OGH 7Ob231/07g

OGH7Ob231/07g23.1.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Angela L*****, vertreten durch Dr. Werner Masser und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Wulf Kern, Rechtsanwalt in Wien, wegen 2.487,48 EUR sA und Räumung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 14. März 2007, GZ 39 R 48/07h‑13, womit das Teilzwischenurteil des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 13. Dezember 2006, GZ 10 C 752/06k‑9, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Teilurteil des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass das Teilzwischenurteil des Erstgerichts mit der Maßgabe wiederhergestellt wird, dass es zu lauten hat:

Das Zahlungsbegehren besteht dem Grunde nach zu Recht.

Die Kostenentscheidung hinsichtlich aller drei Instanzen bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Entscheidungsgründe:

Die Alleingesellschafterin der Beklagten ist auch deren Geschäftsführerin. Die Beklagte ist Mieterin eines Geschäftslokals, die Klägerin Vermieterin. Die Beklagte betreibt im Bestandobjekt ein Cafe mit Barkonzession. Sie verfügt noch über zwei weitere Lokale. Sie arbeitet mit je zwei angestellten Kellnerinnen. Die Geschäftsführerin der Beklagten erledigt für die Unternehmen selbst alle Einkäufe, liefert diese aus, kontrolliert die Kellnerinnen und macht die Abrechnungen. Der Tagesablauf der Geschäftsführerin der Beklagten, die die Mutter zweier Kinder (dreizehn und sechzehn Jahre) ist, gestaltete sich bis zur Verpachtung des Unternehmens meist so, dass sie ihre Kinder zu Mittag nach der Schule versorgte, bevor sie die drei Lokale in wechselnder Reihenfolge aufsuchte. Wenn es keine Probleme gab, endete ihre Tätigkeit zwischen 22.00 und 24.00 Uhr. Am nächsten Tag stand sie mit ihren Kindern gegen 7.00 Uhr auf. Wenn mehr zu tun war, kam sie erst frühmorgens nach Hause. Im letzten Jahr konnte die Geschäftsführerin der Beklagten diese hohe Arbeitsbelastung nicht mehr bewältigen, weil sich gesundheitliche Probleme (vor allem Wechselbeschwerden) einstellten. Darüber hinaus befanden sich die Kinder in der Pubertät und benötigten wesentlich mehr Zeit als bisher. Dies ließ sich nicht mehr mit dem bisherigen Arbeitsrhythmus vereinbaren. Ein Verkauf eines oder mehrerer der Unternehmen ist der Beklagten nicht gelungen.

Am 1. 2. 2006 schloss die Beklagte einen auf zwei Jahre befristeten Pachtvertrag, den sie der Klägerin anzeigte. Die Geschäftsführerin der Beklagten hoffte, dass nach Ablauf der zwei Jahre ihre Kinder dem problematischen Alter entwachsen sein würden und sie gesundheitlich wieder in der Lage sein werde, die Lokale wie bisher zu führen. Die Klägerin hob den Nettohauptmietzins nach § 12a Abs 5 MRG an. Die Beklagte bezahlte den Mietzins nur in der bisherigen Höhe, nicht jedoch den Erhöhungsbetrag.

Die Klägerin begehrt den aushaftenden Mietzins und die Räumung des Geschäftslokals. Der nach § 12a MRG erhöhte Mietzins sei angemessen. Die Ausnahmebestimmung des § 12a Abs 6 MRG sei nicht auf juristische Personen anzuwenden.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Die Unternehmensverpachtung sei aus gesundheitlichen und privaten Problemen notwendig geworden und auf weniger als fünf Jahre erfolgt. Der Beklagten komme daher die Ausnahmebestimmung des § 12a Abs 6 MRG zugute. Im Übrigen sei der angehobene Mietzins nicht angemessen. Im Fall eines Mietzinsrückstands liege kein grobes Verschulden der Beklagten vor, weil sie den bisher vorgeschriebenen Mietzins immer pünktlich bezahlt habe.

Das Erstgericht sprach in der als Zwischenurteil bezeichneten Entscheidung (richtig: Teilzwischenurteil) aus, dass die Klägerin dem Grunde nach berechtigt sei, den zum Stichtag 2/06 nach § 16 Abs 1 MRG zulässigen angemessenen Hauptmietzins zu verlangen. § 12a Abs 6 MRG sei nicht auf juristische Personen anzuwenden. Eine Gesellschaft könne nicht aus „persönlichen" Gründen an der Unternehmensführung gehindert sein, weil sie stets die Möglichkeit habe, natürliche Personen anzustellen und mit der Unternehmensführung zu betrauen. Die gesundheitlichen und familiären Probleme der Geschäftsführerin der Beklagten stünden der Anhebungsmöglichkeit der Klägerin nach § 12a Abs 5 MRG nicht entgegen.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil im Sinn eines Teilurteils dahingehend ab, dass es das Zahlungsbegehren abwies. Bei einer Ein‑Mann‑GmbH bestehe eine eindeutige wirtschaftliche Identität zwischen der Gesellschaft und der dahinterstehenden natürlichen Person, die auch die einzige Geschäftsführerin sei, sodass es gerechtfertigt sei, wichtige, in deren Person liegende Gründe für die vorübergehende Verpachtung analog § 12a Abs 6 MRG zu berücksichtigen. Gehe die Gesellschaft wirtschaftlich unter, weil die einzige Gesellschafterin und Geschäftsführerin nicht mehr in der Lage sei, die erforderlichen Arbeitsleistungen zu erbringen, so verliere diese Person ihre wirtschaftliche Grundlage nicht anders als eine natürliche Person, die einen Betrieb im eigenen Namen führe. Auch eine natürliche Person könne darauf verwiesen werden, zusätzliche Dienstnehmer einzustellen. Die Geschäftsführerin der Beklagten sei aus gesundheitlichen und familiären Gründen vorübergehend nicht mehr in der Lage, die mit ihrem persönlichen Einsatz bei der Führung eines Cafes mit Barkonzession verbundene hohe, bis in die Nachtstunden dauernde Arbeitsbelastung zu bewältigen. Die Beklagte könne auch die Kosten der Anstellung einer zusätzlichen Hilfskraft wirtschaftlich nicht verkraften. Es liege also ein wichtiger Grund im Sinn des § 12a Abs 6 MRG vor, sodass für die zwei Jahre befristete Verpachtung die Anhebung des Hauptmietzinses auszusetzen sei.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob wichtige Gründe für die Verpachtung nach § 12a Abs 6 MRG nur natürliche Personen oder auch juristische Personen betreffen könnten, fehle.

Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin mit einem Abänderungsantrag, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, sie ist auch berechtigt.

Nach § 12a Abs 5 MRG kann der Vermieter ab dem der Verpachtung des Unternehmens folgenden Zinstermin für die Dauer der Verpachtung die Anhebung des Hauptmietzinses bis zu dem nach § 16 Abs 1 MRG zulässigen angemessenen Hauptmietzins verlangen. Wird das im Mietgegenstand betriebene Unternehmen vom Hauptmieter aus wichtigen, in seiner Person gelegenen Gründen, wie insbesondere Krankheit, für einen Zeitraum von insgesamt höchstens fünf Jahren verpachtet, so findet eine Anhebung des Hauptmietzinses nach Abs 5 für diesen Zeitraum nicht statt (§ 12a Abs 6 MRG).

Die Erläuternden Bemerkungen (1268 BlgNR XVIII. GP) geben keinen Aufschluss zu der hier zu beantwortenden Frage, ob die Ausnahmebestimmung des § 12a Abs 6 MRG nur auf natürliche Personen oder auch auf juristische Personen als Mieter Anwendung finden soll.

In seiner Entscheidung 5 Ob 310/98v hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass die Ausnahmebestimmung nach § 12a Abs 6 MRG im Zweifel einschränkend auszulegen sei. Eine Aufschiebung der Anhebung komme dann nicht in Betracht, wenn von vornherein eine länger als fünf Jahre dauernde Behinderung (insbesondere aus Altersgründen) feststehe. Jede andere Sicht käme einem Freibrief einer fünfjährigen Verpachtung ohne Mietzinsanhebung nahe, weil in den meisten Fällen wichtige persönliche Gründe des bisherigen Unternehmensbetreibers zur Verpachtung führten. Dies entspreche ganz ausdrücklich dem in § 12a Abs 5 MRG erkennbaren Regelungszweck, dass nämlich die Verpachtung an sich einen Grund zur Mietzinsanhebung bilden solle.

Auer/Böhm in Schwimann, Praxiskommentar³ § 12a MRG Rz 117, vertreten die Ansicht, dass § 12 Abs 6 MRG nur auf natürliche Personen als Hauptmieter anwendbar sei.

Geht man vom Wortlaut der eng auszulegenden Ausnahmebestimmung des § 12a Abs 6 MRG aus, so kommt sie eindeutig nur natürlichen Personen zu Gute. Die Hinderungsgründe müssen nämlich in der Person des Hauptmieters liegen und werden beispielsweise mit „Krankheit" bezeichnet. Differenzierungen zwischen natürlichen und juristischen Personen sind dem § 12a MRG ja nicht fremd, wie sich etwa aus der zu § 12a Abs 4 MRG ergangenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 5 Ob 323/98f ergibt. Dort wurde dargelegt, dass diese Bestimmung eindeutig auf die Rechtsnachfolge in die Unternehmer- und Mieterstellung einer natürlichen Person zugeschnitten sei und dass vom Gesetzgeber die Differenzierung zwischen natürlichen und juristischen Personen in § 12a MRG verschiedentlich gewollt sei.

Um eine analoge Anwendung zu erwägen, müsste das Gesetz nach seiner eigenen Absicht und Teleologie ergänzungsbedürftig sein, ohne dass dieser Ergänzung eine vom Gesetz gewollte Beschränkung widerspricht (5 Ob 42/98g, 5 Ob 323/98f). Es muss also eine planwidrige Gesetzeslücke erkannt werden. Eine solche für eine analoge Anwendung des § 12a Abs 6 MRG auf juristische Personen notwendige planwidrige Gesetzeslücke liegt nicht vor. Nach der grundsätzlichen Regel des § 12a Abs 5 MRG berechtigt die Verpachtung eines Unternehmens den Vermieter zur Anhebung des Mietzinses. Lediglich die natürliche Person, die ansonsten ihr Einkommen verlieren könnte, soll für einen bestimmten Zeitraum durch die Möglichkeit der Verpachtung ohne Mietzinsanhebung wegen besonderer Umstände geschützt sein. Auch wenn bei einer Ein‑Mann‑GmbH durch den Ausfall des alleinigen Gesellschafter‑Geschäftsführers wirtschaftliche Probleme entstehen können, ist dennoch die wirtschaftliche Situation zwischen einem Einzelunternehmer und einer Gesellschaft schon wegen der gesetzlich geforderten Grundausstattung an Kapital nicht vergleichbar. Es ist daher das Teilzwischenurteil des Erstgerichts, mit dem das Zahlungsbegehren dem Grunde nach als zu Recht bestehend erkannt wurde, mit der aus dem Spruch ersichtlichen Maßgabe wiederherzustellen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf §§ 392 Abs 2, 393 Abs 4 iVm § 52 Abs 2 ZPO.

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