Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Die Antragstellerin ist Mieterin des Geschäftslokals top Nr 2/VI in der S*****gasse ***** in ***** W*****. Sie betrieb im Geschäftslokal ein Bonbon-Geschäft. Der monatliche Nettohauptmietzins betrug für das 16 m**2 große Geschäftslokal zuletzt S 922,05. Am 1. 2. 1995 verpachtete sie ihr Unternehmen befristet bis zum 31. 12. 1999. Sie war damals nahezu 90 Jahre alt, krank und nicht mehr in der Lage, das Unternehmen selbst fortzuführen. Dazu wird sie auch nie mehr in der Lage sein.
Die Antragsgegnerin ist Eigentümerin des Hauses S*****gasse ***** in ***** W*****.
Mit Schreiben vom 9. 2. 1995 hob die Antragsgegnerin gegenüber der Antragstellerin infolge der Verpachtung des im Geschäftslokal betriebenen Unternehmens den Hauptmietzins ab 1. 3. 1995 auf monatlich netto S 11.200 an, was einem Quadratmeterpreis von S 700 monatlich entspricht.
Mit ihrem ursprünglich an die Schlichtungsstelle für den 1. Bezirk gerichteten Antrag brachte die Antragstellerin vor, sie beabsichtige, ihr in den Bestandräumlichkeiten betriebenes Unternehmen zu verpachten, die Antragsgegnerin habe ihr für diesen Fall einen Hauptmietzins von S 700 pro m**2 in Aussicht gestellt. Ein solcher Hauptmietzins sei unter Berücksichtigung der Art der im Mietgegenstand betriebenen Geschäftstätigkeit (Bonbon-Verkaufsgeschäft) nicht angemessen. Sie beantragte daher, den nach § 12a Abs 5 MRG zulässigen Hauptmietzins im Falle einer Verpachtung nach § 12a Abs 8 MRG zu bestimmen.
In der mündlichen Verhandlung vor der Schlichtungsstelle am 7. 10. 1996 brachte sie vor, sie habe am 1. 2. 1995 einen Pachtvertrag bis 31. 12. 1999 abgeschlossen. Sie sei 90 Jahre alt, krank und nicht mehr in der Lage das Unternehmen selbst zu führen. Ihr komme daher die Ausnahmebestimmung des § 12a Abs 6 MRG zugute. Sie beantragte daher, festzustellen, daß die Anhebung des Hauptmietzinses unzulässig sei und auf S 922,05 (bisheriger Mietzins) reduziert werde.
Die Schlichtungsstelle traf keine Entscheidung. Die Antragsgegnerin zog das Verfahren zu Gericht ab.
In der mündlichen Verhandlung vom 30. 6. 1997 vor dem Erstgericht wiederholte die Antragstellerin ihren vor der Schlichtungsstelle modifizierten Antrag vom 17. 10. 1996. Dann brachte sie vor:
Beantragt werde daher nicht mehr wie ursprünglich die Festsetzung des angemessenen Hauptmietzinses für den Fall der Verpachtung gemäß § 12a Abs 8 MRG, sondern bereits die konkrete Überprüfung der von der Antragsgegnerin vorgenommenen erhöhten Vorschreibung aufgrund der Verpachtung durch die Antragstellerin per 1. 2. 1995. Eine solche Anhebung sei infolge der Bestimmung des § 12a Abs 6 MRG unzulässig.
Die Antragsgegnerin wendete sich gegen eine Stattgebung des Antrags und verwies darauf, daß der Tatbestand des § 12a Abs 6 MRG nicht zur Anwendung komme, weil es sich um keine vorübergehende Unmöglichkeit beim Hauptmieter handle, sein Unternehmen selbst zu betreiben. Fest stehe vielmehr, daß die Antragstellerin nie mehr in der Lage sein werde, das Unternehmen im Bestandgegenstand zu betreiben.
Zuletzt stellte die Antragstellerin den Zwischenantrag auf Feststellung darüber, ob eine Mietzinsanhebung im Hinblick auf § 12a Abs 6 MRG zulässig sei oder nicht, weil die Entscheidung darüber für den verfahrensgegenständlichen Antrag präjudiziell sei.
Das Erstgericht wies daraufhin mit Zwischensachbeschluß den Zwischenfeststellungsantrag, daß eine Mietzinsanhebung ab 1. 3. 1995 gemäß § 12a Abs 6 MRG dem Grunde nach unzulässig sei, ab. Zwar finde sich im Wortlaut des § 12a Abs 6 MRG kein unmittelbarer Hinweis darauf, daß die Behinderung des Hauptmieters, sein Unternehmen selbst weiterzuführen nur vorübergehend sein dürfe, doch erlaube der Zweck der Ausnahmeregelung keine andere Auslegung. Das Erstgericht schloß sich der von Würth in Miet- und Wohnrecht20 Rz 24 zu § 12a MRG vertretenen Ansicht an, daß dann, wenn von vornherein eine längerdauernde Behinderung feststehe, insbesondere aus Altersgründen, eine Aufschiebung des Erhöhungsanspruchs des Vermieters nicht in Betracht komme. § 12a Abs 6 MRG stelle nur eine vorübergehende Ausnahme des Rechtes auf Anhebung des Mietzinses dar und habe eine nur vorübergehende Verhinderung des Hauptmieters zur Voraussetzung.
Der zum Stichtag 1. 2. 1995 für das Bestandobjekt der Antragstellerin angemessene Hauptmietzins müsse allerdings noch durch ein Sachverständigengutachten geklärt werden. Die Voraussetzungen für die Fassung eines Zwischensachbeschlusses nach § 37 Abs 3 Z 13 MRG lägen vor.
Dem dagegen von der Antragstellerin erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge. Die in § 12a Abs 6 MRG normierte Ausnahme von der Anhebung des Hauptmietzinses wegen Verpachtung müsse als Durchbrechung der Bemühungen des Gesetzgebers, Altmietzinse auf das neu zulässige Niveau zu bringen, im Zweifel einschränkend ausgelegt werden (Würth/Zingher, WohnR 94 Anm 14 zu § 12a MRG). Tragender Gedanke des Rechts des Vermieters auf Mietzinserhöhung sei der Übergang von der kriegs- und nachkriegsbedingten Wohnungs- und Geschäftsraumbewirtschaftung zu einer marktwirtschaftlichen Ordnung des Mietwesens. In bestehende Vertragsverhältnisse werde jedoch nur eingegriffen, wenn die Person des bisherigen Mieters mit demjenigen, der das Unternehmen in den gemieteten Räumen nunmehr auf seine Rechnung betreibe, nicht mehr identisch sei, sodaß der ursprüngliche Mieter kein existenzielles schützenswertes eigenes Unternehmensinteresse an der Beibehaltung des niedrigen Mietzinses habe. In all diesen Fällen würde der günstige Mietzins nur noch zu Lasten des Vermieters verwertet werden, weshalb in diesen Fällen die Anhebung auf einen angemessenen Mietzins gerechtfertigt sei (Reich-Rohrwig, ecolex spezial 20 f mwN; 68). Die Anhebung des Mietzinses setze demnach die Gefahr voraus, daß das Mietrecht zu Lasten des Vermieters wirtschaftlich verwertet und damit ausgenützt werde (JBl 1994, 556; Novotny, Geschäftsraummiete und Gesamtrechtsnachfolge, RdW 1994, 166).
Vor diesem Hintergrund sei die Regelung des § 12a Abs 6 MRG zu verstehen. Diese Bestimmung normiere eine (vorübergehende) Ausnahme vom Recht des Vermieters zur Anhebung des Mietzinses. Wenn der Mieter das im Mietgegenstand betriebene Unternehmen aus wichtigen in seiner Person gelegenen Gründen vorübergehend nicht mehr selbst betreiben könne und daher verpachten müsse, werde die Mietzinsanhebung bis zum Wegfall des Hindernisses - insgesamt aber höchstens fünf Jahre - aufgeschoben. Stehe von vornherein eine längere oder ständige Dauer der Behinderung fest (insbesondere aus Altersgründen), komme hingegen eine Aufschiebung nicht in Betracht (Würth/Zingher Miet- und Wohnrecht20 Rz 24 zu § 12a MRG). Damit seien im konkreten Fall, wo feststehe, daß die Antragstellerin altersbedingt nie mehr in der Lage sein werde, das Unternehmen selbst zu betreiben, die Voraussetzungen für die Anwendung des § 12a Abs 6 MRG nicht gegeben. Schon aus dem vom Gesetz formulierten Beispiel einer Behinderung, nämlich Krankheit, somit einer vorübergehenden Behinderung, lasse sich der Gesetzeszweck, der eine einschränkende Interpretation indiziere, schließen.
Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 130.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Ob eine dauernde Behinderung des Mieters die Anwendung des § 12a Abs 6 MRG ausschließe, sei durch höchstgerichtliche Rechtsprechung nicht geklärt.
Gegen diesen "Zwischensachbeschluß" richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin. Sie verweist darauf, daß die Bestimmung des § 12a Abs 6 MRG den Begriff "vorübergehend" nicht beinhalte, sodaß eine wörtliche Auslegung dieser Bestimmung gegen die von den Vorinstanzen vertretene Rechtsauffassung spreche. Zweck der Bestimmung sei ausdrücklich eine Berücksichtigung subjektiver, in der Person des Mieters gelegener Umstände, wie etwa Krankheit, womit die beabsichtigte Begünstigung des Pächters (gemeint wohl des Verpächters) zum Ausdruck gebracht werde. Im Zweifel seien Regelungen zugunsten des Mieters stets als zwingend anzusehen. Aus der Systematik des Gesetzes ergebe sich auch, daß in anderen Bereichen persönliche Umstände des Mieters Berücksichtigung fänden, wie etwa in den §§ 12, 13, 30 Abs 2 Z 5, 6, 7 (Urlaub, Krankheit, Kuraufenthalt), 31, 46a Abs 3 MRG. Das Gesetz kenne daher ausdrücklich zwei Gruppen von Mietern, nämlich Begünstigte und Nichtbegünstigte aufgrund sozialer Erwägungen. Diese Umstände seien von den Vorinstanzen nicht richtig gewürdigt worden. Die von den Vorinstanzen gewählte Auslegung des § 12a Abs 6 MRG mache die Frage der Anwendbarkeit dieser Bestimmung von einer ärztlichen Zukunftsprognose, nicht aber von einer feststehenden Tatsache abhängig. In der Regel seien Feststellungen einer zukünftigen gesundheitlichen Verfassung auch nicht prognostizierbar. Es sei auch nicht einzusehen, weshalb die Antragstellerin, die aus Alters- und Gesundheitsgründen das Unternehmen nicht mehr selbst betreiben könne, nicht in den vom Gesetzgeber gewollten Schutz solcher begünstigter Personen fallen solle, sondern mit der vollen Härte der Mietzinserhöhung belastet werde. Mit einer solchen Auslegung werde klar gegen die Absicht des Gesetzes verstoßen.
Die Tendenz der Gesetzgebung, die beschränkten Mietzinse den Marktgesetzen anzugleichen, gehe dahin, dieses Ziel schrittweise in 15 Jahren zu erreichen. Daher habe der begünstigte Vermieter diese Abwicklungszeit in Kauf zu nehmen.
Auch eine Güterabwägung schlage zugunsten der Antragstellerin aus, weil ein derartiger Eingriff in bestehende Verträge für sie eine Existenzgefährdung bedeuten würde. Ein Mietzins von monatlich S
11.800 zuzüglich Nebengebühren sei für ein Süßwarengeschäft nicht tragbar.
Die Antragsgegnerin beantragte, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Eine isolierte Betrachtung des § 12a Abs 6 MRG sei nicht zulässig, weil der Gesetzgeber mit der Bestimmung des § 12a Abs 5 MRG klar zum Ausdruck gebracht habe, daß auch bei Verpachtungen ein marktkonformer, angemessener Mietzins zu bezahlen sei. Unter diesem Aspekt stelle der Abs 6 des § 12a MRG nur eine Schutzbestimmung desjenigen Mieters dar, der vorübergehend verhindert sei, seinen Geschäftsbetrieb weiterzuführen. Diese Ausnahmebestimmung habe nur echte Notfälle im Auge, bei deren Eintritt eine Anhebung der Bestandzinse verhindert werden solle.
Die Revisionsgegnerin beantragte daher, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus den vom Gericht zweiter Instanz angeführten Gründen zulässig, erst ist jedoch nicht berechtigt.
Zunächst ist festzuhalten, daß die Antragstellerin ungeachtet der Vorschrift des § 39 MRG ihren vor der Schlichtungsstelle am 17. 10. 1996 dahin modifizierten Antrag, festzustellen, daß die Anhebung des Hauptmietzinses durch die Antragsgegnerin unzulässig sei, vor Gericht unzulässigerweise um ein Begehren auf Überprüfung der Höhe des ihr vorgeschriebenen Hauptmietzinses erweitert hat.
Daraus ergibt sich, daß durch die "Zwischensachbeschlüsse" der Vorinstanzen ohnedies über das gesamte zulässige Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin abgesprochen wurde, sodaß für die Fassung von Zwischenentscheidungen kein Raum mehr blieb.
In der Sache selbst ist allein strittig, ob die Antragstellerin die Mietzinserhöhung mit dem Argument abwehren kann, die von ihr aus wichtigen, in ihrer Person gelegenen Gründen für einen Zeitraum von insgesamt höchstens 5 Jahren vorgenommene Verpachtung mache die Mietzinsanhebung durch die Antragsgegnerin infolge der Bestimmungen des § 12a Abs 6 MRG unzulässig, obwohl feststehe, daß es sich bei den wichtigen, in ihrer Person gelegenen Gründen nicht um bloß vorübergehende handle.
Zur Auslegung der Ausnahmebestimmung des § 12a Abs 6 MRG teilt der erkennende Senat die Rechtsmeinung des Rekursgerichtes und die hiefür ins Treffen geführten Argumente, die durch die Rechtsmittelausführungen nicht stichhältig widerlegt werden. Zwar trifft es zu, daß der Begriff "vorübergehend" sich im Gesetzestext der in ihrer Anwendbarkeit in Frage stehenden Vorschrift nicht findet, doch ergibt nicht nur die wörtliche Auslegung, sondern auch die systematische Einordnung dieser Ausnahmebestimmung in der Regelung des § 12a MRG eindeutig, daß die Einschränkung der Möglichkeit der für Unternehmensverpachtungen grundsätzlich zulässigen Mietzinserhöhung im Fall einer Verpachtung für höchstens 5 Jahre nur unter der weiteren Einschränkung zum Tragen kommt, daß auch diese wichtigen Gründe für die Verpachtung den kurzen Zeitraum der Verpachtung indizieren. Schon die Wortfolge: "Aus wichtigen Gründen für einen Zeitraum von höchstens 5 Jahren verpachtet ...." läßt entgegen der Ansicht der Revisionsrekurswerberin nur den Schluß zu, daß die wichtigen Gründe die vorübergehende Verpachtung indizieren müssen, damit also selbst "vorübergehend" beschaffen sein müssen. Zu folgen ist also der von Würth in Miet- und Wohnrecht20 Rz 24 zu § 12a MRG dargestellten Rechtsansicht, daß die Mietzinsanhebung bis zum Wegfall des Hindernisses aufgeschoben wird, wenn der Mieter das im Mietgegenstand betriebene Unternehmen aus wichtigen in seiner Person gelegenen Gründen vorübergehend nicht mehr selbst betreiben kann und daher verpachten muß, daß aber dann, wenn von vornherein eine längere Dauer der Behinderung (insbesondere aus Altersgründen) feststeht, eine Aufschiebung der Anhebung nicht in Betracht kommt. Jede andere Sicht käme einem Freibrief einer fünfjährigen Verpachtung ohne Mietzinsanhebung nahe, weil in den meisten Fällen wichtige persönliche Gründe des bisherigen Unternehmensbetreibers zur Verpachtung führen. Dies entspricht ganz ausdrücklich nicht dem in § 12a Abs 5 MRG dargestellten Regelungszweck, daß nämlich die Verpachtung an sich einen Grund zur Mietzinsanhebung bildet.
Entgegen der Ansicht der Revisionsrekurswerberin ist die getroffene Auslegung auch keineswegs unbillig, führt doch die dauernde Unmöglichkeit, das Unternehmen selbst zu betreiben ohnedies zu dessen Einstellung oder aber zum Verkauf.
Steht also fest, daß ein Mieter das bisher im Mietobjekt betriebene Unternehmen künftig nicht mehr weiterführen wird und kommt es deshalb zur Verpachtung dieses Unternehmens, ist damit der Anhebungstatbestand des § 12a Abs 5 MRG verwirklicht, ohne daß es auf in der Person des Mieters gelegene Gründe für die Verpachtung ankäme. Vom Schutzzweck der Norm des § 12a Abs 6 MRG ist nicht umfaßt, daß der Mieter diesfalls noch durch bis zu 5 Jahre hindurch berechtigt sein sollte, Vorteile aus dem bisherigen niedrigen Hauptmietzins zum Nachteil des Vermieters zu ziehen.
Dem unberechtigten Revisionsrekurs war der Erfolg zu versagen.
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