender Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht zulässig und berechtigt.

1.) Zur Revision der Beklagten:

Die Revisionswerberin vertritt die Auffassung, die Stattgebung hinsichtlich des Herausgabebegehrens sei verfehlt, weil der Erbschaftskläger nicht jenen Teil des Nachlasses abgetreten verlangen könne, den es im Nachlass gar nicht mehr gebe.

Nach ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung geht der Anspruch des Erbschaftsklägers nicht bloß auf Herausgabe der vom Erbschaftsbesitz aus der Erbschaft ursprünglich erlangten Gegenstände, sondern erfasst jeden Erwerb, der mit Erbschaftsmitteln gemacht wurde, so auch den Kaufpreis aus der Veräußerung von Nachlassgegenständen oder den Eingang aus der Eintreibung von Nachlassforderungen (RIS-Justiz RS0013133; zuletzt 3 Ob 219/05k). Nach dieser Rechtsprechung steht somit dem allgemein gehaltenen Klagebegehren auf Abtretung des Nachlasses nicht entgegen, dass einzelne Stücke des Nachlasses dort nicht mehr vorhanden sind. Soweit sich die Revisionswerberin gegen den Entfall des in Geld bestehenden Leistungsbefehls im Urteil des Berufungsgerichts wendet, ist ihr zu entgegnen, dass darin allenfalls ein Minus gegenüber dem Klagebegehren und somit keinesfalls - wie behauptet - ein Verstoß gegen § 405 ZPO vorliegen könnte. Im Übrigen ist die Beklagte durch den Entfall des Geldleistungsbefehls nicht beschwert. Soweit die Revisionswerberin releviert, das Berufungsgericht sei nicht auf die Mängelrüge in der Berufung betreffend die Aufwendungen der Beklagten hinsichtlich des Nachlasses eingegangen, ist der Revisionswerberin zu entgegnen, dass sie eine derartige Mängelrüge in der Berufung nicht erhoben hat und sie in erster Instanz kein Vorbringen über die nunmehr in der Revision behaupteten Aufwendungen erstattet hat.

Die übrigen weitwendigen Ausführungen über das Sachverständigengutachten Dris. G***** sowie über das lucidum intervallum stellen einen unzulässigen Versuch dar, die nicht revisible Beweiswürdigung und die darauf fußenden Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen zu bekämpfen. Nach ständiger Rechtsprechung ist das Urteil des Berufungsgerichts nur dann mangelhaft, wenn sich das Berufungsgericht mit der Beweisfrage überhaupt nicht befasst hat (RIS-Justiz RS0043371). Davon kann hier nicht die Rede sein, hat sich doch das Berufungsgericht auf zweieinhalb Seiten mit der Beweiswürdigung des Erstgerichts befasst. Mangels einer von der Beklagten aufgezeigten Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO war ihre Revision daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Revisionsbeantwortung des Klägers gründet sich auf § 508a Abs 2 zweiter Satz ZPO iVm § 41 ZPO.

2.) Zur Revision des Klägers:

Der Revisionswerber zeigt in der Rechtsrüge zutreffend auf, dass das Berufungsgericht dadurch, dass es den Leistungsausspruch in Geld entfallen lassen hat, gegen die oberstgerichtliche Judikatur entschieden hat. Nach oberstgerichtlicher Rechtsprechung tritt der Wertersatz an die Stelle der Rückgabe der Sache, wenn die Sache veräußert, verbraucht oder in einer Weise benützt wurde, dass die Rückgabe der Sache tatsächlich oder wirtschaftlich unmöglich geworden ist (RIS-Justiz RS0019977). Nach der Entscheidung 3 Ob 219/05k (= RIS-Justiz RS0019977 [T2]) kann der im Erbschaftsstreit obsiegende wirkliche Erbe als Eigentümer zufolge § 1041 ABGB seinen Verwendungsanspruch, der ergänzende, nicht subsidiäre Funktion hat, geltend machen, weil seine Sache zum Nutzen eines anderen verwendet wurde, wie etwa im Fall vorangegangener Veräußerung von Nachlassgegenständen (vgl 6 Ob 646/93; 1 Ob 511/92 = SZ 65/5). Die Revision verweist darauf, die Beklagte habe das Klagsvorbringen, die Beklagte habe die Eigentumswohnung verkauft und das bewegliche Vermögen aus dem Nachlass in ihr Vermögen übernommen und damit bereits „vermischt", nicht bestritten. Ob im Sinne des Revisionswerbers dieses Vorbringen gemäß § 267 ZPO als zugestanden anzusehen ist (vgl RIS-Justiz RS0039927; RS0039941), kann dahingestellt bleiben. Die Beklagte hat nämlich - worauf der Revisionswerber schon in seiner Berufungsbeantwortung hingewiesen hat

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