OGH 8Ob124/07d

OGH8Ob124/07d17.12.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Langer als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Kuras und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig als weitere Richter, in der Rechtssache der klagenden Partei ***** Gebietskrankenkasse, *****, vertreten durch Preslmayr Rechtsanwälte OEG in Wien, gegen die beklagte Partei Mag. Johanna Abel-Winkler als Masseverwalter über die Verlassenschaft nach Gerhard W*****, vertreten durch Abel & Abel Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung (EUR 101.163,32), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 26. Juli 2007, GZ 3 R 50/07f-14, mit dem das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 6. März 2007, GZ 21 Cg 113/06p-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 1.929,78 (darin EUR 321,63 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 16. 8. 2005 verstorbene Gerhard W***** war vom 6. 10. 1987 bis zum 5. 10. 2000 und ab 29. 7. 2004 (wieder) handelsrechtlicher Geschäftsführer der A***** Handels-GmbH (im Folgenden: Handelsgesellschaft). Ab 4. 10. 2000 war Gerhard W***** Prokurist der Gesellschaft. Vom 4. 10. 2000 bis 6. 8. 2004 war seine Tochter Nicole als handelsrechtliche Geschäftsführerin der Handelsgesellschaft im Firmenbuch eingetragen. Mit Beschluss des Landesgerichtes Korneuburg vom 10. 8. 2004 wurde über das Vermögen der Handelsgesellschaft das Konkursverfahren eröffnet. Alleinige Gesellschafterin war die Gerhard W***** GmbH (in der Folge: GmbH). Von der Gründung bis Juli 2000 war Gerhard W***** deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer. Danach war er bis Juli 2004 Minderheitsgesellschafter mit 45 % der Gesellschaftsanteile; seine Tochter Nicole hielt 55 % der Anteile und war vom 8. 7. 2000 bis 21. 7. 2004 als handelsrechtliche Geschäftsführerin im Firmenbuch eingetragen. Auch über das Vermögen der GmbH wurde zwischenzeitig das Konkursverfahren eröffnet.

Gerhard W***** übte auch in der Zeit vom 4. 10. 2000 bis 29. 7. 2004 faktisch die Geschäftsführung der Handelsgesellschaft aus. Seine Tochter Nicole war in der Zeit, in der sie als handelsrechtliche Geschäftsführerin im Firmenbuch eingetragen war, teilweise in Karenz. Soweit sie tatsächlich im Unternehmen tätig war, übte sie lediglich untergeordnete Tätigkeiten aus. Alle wirtschaftlich maßgeblichen Entscheidungen traf ihr Vater Gerhard W*****, der auch gegenüber Behörden und im Konkursverfahren immer im Namen der Handelsgesellschaft auftrat. Auch die an die Klägerin vom Zeitraum 28. 12. 2001 bis 10. 2. 2004 gerichteten Schreiben waren von Gerhard W***** und nicht von der Geschäftsführerin unterzeichnet. In der GmbH war Nicole W***** als Bürokraft angestellt und bezog dafür ein Gehalt. Sie übte ausschließlich Schreib- und Büroarbeiten nach Anweisung ihres Vaters aus. Tätigkeiten als Geschäftsführerin übte sie nicht aus, sie erteilte auch keine Weisungen als Gesellschafterin an die Geschäftsführung. Die Übernahme der Geschäftsanteile an der GmbH durch sie erfolgte derart, dass Nicole W***** die entsprechenden Notariatsakte bei der Notarin unterschrieb, und ihr Gerhard W***** erklärte, dass dies so in Ordnung gehe und sie damit sowieso nichts zu tun habe, weil er alles erledigen werde. Nicole W***** stellte keine Nachforschungen hinsichtlich der finanziellen Situation an. Sie hatte vielmehr den Eindruck, dass es dem Unternehmen gut gehe, weil Gerhard W***** ihr diesen Eindruck vermittelte. Nicole W***** sah keinen Anlass und kam auch gar nicht auf die Idee, einen Konkursantrag zu stellen.

Die Handelsgesellschaft war spätestens Ende 2003 zahlungsunfähig.

Die Klägerin hat gegen die Handelsgesellschaft eine Beitragsforderung in Höhe von EUR 346.878,85, die sie - bis auf einen Teilbetrag von EUR 16.846,30 - im Konkursverfahren der Handelsgesellschaft angemeldet hat und die vom Masseverwalter zur Gänze anerkannt wurde. Von dieser Forderung entfällt ein Teilbetrag von EUR 101.163,32 auf die Beitragsmonate März, April, Mai (Nachtrag) und Juni (regulär und Nachtrag) 2004.

Die Klägerin hat im Konkursverfahren über das Vermögen der Verlassenschaft nach Gerhard W***** nachträglich eine Forderung in Höhe von EUR 354.369,66 angemeldet.

Die Klägerin begehrt im Konkurs der Verlassenschaft nach Gerhard W***** die Feststellung einer Konkursforderung von EUR 101.163,32. Nicole W***** habe ihre Gesellschaftsanteile an der Gerhard W***** GmbH nur treuhändig für ihren Vater gehalten und ihre Gesellschafterrechte niemals aktiv ausgeübt. Sowohl auf Grund seiner Stellung als faktischer Geschäftsführer als auch als faktischer Alleingesellschafter habe Gerhard W***** im Hinblick auf die Einhaltung der Gläubigerschutzbestimmungen eine Garantenpflicht getroffen. Er habe seinen Einfluss und seine Gesellschafterstellung dazu genützt, seine nur formell als Geschäftsführerin eingetragene Tochter von der Stellung eines rechtzeitigen Antrages auf Eröffnung des Konkursverfahrens abzuhalten. Er selbst habe auch die schlechte wirtschaftliche Lage des Unternehmens verursacht. Es treffe ihn daher die Haftung wegen Konkursverschleppung nach § 69 KO.

Die Beklagte beantragte Klagsabweisung. Der Kreis der zur Stellung eines Antrages auf Konkurseröffnung verpflichteten Personen sei in § 69 Abs 3 KO abschließend geregelt. Bei juristischen Personen treffe eine solche Pflicht nur deren organschaftliche Vertreter. Bloßen Gesellschaftern oder faktischen Geschäftsführern komme kein Recht zur Stellung eines Konkursantrages zu. Eine Haftung des Gerhard W***** nach § 69 Abs 2 KO komme daher nicht in Betracht. Hinweise darauf, dass Nicole W***** ihre Geschäftsanteile lediglich als „Strohfrau" treuhändig für ihren Vater gehalten habe, lägen nicht vor. Als handelsrechtliche Geschäftsführerin wäre Nicole W***** verpflichtet gewesen, sich regelmäßig über die finanzielle Lage des Unternehmens zu informieren und allenfalls auf eine Konkursantragstellung hinzuwirken.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Das Berufungsgericht bestätigte über Berufung der Beklagten das Ersturteil und ließ die ordentliche Revision zu.

Seine rechtliche Beurteilung lässt sich wie folgt zusammenfassen: Bei einer juristischen Person seien gemäß § 69 Abs 3 KO primär deren organschaftlicher Vertreter, somit bei einer GmbH gemäß § 18 GmbHG die Geschäftsführer Adressaten der Konkursantragspflicht. Nicht antragspflichtig - und auch nicht zur Antragstellung berechtigt - seien hingegen wirksam abberufene oder zurückgetretene Geschäftsführer sowie die Gesellschafter einer GmbH und faktische Geschäftsführer. Allerdings könnten auch Personen, die an sich zur Stellung eines Antrages auf Konkurseröffnung nicht verpflichtet seien, nach § 69 Abs 2 zur Haftung für bestimmte Verhaltensweisen, die eine Konkursverschleppung (mit-)bewirken oder veranlassen, herangezogen werden. Der Oberste Gerichtshof habe die Haftung eines faktischen Geschäftsführers, der als Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung gegen die Stellung eines Antrages auf Konkurseröffnung gestimmt habe, bejaht. Eine sogenannte Durchgriffshaftung auf Gesellschafter einer GmbH werde in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung ganz allgemein dann angenommen, wenn die Gesellschafter als faktische Geschäftsführer auftreten und maßgeblichen Einfluss auf die Leitung der Gesellschaft nehmen und dabei diese oder deren Gläubiger schädigen. Der Grundgedanke der „Durchgriffshaftung" liege darin, dass sich niemand der Rechtsform einer juristischen Person zu dem Zweck bedienen dürfe, Dritte zu schädigen oder Gesetze zu umgehen (3 Ob 75/06k; 2 Ob 308/02m). In der Lehre werde die Haftung des GmbH-Gesellschafters für Schäden durch Konkursverschleppung unter bestimmten Voraussetzungen bejaht. Auch die deutsche Rechtsprechung und Lehre zu § 64 dGmbHG, der die Insolvenzantragspflicht bei einer zahlungsunfähigen GmbH regle, bejahe seit längerer Zeit die Haftung des faktischen Geschäftsführers (das ist derjenige, der - mag er Gesellschafter der GmbH sein oder nicht - die Geschäfte der Gesellschaft wie ein Geschäftsführer tatsächlich führt, ohne dass er zum Geschäftsführer bestellt ist) für die aus unterlassener Insolvenzantragstellung entstandenen Schäden. Wer aktiv an der Geschäftsführung teilnehme und mit dem Einverständnis der (Mit-)Gesellschafter nach innen und außen für die Gesellschaft tätig werde, könne sich nicht in der Krise der Gesellschaft auf die fehlende Bestellung zum Geschäftsführer berufen, sondern hafte - neben seiner strafrechtlichen Verantwortlichkeit - auch zivilrechtlich. Wende man diese Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt an, sei die Haftung des Gerhard W***** für den der Klägerin entstandenen Schaden zu bejahen. Im Zeitpunkt Ende Februar 2004, zu dem nach den Feststellungen spätestens der Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Handelsgesellschaft hätte gestellt werden müssen, sei der Verstorbene im Firmenbuch als Prokurist eingetragen und gleichzeitig Minderheitsgesellschafter der Gerhard W***** GmbH als der alleinigen Gesellschafterin der Handelsgesellschaft gewesen. Seine Tochter sei zu diesem Zeitpunkt handelsrechtliche Geschäftsführerin und Mehrheitsgesellschafterin der Handelsgesellschaft sowie alleinige Geschäftsführerin der GmbH gewesen. Allerdings habe sie auf die Geschäftsführung weder Einfluss gehabt noch diese ausgeübt. Auch in die finanzielle Situation der Gesellschaft habe sie keinen Einblick gehabt, vielmehr sei ihr diese von ihrem Vater, der die Geschäfte der Handelsgesellschaft allein geführt, sämtliche wirtschaftliche Entscheidungen allein getroffen habe und nach außen als deren Vertreter aufgetreten sei, wahrheitswidrig als gut dargestellt worden. Die Übernahme ihrer Geschäftsanteile an der GmbH habe er seiner Tochter als bloße Formalität dargestellt und ihr mitgeteilt, dass sie sich um nichts zu kümmern haben werde. Gerhard W***** sei somit der „faktische" Geschäftsführer der Handelsgesellschaft gewesen, der sich - ohne formell dazu bestellt zu sein - anstelle seiner bloß als Scheingeschäftsführerin vorgeschobenen, tatsächlich mit der Geschäftsführung gar nicht befassten und gar nicht entscheidungsfähigen Tochter - als Geschäftsführer der Gesellschaft geriert und deren Geschäfte tatsächlich (allein) geführt habe. In dieser Stellung habe ihn die Pflicht getroffen, seine Tochter einerseits über die wahren finanziellen Verhältnisse der Handelsgesellschaft aufzuklären, andererseits aber auch dahingehend auf sie einzuwirken, spätestens Ende Februar 2004 den Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens zu stellen. Die Unterlassung dieses Verhaltens führe zu seiner Haftung gemäß § 69 KO iVm §§ 1295, 1311 ABGB für den der Klägerin durch die verspätete Antragstellung unstrittig entstandenen Schaden in Höhe der Klagsforderung. Die ordentliche Revision sei zuzulassen, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Durchgriffshaftung des Gesellschafters und faktischen Geschäftsführers einer GmbH nach § 69 Abs 2 KO soweit überblickbar fehle.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig. Sie ist aber nicht berechtigt.

Das Berufungsgericht hat die Haftung des de facto Geschäftsführers im vorliegenden Fall zutreffend bejaht, sodass es ausreicht, auf die diesbezüglichen Rechtsausführungen zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO). Ergänzend ist dem Rechtsmittel der Beklagten Folgendes zu entgegnen:

Die Rechtsmittelwerberin bekämpft die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes im Wesentlichen mit dem Argument, dass die vom Berufungsgericht als Anspruchsgrundlage herangezogene Durchgriffshaftung vorliegend nicht anwendbar sei. Aus der bisherigen Judikatur sei abzuleiten, dass bei der Durchgriffshaftung kein neuer Anspruch entstehe, sondern durch teleologische Reduktion des § 61 Abs 2 GmbHG der Anspruch gegen die Gesellschaft lediglich unmittelbar gegen Gesellschafter durchsetzbar werde. Werde eine Haftung kraft eigener Schuld geltend gemacht, bedürfe es eines Durchgriffes nicht; abgesehen davon liege auch keine der von Lehre und Rechtsprechung entwickelten Fallgruppen vor, die bloß in Extremfällen zu treffende Einzelfallentscheidungen begründen. Weiters sei darauf hinzuweisen, dass die Anwendung der Durchgriffshaftung bereits daran scheitere, dass diese nur zur Innenhaftung des faktischen Geschäftsführers gegenüber der Gesellschaft führe. Letztlich komme eine Durchgriffshaftung ohne Gesellschafterstellung des Verstorbenen nicht in Betracht, da dieser nicht Gesellschafter der Handelsgesellschaft gewesen sei.

Diese Argumentation überzeugt nicht. Wenn auch das Berufungsgericht den Begriff der „Durchgriffshaftung" verwendet, beschränkt es sich in seinen Rechtsausführungen keinesfalls darauf als mögliche Haftungsgrundlage, sondern beschäftigt sich in erster Linie mit der, in der österreichischen und deutschen Lehre ausführlich behandelten, Problematik der Haftung eines „faktischen Geschäftsführers" wegen Konkursverschleppung.

Das Berufungsgericht hat auch zutreffend darauf hingewiesen, dass nach § 69 Abs 2 KO bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Konkurseröffnung diese ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber 60 Tage nach dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit zu beantragen ist. Nach Abs 3 leg cit trifft die Verpflichtung bei juristischen Personen deren organschaftliche Vertreter, im Fall der Gesellschaft mit beschränkter Haftung also deren handelsrechtliche Geschäftsführer. Nicht zur Konkursantragstellung berechtigt und verpflichtet sind Prokuristen, Handlungsbevollmächtigte und Aufsichtsratsmitglieder (Schumacher in Bartsch/Pollak/Buchegger, InsR4 II/2 § 69 Rz 42; Dellinger in Konecny/Schubert § 69 KO Rz 40 f mwN). Ebenso sind die Gesellschafter einer GmbH als solche weder berechtigt noch verpflichtet, den Konkursantrag namens der GmbH zu stellen (Dellinger aaO; 6 Ob 629/92). Der Oberste Gerichtshof (ecolex 1998, 327) hat bereits einmal die Verpflichtung auch des de facto Geschäftsführers zur Konkursantragstellung bejaht. Diese Entscheidung ist allerdings in der Lehre auf Kritik gestoßen (Luschin, RdW 2000/2).

Ungeachtet dessen wurde in der neueren Lehre - die vom Berufungsgericht ausführlich dargestellt wurde - unter bestimmten Voraussetzungen eine Haftung des faktischen Geschäftsführers für Insolvenzverschleppung bejaht. Schumacher (aaO Rz 183 mwN) definiert die faktischen Geschäftsführer als Personen, die das Unternehmen tatsächlich leiten, ohne wirksam zum Geschäftsführer bestellt zu sein. Häufig handle es sich um den Mehrheits- oder Alleingesellschafter, der die Geschäfte tatsächlich leite, sodass der formell bestellte Geschäftsführer „nichts mehr zu sagen habe". Es seien aber auch Nichtgesellschafter in der Stellung des faktischen Geschäftsführers beobachtbar. Häufig übten ehemalige Gemeinschuldner oder Geschäftsführer gemeinschuldnerischer Gesellschaften die faktische Geschäftsführung im Unternehmen der Gattin oder naher Verwandter aus. Aus der Teleologie des § 69 Abs 3 KO sei hier für eine Haftung des „Faktischen" eine Orientierung an der formellen Organfunktion zu fordern: Zunächst müsse der „Faktische" dauerhaft und ausgeprägt den Platz eines zum Insolvenzantrag legitimierten Organes einnehmen. Im Fall einer weitergehenden Verdrängung des bestellten Geschäftsführers von dessen Aufgaben werde dies regelmäßig zu bejahen sein. Dellinger (aaO Rz 114 mwN) lässt es für die Qualifikation als faktischer Geschäftsführer nicht genügen, wenn ein Gesellschafter häufig von seinem Weisungsrecht Gebrauch macht; vielmehr sei mit der deutschen Lehre zu fordern, dass der Betreffende nach dem Gesamterscheinungsbild seines Auftretens die Geschicke der Gesellschaft durch eigenes Handeln im Außenverhältnis maßgeblich in die Hand genommen habe, denn es sei das Handeln im Außenverhältnis, welches die Tätigkeit des rechtlichen Gechäftsführungsorganes nachhaltig präge. Habe der faktische Geschäftsführer den formell bestellten Geschäftsführer entscheidungsunfähig gemacht, sei er schon unter dem Gesichtspunkt der Ingerenz auch bei der Insolvenzantragstellung zur aktiven Einwirkung verpflichtet. Auch Schumacher (aaO) zieht als mögliche Haftungsgrundlage für den de facto Geschäftsführer die Verletzung einer Handlungspflicht aus Ingerenz heran. Das zum Handeln verpflichtende Verhalten könne bei ausgeprägt faktischer Geschäftsführung in der dauernden Vornahme der gesetzlich dem Geschäftsführer vorbehaltenen Agenden erblickt werden. Hiedurch werde der tatsächliche Geschäftsführer von der Wahrnehmung seiner die Gläubiger schützenden Verpflichtungen abgehalten oder mehr oder weniger verdrängt. Die fehlende oder eingeschränkte Wahrnehmbarkeit der Bestimmung des § 69 Abs 2 KO durch das an sich zuständige Organ führe zu einer Gefahrenlage für Gläubiger und die Gesellschaft, die der „Faktische" durch entsprechendes Hinwirken auf die Stellung des Insolvenzantrages zu neutralisieren habe. Die Haftung des „Faktischen" sei auch dann zu bejahen, wenn er im Fall einer eingetretenen und für ihn feststellbaren Insolvenz nicht auf die Insolvenzantragstellung durch das formell zuständige Organ hinwirke. (Nur) in den Fällen, in denen ein Gesellschafter als faktischer Geschäftsführer im aufgezeigten Sinn tätig werde, sei er ausnahmsweise zu einer aktiven Einwirkung auf die formellen Geschäftsführer verpflichtet (Rz 185 mwN). Koppensteiner/Rüffler bejahen nunmehr in der dritten Auflage des Kommentars zum GmbHG unter Hinweis auf die vorzitierten Autoren die Haftung eines faktischen Geschäftsführers als Mittäter (§ 1301 ABGB), wenn der „echte" Geschäftsführer bloß als Strohmann fungiert (§ 25 Rz 35 mwN).

Auch Derntl (Schadenersatzansprüche von Sozialversicherungsträgern bei Insolvenzverschleppung gemäß § 69 KO, in SozSi 2004, 62) bejaht im Hinblick auf die freiwillige Übernahme der Position des für die Geschäftsgebarung der GmbH verantwortlichen „Steuermanns" unter Hinweis auf die Garantenstellung einen Anknüpfungspunkt zur eigenen Haftung der faktischen Geschäftsführer.

Diesen Lehrmeinungen schließt sich - ebenso wie das Berufungsgericht - auch der erkennende Senat grundsätzlich an. Eine abschließende Beurteilung, ab welcher Intensität der „Anmaßung von Geschäftsführerbefugnissen" eine (Mit-)Haftung des faktischen Geschäftsführers in Frage kommt, erübrigt sich hier angesichts des geradezu beispielhaften Sachverhalts. Ausgehend von den Feststellungen hat bereits das Erstgericht zutreffend die Auffassung vertreten, dass die Übertragung der Gesellschaftsanteile der GmbH an die Tochter des in der Folge verstorbenen Gerhard W***** nur pro-forma erfolgte und diese lediglich als „Strohfrau" ihre Funktion als im Handelsregister eingetragene handelsgerichtliche Geschäftsführerin beider Gesellschaften bekleidete, während Gerhard W***** faktisch ausschließlich die Geschäfte führte. Vorliegend ist davon auszugehen, dass die von Gerhard W***** gewählte Konstruktion lediglich der Vermeidung seiner persönlichen Haftung als Geschäftsführer dienen sollte. Die von der Lehre angestellten Überlegungen zur Haftung des faktischen Geschäftsführers aus freiwilliger Pflichtenübernahme bzw Ingerenz und Garantenstellung sind daher hier jedenfalls anwendbar. In diesem Zusammenhang ist auch die Zwischenschaltung einer GmbH als einzige Gesellschafterin der gemeinschuldnerischen Handelsgesellschaft unerheblich, ergibt sich doch aus dem Sachverhalt eindeutig, dass Gerhard W***** die Geschicke beider Gesellschaften „im Alleingang" lenkte.

Letztlich versagt auch der Einwand der Rechtsmittelwerberin, dass die „Durchgriffshaftung" keinen unmittelbaren Anspruch des Gläubigers gegen den Gesellschafter ermögliche. Abgesehen davon, dass vorliegend nicht die „klassische" Durchgriffshaftung zur Beurteilung steht, handelt es sich nach herrschender Auffassung bei § 69 KO um ein Schutzgesetz zu Gunsten der Gesellschaftsgläubiger (Schumacher aaO Rz 107 ff; ecolex 1998, 327; SZ 60/179; Koppensteiner/Rüffler aaO Rn 35 mwN).

Das Begehren der klagenden Partei auf Feststellung der - der Höhe nach im Revisionsverfahren nicht strittigen - Forderung im Konkurs der Verlassenschaft nach Gerhard W***** erweist sich somit im Sinn der Entscheidung der Vorinstanzen als berechtigt.

Der Revision ist daher der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf 41, 50 ZPO.

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