OGH 2Ob234/07m

OGH2Ob234/07m17.12.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Danzl, Dr. Veith, Dr. Grohmann und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. August Willibald D*****, vertreten durch Dr. Georg Pertl, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei Elisabeth H*****, vertreten durch Dr. Manfred Angerer, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen EUR 5.550,-- sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgericht vom 4. Juli 2007, GZ 2 R 151/07v-25, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Villach vom 16. Februar 2007, GZ 3 C 11/06m-21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Ehe der Streitteile wurde 1996 geschieden. Ihr entstammen sechs Kinder, und zwar fünf Söhne (geboren am 7. 4. 1982, 4. 3. 1983, 20. 5. 1984, 17. 8. 1986 und 10. 9. 1988) sowie eine Tochter (geboren am 10. 6. 1992). Die Obsorge über die Söhne wurde dem Vater übertragen, jene über die Tochter der Mutter (Beschluss 1 P 2413/95v-51 des Bezirksgerichtes Klagenfurt).

Im nachehelichen Aufteilungsverfahren zu 1 F 19/97t des Bezirksgerichtes Klagenfurt schlossen die jeweils anwaltlich vertretenen Streitteile am 6. 3. 1998 einen Vergleich, in dessen Punkt 2. sie Folgendes vereinbarten:

„2.a) Die Parteien verzichten wechselseitig auf die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen aus der Vergangenheit und für die Zukunft für die in ihrer Obsorge stehenden Kinder bis zur Erreichung der Volljährigkeit der jeweiligen Kinder und halten den anderen Teil diesbezüglich schad- und klaglos.

b) Die Antragstellerin verpflichtet sich, das laufende Exekutionsverfahren 7 E 269/97f des Bezirksgerichtes Klagenfurt, welches für rückständige Unterhaltsansprüche bewilligt wurde, einzustellen."

Bereits mit Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt vom 19. 6. 1997, 4 R 279/97i, war der Kläger zu Unterhaltszahlungen für seine mj Tochter in Höhe von S 2.000,-- (EUR 145,35) verpflichtet worden. Über Antrag der Beklagten als Mutter vom 21. 12. 2004 wurde er mit Beschluss des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 25. 4. 2005 in Abänderung der bisherigen Unterhaltsverpflichtung zur Leistung eines Unterhaltes von monatlich EUR 370,-- ab 1. 9. 2004 längstens bis zum Eintritt der Selbsterhaltungsfähigkeit der Minderjährigen rechtskräftig verpflichtet. Auf Grund dieser Entscheidung führte die Tochter zur Hereinbringung eines Unterhaltsrückstandes von EUR 5.550,-- sA (dem nunmehrigen Klagsbetrag) Fahrnis- und Gehaltsexekution gegen ihren Vater.

Mit der am 27. 12. 2005 eingebrachten Klage begehrt der Kläger aufgrund des Vergleiches vom 6. 3. 1998 die Schad- und Klagloshaltung durch die Beklagte im Umfang dieses in Exekution gezogenen Betrages, wobei er sich die Ausdehnung sowie Neueinklagung für die auch laufenden ebenfalls im Exekutionswege erbrachten Unterhaltszahlungen vorbehalte.

Die (im ersten Rechtsgang nicht durch einen Rechtsanwalt vertretene) Beklagte wendete im Wesentlichen ein, dass die Vereinbarung zu 1 F 19/97t des Bezirksgerichtes Klagenfurt nicht pflegschaftsgerichtlich genehmigt worden und damit ungültig sei. Sie könne bei ihrem geringen Eigeneinkommen dem Unterhaltsanspruch der mj Tochter nicht gerecht werden, deren Gesamtunterhalt sonst gefährdet wäre. Mit Urteil vom 2. 5. 2006 erkannte das Erstgericht im Sinne des Klagebegehrens. Nach Aufhebungs- und Zurückverweisungsbeschluss des Berufungsgerichtes vom 21. 9. 2006, 2 R 217/06y-15, brachte die nunmehr anwaltlich vertretene Beklagte (zusammengefasst) weiter vor, sie habe zwar im Sommer 1998 ihre Ausbildung zur Pflegehelferin beendet und ab 1. 10. 1998 eine Arbeitsstelle erhalten, welches Beschäftigungsverhältnis jedoch nur bis 28. 2. 2003 angedauert habe; die mit der Betreuung von alten, gebrechlichen, bettlägerigen Personen und mit dem Ableben von Menschen verbundenen Belastungen hätten bei ihr zu massiven körperlichen Beschwerden und Belastungserscheinungen geführt, welche sich durch relativ hohe Krankenstände geäußert hätten. Daraufhin sei sie ein Jahr arbeitslos gewesen. Seit 16. 2. 2004 sei sie wiederum in einem Beschäftigungsverhältnis in einer Fachschule für Sozialberufe, sodass sie nunmehr wiederum ein Einkommen erziele, das in etwa jenem im Pflegeheim entspreche. Daneben sei sie auch als Vortragende tätig. 2004 habe sie insgesamt EUR 4.670,-- und 2005 insgesamt EUR 13.350,-- netto ins Verdienen gebracht, 2006 im Durchschnitt EUR 900,-- pro Monat.

Auf Grund eines Unterhaltsfestsetzungsbeschlusses des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 30. 3. 2005, 2 Fam 6/05x, sei sie verpflichtet, dem zweitältesten Sohn Peter (geboren am 4. 3. 1983), der in Graz studiere, ab 1. 3. 2005 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von EUR 150,-- zu zahlen, welchem sie zuvor bereits freiwillig monatlich EUR 70,-- gezahlt habe, außerdem einmal im Jahr die Studiengebühr von EUR 380,--, was zu einer monatlichen Belastung von EUR 32,-- führe. Dem jüngsten Sohn Pascal (geboren am 10. 9. 1988) der eine HTL besuche, überweise sie - weil die finanziellen Zuwendungen durch den Kläger nur gering ausfielen - monatlich EUR 60,--; im August 2006 habe er bei ihr gewohnt und habe sie in diesem Zeitraum alle Anschaffungen (Kleider) und Aufwendungen für ihn allein getragen. Die Tochter Anna sei seit dem Jahreswechsel 2001/2002 durchgehend in kieferorthopädischer Behandlung, wofür sie bisher EUR 3.002,26 bezahlt habe; lediglich im November 2002 habe der Kläger einen Zuschuss von EUR 120,-- bezahlt. Für Flötenunterricht fielen jährlich weitere EUR 182,-- an, für ein Sommerferienlager EUR 370,--. Sie bewohne über Zuweisung des Sozialamtes eine Wohnung, für welche monatlich an Miete und Betriebskosten EUR 498,-- sowie Stromkosten von EUR 50,-- zu bezahlen seien.

Bei Abschluss der Vereinbarung vom 6. 3. 1998 sei sie davon ausgegangen, sie werde durch ihre vor dem unmittelbaren Abschluss stehende Ausbildung auch auf Grund der damals sehr positiven Berufsaussichten für Pflegehelferinnen in wenigen Jahren ein angemessen hohes Einkommen erzielen, um sämtlichen Unterhaltsverpflichtungen selbst nachkommen zu können, und sie habe deshalb vorerst die (alleinige) Unterhaltsverpflichtung für die in ihrer Obsorge stehende Tochter übernommen. Solche Vereinbarungen unterlägen jedoch der Umstandsklausel, die auch seinerzeit nicht ausgeschlossen worden sei, weshalb zukünftige Veränderungen zu berücksichtigen seien. Die Aufnahme der Schad- und Klagloshaltung könne nicht als Zustimmung zu einem Leben unter dem Existenzminimum gesehen werden, zumal die Beklagte bei Abschluss dieser Unterhaltsvereinbarung die tatsächliche Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt und die tatsächlich dann bezahlten Gehälter ebenso wenig habe berücksichtigen können wie die immense körperliche und psychische Belastung des Pflegeberufes. Für sie sei damals nicht abschätzbar gewesen, dass sich ihre Einkommensverhältnisse so unbefriedigend entwickeln würden. Da sie derzeit durchschnittlich EUR 900,-- bis EUR 1.000,-- ins Verdienen bringe, würde eine Schad- und Klagloshaltung des Klägers auf Grund des Vergleiches zu einer massiven Beeinträchtigung nicht nur der Unterhaltssituation der Familie führen, sondern würde auch das Wohl der mj Tochter gefährdet. Selbst unter Berücksichtigung nur der von der Beklagten gegenüber ihren Söhnen übernommenen Zahlungsverpflichtungen stünde der Beklagten und der mj Anna weit weniger Geld zur Verfügung, als es dem Existenzminimum entsprechen würde. Die mj Anna habe gegenüber dem Vater das unabdingbare Recht auf einen solchen Gesamtunterhaltsbeitrag, der den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Klägers als Vater entspreche. Zur Leistung eines derartigen Betrages sei die Beklagte auf Grund der dargestellten Tatsache auch bei größtem Bemühen nicht in der Lage. Auf der anderen Seite bringe der Kläger als pragmatisierter Lehrer im Jahresdurchschnitt EUR 3.167,-- monatlich ins Verdienen, aus welchem Einkommen Unterhaltspflichten für zwei Kinder aus einer vom Kläger in der Zwischenzeit eingegangenen Ehe sowie eine Geldunterhaltsverpflichtung für den Sohn Peter zu bestreiten seien. Die zwischen den Streitteilen in der Unterhaltsvereinbarung vereinbarte Verpflichtung zur Schad- und Klagloshaltung im Falle der Inanspruchnahme von Unterhaltsansprüchen minderjähriger ehelicher Kinder setze voraus, dass der jeweilige obsorgeberechtigte Elternteil wirtschaftlich auch in der Lage sei, diesem Kind denjenigen Unterhalt zukommen zu lassen, der dem Geldunterhaltsanspruch dieses Kindes gegenüber dem Nicht-Obsorgeberechtigten zustehe. Der Geldunterhaltsanspruch der Tochter mj Anna ergebe sich aus dem Beschluss des Erstgerichtes vom 25. 4. 2005 zu 3 P 269/04f. Würde die Beklagte bei ihrer dargestellten Einkommenssituation und unter Berücksichtigung ihrer Aufwendungen dazu verpflichtet werden, den sich aus den Einkommensverhältnissen des Vaters ergebenden Unterhaltsanspruch für die Tochter de facto selbst zu bezahlen, würde dies bedeuten, dass sie dann zu höheren Zahlungen verpflichtet wäre, als sie überhaupt ins Verdienen bringe. Die Konsequenz wäre, dass das Kindeswohl der mj Anna massiv gefährdet wäre.

Die Erwartungen der Beklagten bei der Vereinbarung vom 6. 3. 1998 über ihr zukünftiges Einkommen seien nicht eingetreten. Da sich somit die wesentlichen Umstände geändert hätten, sei die Vereinbarung den geänderten Verhältnissen anzupassen. Diese Anpassung könne nur so erfolgen, dass der mj Anna ihr Unterhaltsanspruch jedenfalls zuzufließen habe, dem Vater jedoch eine Schad- und Klagloshaltung gegenüber der Beklagten solange verwehrt sei, solange die Beklagte nicht ein solches Einkommen ins Verdienen bringe, das sowohl zur Deckung ihrer Lebensbedürfnisse als auch zur Deckung der Unterhaltsansprüche der Tochter ausreiche. Da diese Verhältnisse nicht gegeben seien, erweise sich Punkt 2.a) des Vergleiches vom 6. 3. 1998 als unzulässig, sittenwidrig und nichtig, weil im Fall der Zuhaltung dieser Bestimmung das Kindeswohl gefährdet würde. Der Kläger replizierte, der Einwand der Beklagten, der Vergleich vom 6. 3. 1998 sei sittenwidrig und würde der Umstandsklausel unterliegen, sei selbst sittenwidrig. Der Kläger habe in Entsprechung der zivilrechtlichen Vereinbarung für fünf eheliche Kinder alleine gesorgt und diese alleine erzogen. Der Kläger sei jetzt weiters unterhaltspflichtig für eine Ehegattin und zwei minderjährige aus dieser Ehe stammende Kinder im Alter von neun und vier Jahren. Der Kläger habe als Alleinverdiener für sieben Personen zu sorgen. Rechnerisch reiche sein Einkommen nicht aus, die monatlich damit verbundenen Belastungen abzudecken.

Mit dem Unterhaltsvergleich sei die Beklagte für die Unterhaltsleistung gegenüber ihren fünf ehelichen Söhnen entlastet und habe sich frei entscheiden können, in einem der von ihr erlernten Berufe zu arbeiten. Es gelte auch für die Beklagte die Anspannungstheorie und habe sie jede Arbeitsmöglichkeit, die am Arbeitsmarkt vorhanden sei, anzunehmen. Die Beklagte sei durchaus in der Lage, ein höheres als das von ihr zugestandene Einkommen zu erzielen und sei es gerichtsbekannt, dass vor allem im Pflegebereich ein Einkommen aus einer auch für die Beklagte zumutbaren Arbeit, sofern sie arbeitswillig sei, erzielt werden könne. Der Beklagten sei von Anfang an bewusst gewesen, dass sie für die mj Anna allein zu sorgen habe und allenfalls nach Eintritt der Großjährigkeit einer ihrer Söhne auch zu dessen Unterhalt beizutragen haben werde. Die Beklagte hätte sich darauf vorbereiten müssen. Sie sei tatsächlich arbeitsunwillig, jedoch in der Lage, am Arbeitsmarkt eine Arbeit anzunehmen, mit der sie ihren eigenen Unterhalt und auch den Unterhalt der Unterhaltsberechtigten bestreiten könne; dies zumindest betreffend die mj Anna in der Höhe, in welcher der Kläger derzeit für diese bezahle.

Auch im zweiten Rechtsgang erkannte das Erstgericht wiederum im Sinne des Klagebegehrens. Es stellte über den eingangs bereits wiedergegebenen (und so schon im ersten Rechtsgang festgestellten) Sachverhalt hinaus fest, dass die Beklagte eine Ausbildung in der Sonderfachschule II in Klagenfurt zur Ausbildung als Pflegehelferin begonnen und im Sommer 1998 beendet hat, sowie weiters, dass der Kläger „außer für die fünf ehelichen Söhne noch für zwei weitere seiner nunmehrigen Ehe entstammende Kinder im Alter von neun und vier Jahren zu sorgen hat und auch für seine nunmehrige Ehegattin unterhaltspflichtig ist".

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht (zusammenfassend) aus, die Beklagte habe eine sehr gute Ausbildung genossen. Die Vermittlungsmöglichkeiten am Arbeitsmarkt seien in rechtlicher Hinsicht nicht relevant, zumal es sich beim abgeschlossenen Vergleich um eine schuldrechtliche Vereinbarung zwischen den Eltern handle. Auf Grund der massiven Belastung des Vaters mit sieben Kindern und einer unterhaltsberechtigten Ehegattin sei daher, obwohl das Einkommen des Vaters bei weitem höher liege, die Berufung auf die Umstandsklausel sittenwidrig, dies umso mehr, als zum damaligen Zeitpunkt, als die Beklagte den Vergleich abgeschlossen habe, ihre Ausbildung noch nicht einmal abgeschlossen gewesen sei, das heißt, dass sie auch kein höheres Einkommen als letztendlich zum heutigen Tage erzielt habe. Insofern hätten sich die Umstände zum Vergleichsabschluss damals nicht geändert. Eine etwaige Erwartungshaltung bezüglich des Auffindens eines Jobs bzw die Entwicklung im Job könne wohl nur als Motivirrtum angesehen werden und könne nicht zu einer Beseitigung des Vergleiches führen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision gemäß § 502 Abs 1 ZPO zulässig sei. Es beurteilte die Rechtslage wie folgt:

Gemäß § 140 ABGB sei der klagende Vater grundsätzlich verpflichtet, für die in Pflege und Erziehung der Mutter, die dadurch ihren Unterhaltsbeitrag leiste, lebende Tochter Geldunterhalt zu bezahlen, andererseits aber auch die Beklagte für die in Pflege und Erziehung des Vaters befindlichen fünf Söhne. Zwar bedürften Unterhaltsvergleiche betreffend Minderjährige zu ihrer Gültigkeit und Rechtswirksamkeit als Exekutionstitel der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung, um dem mj Kind gegenüber Wirksamkeit zu erlangen, wobei das Kind an eine auch pflegschaftsgerichtlich genehmigte Vereinbarung seiner Eltern ab dem Zeitpunkt der Gefährdung des Kindeswohls nicht mehr gebunden sei. Eine vom Gesetz abweichende Vereinbarung der Eltern über die Tragung des Unterhalts für mj Kinder sei jedoch grundsätzlich zulässig, wobei die daraus resultierenden Rechtsbeziehungen der Kontrahenten zueinander von der Erteilung oder Versagung der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung nicht betroffen würden; ein Vertrag zwischen den Eltern berühre grundsätzlich nicht die Rechte des Kindes und bedürfe daher keiner pflegschaftsbehördlichen Genehmigung. Die Vereinbarung der Eltern über die Schad- und Klagloshaltung sei daher zwischen ihnen nicht schon deshalb unwirksam, weil der Vergleich nicht pflegschaftsbehördlich genehmigt worden sei. Solche Vereinbarungen würden auch von der Judikatur für zulässig und dem anderen Elternteil gegenüber wirksam erachtet, sofern nicht diese Vereinbarung in rechtlich geschützte Interessen mj Kinder eingreife. Nach dieser Rechtslage sei also eine strikte Trennung in der Beurteilung der Unterhaltsansprüche des Kindes gegen seine Eltern einerseits und der wechselseitigen Ansprüche der Eltern andererseits vorzunehmen und auch der Umstand zu beachten, dass der Anspruch auf Geldunterhalt ein Anspruch des Kindes und nicht der Mutter sei. Im vorliegenden Fall sei nun zu prüfen, ob die mj Anna durch die Vereinbarung der Schad- und Klagloshaltung zwischen den Parteien (bzw durch den Vollzug dieser Vereinbarung) in ihrem gesetzlichen Unterhalt gefährdet werde. Die mj Anna habe Anspruch auf Pflege und Erziehung, die ihr von der beklagten Mutter durch die Betreuung in ihrem Haushalt gemäß § 140 ABGB auch geleistet werde. Die Mutter erfülle ihre Unterhaltsverpflichtung also grundsätzlich bereits durch die Betreuung des Kindes. Weiters habe das Mädchen Anspruch auf Geldunterhalt gegen den nicht betreuenden Elternteil, also den klagenden Vater. Dieser Geldunterhalt sei mit Beschluss des Pflegschaftsgerichtes ab 1. 9. 2004 mit EUR 370,-- bemessen worden. Es sei unstrittig, dass der im vorliegenden Verfahren (im Regressweg) geltend gemachte Unterhaltsbetrag von EUR 5.550,-- vom Vater durch exekutive Einbringung bezahlt worden sei. Für die Zeit, in welcher der jetzt streitgegenständliche Unterhaltsrückstand anerlaufen sei, habe das Mädchen also letztlich alles erhalten, was ihr nach dem Gesetz an Unterhalt zustehe: Die Betreuungsleistung durch die Mutter und die Geldunterhaltsleistung durch den Vater. Um aber beurteilen zu können, ob der Vater den Unterhaltsbetrag von EUR 5.550,-- jetzt von der beklagten Mutter zurückfordern könne, sei zu prüfen, ob dadurch jetzt in die gesetzlich geschützten Interessen des Kindes eingegriffen würde, ob also die Tochter jetzt in ihrem Recht auf gesetzlichen Gesamtunterhalt gefährdet wäre.

Die Mutter wäre neben ihren Betreuungsleistungen nur dann ergänzend geldunterhaltspflichtig, wenn der Geldunterhalt des Vaters den Regelbedarf des Kindes nicht decken würde oder nicht (zur Gänze) hereingebracht werden könne. Der mit monatlich EUR 370,-- bemessene Geldunterhalt des Vaters liege über dem Regelbedarf der (zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung 14-jährigen) mj Anna, sodass das erstgenannte Kriterium für die ergänzende Geldunterhaltspflicht der Mutter nicht zum Tragen komme. Zur Frage, ob der laufende Geldunterhalt durch (exekutive) Hereinbringung in voller Höhe vom Vater gedeckt werde, liege weder eine eindeutige Behauptung noch eine Feststellung vor. Dies schade jedoch aus folgenden Gründen hier letztlich nicht:

Das Kind besitze in Form des Unterhaltsbemessungsbeschlusses einen vollstreckbaren Titel, auf Grund dessen bei Nichteinbringung des festgesetzten Betrages im Exekutionsweg Unterhaltsvorschüsse nach § 3 UVG beantragt werden könnten, sodass - ganz im Sinne des UVG - die Mutter von ihrer ergänzenden Geldunterhaltspflicht befreit wäre. Dem Kind komme daher immer alles zu, worauf es nach dem Unterhaltsrecht Anspruch habe, nämlich einerseits die Betreuungsleistungen der Mutter, andererseits den (notfalls im Wege von Unterhaltsvorschüssen hereingebrachten) Geldunterhalt, zu dessen Bezahlung der Vater verpflichtet sei. Wenn nun die Beklagte auf dem Standpunkt stehe, der Unterhaltsanspruch der Tochter wäre durch eine Rückzahlung des vom Vater geleisteten Unterhaltes gefährdet, so gehe sie offensichtlich davon aus, dass sie die Rückzahlungen (auch) unter Heranziehung der Unterhaltsleistungen für die mj Anna tätigen dürfte. Dies sei nicht der Fall: Der vom Vater geleistete Geldunterhalt stehe dem Kind, nicht der Mutter zu. Die Unterhaltszahlungen seien daher für das Kind zu verwenden und stünden rechtlich für die Rückzahlung nicht zur Verfügung. Würde der Kläger zur Hereinbringung des Regressbetrages Exekution führen, könnten auch nur das Einkommen und Vermögen der Beklagten, nicht jedoch die für das Mädchen gewidmeten Unterhaltszahlungen gepfändet und verwertet werden. Durch eine Rückzahlung könnte sich daher nur die finanzielle Lage der Mutter verschlechtern (worauf im Vertragsrecht bei einer bestehenden Zahlungsverpflichtung nicht Rücksicht zu nehmen sei); dem Kind komme weiter der volle Unterhalt zu, sodass seine Rechte und sein Wohl nicht beeinträchtigt würden. Es komme daher weder auf die Höhe des Einkommens der Eltern an noch auf die unterhaltsrechtliche Anspannung der Mutter. Auch die tatsächlichen weiteren Unterhaltspflichten des Vaters seien im vorliegenden Zusammenhang nicht von Relevanz. Die ordentliche Revision wurde für zulässig erklärt, weil - soweit überblickbar - eine Judikatur des Obersten Gerichtshofes zu den Fragen fehle, ob der Regelbedarfssatz den Maßstab dafür darstelle, dass der Anspruch des Kindes auf Geldunterhalt vollständig erfüllt werde; sowie weiters, ob die auf Grund eines Vergleiches dem geldunterhaltspflichtigen Vater gegenüber regresspflichtige Mutter als betreuender Elternteil eines unterhaltsberechtigten mj Kindes zur Hereinbringung des Geldunterhaltes auf das UVG verwiesen werden könne, damit der Gesamtunterhalt des Kindes sichergestellt sei bzw ob der regressberechtigte Vater die Anspannung der Mutter zur Erfüllung ihrer ergänzenden Geldunterhaltsverpflichtung geltend machen könne. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision der Beklagten mit dem Antrag, die bekämpfte Entscheidung aufzuheben und das Verfahren zur Ergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen; hilfsweise wird beantragt, in Abänderung der bekämpften Entscheidung das Klagebegehren abzuweisen.

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung primär die Zurückweisung des gegnerischen Rechtsmittels mangels Vorliegens der Zulassungsvoraussetzungen, in eventu diesem keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und im Sinne des gestellten Aufhebungsantrages (allerdings im Sinne der Rückverweisung an das Prozessgericht erster Instanz) berechtigt.

Dass den Kläger als (ehelicher) Vater seiner im Haushalt der Mutter (Beklagten) betreuten und versorgten mj Tochter eine Geldunterhaltspflicht trifft, ergibt sich aus dem Gesetz (§ 140 ABGB) iVm den hiezu bereits rechtskräftig ergangenen Unterhaltstitel-Entscheidungen im Pflegschaftsverfahren. Eine Regelung (zwischen den Eltern), wonach an die Stelle der primären Unterhaltspflicht eines Elternteils diese von einem Dritten oder dem anderen Elternteil getragen wird, bedarf nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (RIS-Justiz RS0047635; RS0047552) nur, um hinsichtlich des betroffenen mj Kindes Wirksamkeit zu erlangen, der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung (§ 154 Abs 3 ABGB); die aus der Vereinbarung resultierenden Rechtsbeziehungen der Kontrahenten zueinander - etwa (wie hier) in der Form der (wechselseitigen) Verpflichtung zur Schad- und Klagloshaltung samt wechselseitiger Erfüllungsübernahme für die auf beide Eltern aufgeteilten Kinder (ausführlich Neuhauser in Schwimann, ABGB3 § 140 Rz 4) - werden jedoch durch die Erteilung (oder Versagung) einer solchen pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung nicht betroffen (RIS-Justiz RS0047635). Solche Vereinbarungen können grundsätzlich formfrei (unter Umständen sogar schlüssig) getroffen werden (Neuhauser aaO). Die grundsätzliche Dispositionsfähigkeit der Eltern in der Gestaltung ihres internen Lastenausgleiches („Entlastungsvertrag": 1 Ob 571/95) ist jedoch eingeschränkt: Entsprechende Vereinbarungen sind (wegen Sittenwidrigkeit) nur insoweit wirksam, als sie nicht die Unterhaltsinteressen beeinträchtigen, darf doch eine solche Vereinbarung niemals zu Lasten des Kindes insoweit gehen, dass hiedurch der ihm gebührende Gesamtunterhalt geschmälert würde (2 Ob 538/93; 1 Ob 571/95 = SZ 68/146; 4 Ob 344/98m; RIS-Justiz RS0047513;

RS0047552; Purtscheller/Salzmann, Unterhaltsbemessung Rz 286;

Stabentheiner in Rummel ABGB3 § 140 Rz 15), insbesondere, wenn hiedurch die Unterhaltslast völlig einseitig einem Elternteil auferlegt wird (Hopf in KBB, ABGB2 § 140 Rz 21; vgl auch 10 Ob 501/94 = JBl 1995, 46). Ein Kind ist an eine selbst pflegschaftsbehördlich genehmigte Vereinbarung seiner Eltern über die Tragung seines Unterhaltes jedenfalls ab dem Zeitpunkt der Gefährdung des Kindeswohles, das ist der Zeitpunkt, ab dem der Gesamtunterhalt gefährdet oder geschmälert würde, nicht gebunden und kann von seinem nach dem Gesetz geldunterhaltspflichtigen Elternteil Unterhalt begehren (1 Ob 571/95; RIS-Justiz RS0079867). Die interne Abmachung der Eltern darf also den gesetzlichen Unterhaltsanspruch des Kindes nicht berühren (Neuhauser aaO); dieses kann vielmehr in einem solchen Fall jederzeit seinen gesetzlichen Unterhalt fordern (Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht3 99).

Ausgehend von dieser Rechtslage wurde für die mj Tochter der Streitteile im Pflegschaftsverfahren rechtskräftig ein Unterhaltserhöhungstitel gegen ihren Vater erwirkt, wobei es dahingestellt bleiben kann, ob es hiefür zufolge Interessenswiderspruches der die Unterhaltsvereinbarung mit dem Kläger schließenden Beklagten und gleichzeitig obsorgeberechtigten Mutter unter Umständen der Bestellung eines Kollisionskurators bedurft hätte.

Darüber hinaus ist jedoch - worauf in der Revision zutreffend hingewiesen wird - zu beachten, dass auch die „Entlastungsvereinbarung" der Streitteile der Umstandsklausel unterliegt, zumal zwischen ihnen auch nichts anderes hiezu vereinbart wurde (Neuhauser aaO § 140 Rz 8).

Die bisher getroffenen Feststellungen lassen weder eine Beurteilung der entscheidungswesentlichen Frage zu, ob die von den Eltern (ohne pflegschaftsgerichtliche Genehmigung) getroffene Unterhaltsregelung infolge Gefährdung des Kindeswohles tatsächlich dem unterhaltsberechtigten Kind gegenüber jemals wirksam geworden ist, noch wie sich die Unterhaltsbedürfnisse des betroffenen Kindes entwickelt haben. Zu diesen Punkten liegt keine ausreichende Sachverhaltsgrundlage vor, weshalb eine abschließende rechtliche Beurteilung nicht möglich ist. Das Erstgericht wird jene entsprechend zu verbreitern und dabei auch zu prüfen haben, ob sich die Beklagte auf Grund ihrer persönlichen Verhältnisse in derartigen finanziellen Engpässen befindet, dass hiedurch wirklich der gesamte (Natural- und Geld-)Unterhalt - gegenüber den seinerzeitigen Verhältnissen - derart geschmälert wurde, dass für den zwischen den Eltern vereinbarten internen Lastenausgleich die Grundlagen weggefallen sind. Die vom Erstgericht getroffene (und vom Berufungsgericht als ausreichend erachtete) Feststellung, die Beklagte habe eine Ausbildung in der Sonderfachschule Klagenfurt zur Pflegehelferin begonnen und im Sommer 1998 beendet, ist dafür nicht ausreichend, zumal die Beklagte hiezu auch in erster Instanz ein umfangreiches - jedoch von beiden Vorinstanzen unbeachtet gebliebenes - Sachvorbringen erstattet hatte. Auch die ebenfalls zu berücksichtigende Entwicklung der finanziellen Leistungsfähigkeit (einschließlich der durch seine zweite Eheschließung dazu gekommenen zusätzlichen Sorgepflichten) des Vaters wird chronologisch und betraglich detailliert(er) festzustellen sein. Die im Zulassungsausspruch des Berufungsgerichtes angeschnittene Bezugnahme auf das Unterhaltsvorschussrecht ist jedenfalls insoweit verfehlt, als derartige Vorschusszahlungen nicht zum „Finanzausgleich" zwischen den Eltern hinsichtlich der von ihnen getroffenen Entlastungsvereinbarung herangezogen werden können (s § 1 UVG, wonach der Bund Vorschüsse nach diesem Bundesgesetz „auf den gesetzlichen Unterhalt mj Kinder zu gewähren hat"). In Stattgebung der Revision der beklagten Partei waren daher die Urteile beider Vorinstanzen aufzuheben und war die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Prozessgericht erster Instanz zurückzuverweisen. Dieses wird dabei die vorstehenden rechtlichen Vorgaben (§ 511 Abs 1 ZPO) zu beachten haben. Der Kostenvorbehalt ist in § 52 Abs 1 ZPO begründet.

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