Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben.
Dem Erstgericht wird die Einleitung des gesetzmäßigen Verfahrens über den Sachantrag unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Die Kosten des Revisionsrekurses sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die Parteien sind Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ 735 GB ***** (Grundstücksadresse: *****).
Die Antragstellerin begehrt, „die monatliche Höhe der Rücklagen für die Liegenschaft *****, Grundbuch *****, EZ 735, wird, wie von den Miteigentümern der Liegenschaft am 27. 6. 2002 beschlossen, auf EUR 0,30/m2 festgesetzt". Die Antragstellerin brachte dazu vor, die Verwalterin der Liegenschaft habe den Miteigentümern mit Schreiben vom 22. 12. 2006 mitgeteilt, sie hebe ab 1. 1. 2007 die Rücklage für die gesamte Liegenschaft von derzeit monatlich 310,63 EUR auf nunmehr 9.000 EUR an. Dies sei eine Steigerung um 2.897 %. Die Höhe der Rücklage sei jedoch bereits mit rechtskräftigem Beschluss der Eigentümergemeinschaft vom 27. 6. 2002 mit 0,30 EUR pro m² festgesetzt worden. Die Verwalterin sei ab dem Zeitpunkt eines gültigen Beschlusses der Eigentümergemeinschaft nicht mehr befugt, die Höhe der Rücklagen eigenmächtig und willkürlich zu erhöhen. Das an die Verwalterin gerichtete Schreiben der Antragstellerin vom 29. 12. 2006 zwecks Korrektur der widerrechtlichen Rücklagenvorschreibung sei unbeantwortet geblieben. Der beantragte Sachbeschluss werde unabhängig davon, ob die Verwalterin durch ihre Vorgangsweise ihre Befugnis und Vollmacht überschritten habe, beantragt, um von dieser beabsichtigte „Verfahren" nach § 27 Abs 2 WEG 2002 hintanzuhalten. Das Erstgericht wies den Antrag mit der wesentlichen Begründung zurück, dass ein solcher im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren nicht vorgesehen sei, insbesondere kein Fall des § 30 Abs 1 Z 2 WEG 2002 vorliege.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin nicht Folge. § 30 Abs 1 Z 2 WEG 2002 regle das jedem Mit- und Wohnungseigentümer zustehende Recht, eine Rücklage im angemessenen Ausmaß festsetzen zu lassen bzw die Änderung (angemessene Erhöhung oder Verringerung) einer bereits beschlossenen Rücklage herbeizuführen. Die Antragstellerin mache aber mit ihrem Antrag nicht die Unangemessenheit einer von der Verwalterin zulässigerweise festgesetzten Rücklage geltend, sondern wende sich dagegen, dass diese widerrechtlich die von den Mit- und Wohnungseigentümern beschlossene Rücklage erhöht habe. Die Antragstellerin strebe mit ihrem Antrag nichts anderes an, als die Feststellung, dass der Beschluss der Wohnungseigentümer über die Rücklage maßgeblich sei, und nicht die abweichende Festsetzung durch die Verwalterin. Wenngleich die Verwalterin an einen von der Mehrheit der Mit- und Wohnungseigentümer gefassten, nicht offenbar gesetzwidrigen Beschluss gebunden sei, so berechtige doch deren widerrechtliches Abgehen von der beschlussmäßigen Festsetzung der Rücklagen nicht zu einer Antragstellung im Außerstreitverfahren. Die Feststellung, die Vorschreibung der Rücklage sei laut Beschluss der Eigentümergemeinschaft vorzunehmen, worauf das Begehren der Antragstellerin hinauslaufe, könne nur im streitigen Rechtsweg erfolgen. Da ein solches Begehren aber nicht gegen die übrigen Wohnungseigentümer, sondern gegen den sich nicht an den Beschluss haltenden Verwalter zu richten wäre, habe ein Auftrag an das Erstgericht, den Antrag als Klage zu werten und nach Durchführung eines Verbesserungsverfahrens meritorisch zu behandeln, zu unterbleiben. Dem unberechtigten Rekurs sei demnach ein Erfolg zu versagen.
Das Rekursgericht sprach aus, der (gemeint: ordentliche; § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG) Revisionsrekurs sei zulässig. Es fehle - soweit überblickbar - Rechtsprechung zur Frage, ob das unzulässige Abgehen des Verwalters von einem von der Mehrheit der Wohnungseigentümer gefassten Beschluss über die Rücklage im außerstreitigen oder im streitigen Verfahren geltend zu machen sei.
Gegen den Beschluss des Rekursgerichts richtet sich der ordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit den Anträgen, die Beschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht rückzuverweisen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt, weil die Vorinstanzen den Kompetenztatbestand des § 30 Abs 1 Z 2 2. Fall WEG 2002 und den Sachantrag der Antragstellerin unrichtig ausgelegt haben.
Die Antragstellerin macht in ihrem Revisionsrekurs zusammengefasst geltend, sie strebe im Ergebnis eine Reduktion bzw Anpassung der durch die Hausverwaltung vorgenommenen Rücklagendotierung auf jenes zulässige Maß an, wie es von der Eigentümergemeinschaft beschlossen worden sei. Gerade ein solche Antrag sei in § 30 Abs 1 Z 2 WEG 2002 vorgesehen, sei doch dort davon die Rede, dass ein festgelegter Beitrag zur Bildung der Rücklage angemessen erhöht oder gemindert werden könne. Durch den gegenüber § 13a Abs 1 Z 2 WEG 1975 erweiterten Wortlaut der Norm habe nach den Mat (EBzRV 989 BlgNR 21. GP 69 f) klargestellt werden sollen, dass das Überprüfungsrecht nach § 30 Abs 1 Z 2 2. Fall WEG 2002 auch im Fall der eigenständigen Vorschreibung von Beträgen zur Rücklage durch den Verwalter bestehe (zur diesfalls analogen Anwendung schon des § 13a Abs 1 Z 2 2. Fall WEG 1975 durch die Rechtsprechung: wobl 1990/63, 103 = MietSlg 42.445f/5). Es dürfe dann aber keinen Unterschied machen, ob zur Reduktion einer durch den Verwalter überhöht vorgeschriebenen Rücklage bereits ein Orientierungsmaßstab, nämlich ein alter wirksamer Beschluss der Eigentümergemeinschaft auf Festsetzung einer Rücklage in bestimmter Höhe vorliege, oder ob ein solcher fehle und das Gericht diesen erst finden müsse. Verweise man die Antragstellerin auf ein streitiges Verfahren gegen den Verwalter, würde man akzeptieren, dass eine zu Unrecht vorgeschriebene Rücklage Basis für monatelange Vorschreibungen durch den Verwalter sein und dieser bei Nichtzahlung namens der Eigentümergemeinschaft mit Klagen und der Geltendmachung von Vorzugspfandrechten vorgehen könnte. Durch die Ausübung des Individualrechts nach § 30 Abs 1 Z 2 2. Fall WEG 2002 sichere sich der betreffende Wohnungseigentümer die Möglichkeit, Vorschreibungen auf Basis der zu Unrecht festgesetzten Rücklage zu ignorieren. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte der Antrag der Antragstellerin nicht a limine zurückgewiesen werden dürfen, sondern es wäre in der Sache selbst zu verhandeln gewesen. Diese Rechtsmittelausführungen der Antragstellerin erweisen sich im Grundsätzlichen als zutreffend:
1. § 13a Abs 1 Z 2 WEG 1975 (idF 3. WÄG bzw § 15 Abs 1 Z 2 WEG 1975 idF vor dem 3. WÄG) sah vor, dass sich jeder Miteigentümer an der Verwaltung der Liegenschaft beteiligen und die Entscheidung des Gerichts darüber verlangen konnte, dass eine angemessene Rücklage gebildet oder die von der Mehrheit beschlossene Rücklage angemessen erhöht oder gemindert wird. Schon in der seinerzeitigen Rechtslage hat dieser Senat in 5 Ob 61/89 (wobl 1990/63, 103 [Call/Würth] = MietSlg 42/5) das Individualrecht des Miteigentümers erkannt, - bei Tätigwerden des Verwalters (Hervorhebung durch den Senat) oder der übrigen Miteigentümer - der willkürlichen Festsetzung der Höhe der Rücklage zu begegnen (s dazu auch Spruzina in Schwimann², § 13a WEG 1975 Rz 6).
2. Nach § 30 Abs 1 Zif 2 2. Fall WEG 2002 kann nunmehr jeder Wohnungseigentümer die Entscheidung des Gerichts darüber verlangen, dass der bereits festgelegte Beitrag zur Bildung der Rücklage angemessen erhöht oder gemindert wird. In den Mat (989 BlgNR 21. GP 69 f) wird diese Änderung der Rechtslage wie folgt erläutert:
„In Z 2 wird die bisherige Wendung ´die von der Mehrheit beschlossene Rücklage` durch die Wortfolge ´die bereits festgelegte Rücklage´ ersetzt, um klarzustellen, dass damit auch eine vom Verwalter ohne formellen Beschluss der Mehrheit eingehobene Rücklage erfasst ist."
3. Hier liegt nach den Antragsbehauptungen nicht eine - in den zitierten EBzRV ausdrücklich angesprochene - „vom Verwalter ohne (im Sinn von: vor einem) formellen Beschluss der Mehrheit eingehobene Rücklage", sondern der Fall einer vom Verwalter - abweichend von einem bereits vorliegenden Beschluss der Mehrheit - nach Ansicht der Antragstellerin weitaus überhöht eingehobenen Rücklage vor. Eine auf § 30 Abs 1 Z 2 2. Fall WEG 2002 gestützte Antragstellung durch einen Wohnungseigentümer ist in diesem Fall durch den Wortlaut der Gesetzesbestimmung ebenfalls gedeckt, weil - nach den Antragsbehauptungen - auch hier eine vom Verwalter neu „festgelegte" Rücklage vorliegt. Es besteht in diesem Zusammenhang aber auch ein mit den übrigen erfassten Fällen gleich gelagertes Rechtsschutzbedürfnis des einzelnen Wohnungseigentümers. Steht das Individualrecht nach § 30 Abs 1 Z 2 2. Fall WEG 2002 dann zur Verfügung, wenn der Verwalter ohne formellen Beschluss der Mehrheit eine (vermeintlich) unangemessen hohe Rücklage einhebt, dann ist dieses Antragsrecht umso mehr gerechtfertigt, wenn der Verwalter einen existierenden Beschluss der Mehrheit ignoriert und davon abweichend eine höhere Rücklage einhebt, ist doch in diesem Fall eine wesentliche Verletzung der Interessen des einzelnen Wohnungseigentümers, namentlich durch Vorschreibung und folgende Eintreibung der (vermeintlich überhöhten) Rücklagenbeiträge noch viel eher abzusehen. Auch bei dieser - von der Antragstellerin hier behaupteten - Sachlage steht daher jedem Miteigentümer eine Antragstellung nach § 30 Abs 1 Z 2 2. Fall WEG 2002 offen und genau in diesem Sinn ist auch das Begehren der Antragstellerin zu verstehen.
Dem Revisionsrekurs ist daher Folge zu geben.
Im fortzusetzenden Verfahren wird mangels besonderer Übergangsbestimmung auch bereits § 52 Abs 2 Z 1 letzter Halbsatz WEG 2002 (idF WRN 2006) zu beachten und dem Verwalter Parteistellung einzuräumen sein, weil dessen Verhalten Gegenstand des Verfahrens ist.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 78 Abs 1 2. Satz AußStrG iVm § 52 Abs 2 WEG 2002 und § 37 Abs 3 MRG. Über die Kosten wird in dem die Sache erledigenden Beschluss zu entscheiden sein (vgl 5 Ob 277/06f).
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