OGH 7Ob164/07d

OGH7Ob164/07d29.10.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Elisabeth F*****, vertreten durch Dr. Michael Prager Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Wien, gegen die beklagte Partei G***** Versicherung AG, *****, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 60.930,60 sA und Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 11. Mai 2007, GZ 4 R 194/06p-19, womit das Teil- und Zwischenurteil des Handelsgerichtes Wien vom 11. August 2006, GZ 23 Cg 50/05m-13, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.803,96 (darin enthalten EUR 300,66 an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist eingeantwortete Alleinerbin des am 4. 7. 2000 verstorbenen Prof. Dr. Heinrich F***** (in der Folge: Versicherungsnehmer). Dieser war gerichtlich beeideter Sachverständiger auf dem Gebiet der Malerei und Grafik und betrieb das Kunst- und Antiquitätenhandelsunternehmen „C*****" mit Sitz in Wien. Zwischen der Beklagten und dem Versicherungsnehmer bestand ein Haftpflichtversicherungsvertrag, bei dem das versicherte Risiko die gerichtliche und außergerichtliche Gutachtertätigkeit als allgemein beeideter gerichtlicher Sachverständiger auf dem Gebiet Malerei und Grafik war. Dem Versicherungsvertrag liegen die allgemeinen Versicherungsbedingungen zur Haftpflichtversicherung für Vermögensschäden (AVBV 1951) zugrunde.

Diese lauten auszugsweise:

„Art 1

Gegenstand der Versicherung.

I. (1) Der Versicherer gewährt dem Versicherungsnehmer Versicherungsschutz für den Fall, dass er wegen eines bei der Ausübung der in der Polizze angegebenen beruflichen Tätigkeit von ihm selbst oder einer Person, für die er nach dem Gesetze einzutreten hat, begangenen Verstoßes von einem anderen aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhaltes für einen Vermögensschaden (2) verantwortlich gemacht wird.

...

Art 3.

Sachliche Begrenzung der Haftung des Versicherers.

...

(4) Ansprüche des Versicherungsnehmers auf Entgelt für seine Tätigkeit, welcher der den Schadenersatzanspruch begründende Verstoß entsprungen ist [Art I. (1)], sind nicht Gegenstand der Versicherung.

...

Art 4

Ausschlüsse.

I. Der Versicherungsschutz bezieht sich nicht auf Haftpflichtansprüche:

...

4. ...; aus der Anschaffung und Verwertung von Waren und Papieren; aus der entgeltlichen oder unentgeltlichen Vermittlung, Empfehlung oder der kaufmännischen Durchführung von wirtschaftlichen Geschäften, insbesondere von Geld-, Bank-, Lagerhaus- und Grundstücksgeschäften."

Im Herbst 1989 kaufte Gerold I***** in der „C*****" vom Versicherungsnehmer das so bezeichnete Bild „Sonntag im Park" von „Carl Moll". Im Februar 1997 kaufte Dr. Richard I***** ebenfalls in der „C*****" zwei Bilder, die jeweils mit „Motiv aus dem Salzkammergut" von „Franz Steinfeld" bezeichnet wurden, und im August 1997 das so bezeichnete Bild „Verwilderter Schlosspark" von „Olga Wisinger-Florian". Anfang 1999 erwarb Dr. Richard I***** in einer anderen, nicht dem Versicherungsnehmer gehörenden Galerie noch ein weiteres, angeblich von Carl Moll stammenden Bild mit der Bezeichnung „Ansicht von Schladming". Hinsichtlich jedes dieser Gemälde hatte der Versicherungsnehmer schon zu einem früheren Zeitpunkt ein Gutachten über dessen Echtheit verfasst. Er bestätigte darin, dass es sich bei den jeweils genannten Kunstwerken um „echte, eigenhändige und wohlerhaltene Werke" der jeweiligen Künstler handle. Der Versicherungsnehmer hatte die Gutachten nicht anlässlich der Vertragsabschlüsse und nicht im Auftrag eines Käufers, sondern zur eigenen Verwendung im Hinblick auf eine spätere Veräußerung verfasst. Die Käufer entschlossen sich aufgrund der Gutachten über die Echtheit der Gemälde zum Kauf. In der Folge stellte sich heraus, dass keines der Gemälde von den genannten Malern stammte. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Versicherungsnehmer die Gutachten vorsätzlich oder arglistig unrichtig erstellt hat. Die mangelnde Echtheit der Gemälde hätte der Versicherungsnehmer bei Berücksichtigung des Wissensstandes zum Zeitpunkt der jeweiligen Gutachtenserstellung und des Verkaufs der Bilder erkennen können. Die Klägerin erstattete, ohne das Einvernehmen mit der Beklagten herzustellen, dem Käufer Dr. Richard I***** den Gesamtkaufpreis aller vier von ihm erworbenen Gemälde samt Zinsen und anteiligen Rechtsanwaltskosten und erhielt im Gegenzug die vier Bilder sowie die „Echtheitsgutachten" ausgefolgt. Das Verfahren zur Rückzahlung des Kaufpreises hinsichtlich des von Gerold I***** gekauften Gemäldes war bei Schluss der Verhandlung erster Instanz noch gerichtsanhängig. Die Klägerin begehrte den Ersatz jener Beträge, die sie an den Käufer Dr. Richard I***** gegen Rückgabe der vier Gemälde samt Echtheitsgutachten habe bezahlen müssen (Kaufpreise samt Zinsen und Kosten der anwaltlichen Vertretung) und die Feststellung der Haftung der Beklagten im Hinblick auf das damals bei Gericht anhängige, vom Käufer Gerold I***** gegen sie geführte Verfahren. Die Haftung der Klägerin bzw ihres Rechtsvorgängers und Versicherungsnehmers beruhe ausschließlich auf dessen beruflicher Tätigkeit als Sachverständiger. Ohne die Gutachten hätten die Käufer keinen Schadenersatzanspruch oder Rückabwicklungsanspruch gegen den Versicherungsnehmer gehabt, weil alle sonstigen Ansprüche wie aus Gewährleistung, Garantie, Irrtumsanfechtung und laesio enormis verfristet gewesen oder überhaupt nicht in Betracht gekommen seien. Die Gutachten seien jeweils letztlich für den Kauf ausschlaggebend gewesen. Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens mit der Begründung, dass die Gutachtertätigkeit in unmittelbarem Zusammenhang mit den jeweiligen Kaufverträgen gestanden sei. Eine eigenständige Sachverständigentätigkeit sei nicht entfaltet worden. Die Echtheitsbeurteilung stelle eine bloße Eigenschaftsgarantie dar, die Teil des Kaufvertrages sei. Die Gewährleistungsfrist beginne ab dem Zeitpunkt zu laufen, zu dem das Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft mit Sicherheit erkennbar gewesen sei. Der Gewährleistungsanspruch sei nicht verfristet. Die Veräußerung von Gemälden sei keine versicherte Tätigkeit im Sinn der AVBV, selbst wenn der Versicherungsnehmer dabei auch als Sachverständiger deren Echtheit bestätigt habe. Das Unternehmerrisiko sei nicht Gegenstand der Versicherung. Gemäß Art 3 Abs 4 der AVBV seien Ansprüche des Versicherungsnehmers auf Entgelt für seine Tätigkeit, welcher der den Schadenersatzanspruch begründende Verstoß entsprungen sei (daher alle Ansprüche der Klägerin den Kaufpreis betreffend) jedenfalls ausgeschlossen. Der Versicherungsnehmer habe für seine gutachterliche Tätigkeit kein eigenes Honorar, sondern ausschließlich den Kaufpreis erhalten.

Das Erstgericht fällte ein Teil- und Zwischenurteil. Die Ansprüche hinsichtlich des Gemäldes „Verwilderter Schlosspark" und der beiden Gemälde „Motiv aus dem Salzkammergut" erkannte es als dem Grunde nach zu Recht bestehend, dem Feststellungsbegehren hinsichtlich des Gemäldes „Sonntag im Park" gab es statt. Den Anspruch hinsichtlich des von Dr. Richard I***** nicht vom Versicherungsnehmer, sondern in einer anderen Galerie gekauften Bildes „Ansicht von Schladming" von „Carl Moll" wies es (sinngemäß) ab. Diese vom Berufungsgericht bestätigte Teilabweisung ist nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens, sodass darauf nicht weiter einzugehen ist. Das Erstgericht führte im Wesentlichen aus, dass die Tätigkeit des Versicherungsnehmers als Händler unabhängig von jener als Sachverständiger zu beurteilen sei. Er habe die Gutachten offenkundig im Hinblick auf spätere Veräußerungen, aber ohne Zusammenhang mit den konkret erfolgten Verkäufen erstellt. Die Gutachten sollten die Grundlage für den Kaufentschluss Dritter bilden. Ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter werde dann nicht angenommen, wenn der Dritte gegen einen der beiden Vertragspartner Ansprüche aus einem von ihm selbst geschlossenen Vertrag habe. Im vorliegenden Fall seien aber Gewährleistungsansprüche verfristet und eine Irrtumsanfechtung nicht mehr möglich. Es sei daher davon auszugehen, dass das Gutachten Schutzwirkungen zugunsten Dritter entfalte. Bei den geltend gemachten Beträgen handle es sich nicht um ein Entgelt für die Sachverständigentätigkeit. Die Schäden seien ausschließlich durch die fehlerhafte Gutachtertätigkeit des Versicherungsnehmers entstanden. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin gegen den das Bild „Ansicht von Schladming" betreffenden, abweisenden Teil des Ersturteils nicht Folge, der Berufung der Beklagten gegen den den Zahlungsanspruch im Übrigen dem Grunde nach bejahenden und den dem Feststellungsbegehren stattgebenden Teil hingegen Folge und änderte das Teil- und Zwischenurteil des Erstgerichtes in eine gänzliche Klagsabweisung ab. Es vertrat die Ansicht, dass dem Versicherungsnehmer die Sachverständigenhaftung gegenüber dem Käufer als unmittelbaren Adressaten des Gutachtens treffe. Da die Gutachten aber ohne Auftrag, also nicht aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages erstattet worden seien, sei haftungsbegründend nicht die Erstellung selbst, sondern die Verwendung im Zusammenhang mit dem Verkauf der Bilder. Es bestehe daher zwischen der Haftung des Sachverständigen und dem Verkauf der Bilder ein untrennbarer Zusammenhang. Daran ändere nichts, dass die Echtheitszertifikate schon Jahre vor dem späteren Verkauf der Bilder erstellt worden seien. Da gemäß Art 4 Z 4 AVBV für Haftpflichtansprüche aus der Anschaffung und Verwertung von Waren sowie aus der kaufmännischen Durchführung von wirtschaftlichen Geschäften kein Versicherungsschutz bestehe und die Gutachten im untrennbaren Zusammenhang mit dem Verkauf der Bilder stünden, bestehe keine Deckungspflicht. Jedes andere Verständnis würde zu dem mit dem versicherungsrechtlichen Bereicherungsverbot nach § 55 VersVG unvereinbarten Ergebnis führen, dass der den geschädigten Dritten geleistete oder noch zu leistende Schadenersatz von der Beklagten refundiert würde, während sich die Klägerin (als Gesamtrechtsnachfolgerin des Versicherungsnehmers) den aufgrund der unrichtigen Gutachten lukrierten, den wahren Wert der Bilder um ein Vielfaches übersteigenden Kaufpreis behalten dürfte. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil zur Auslegung der Tätigkeitsklausel und der Ausschlusstatbestände der dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden AVBV, insbesondere im Zusammenhang mit der Berufshaftpflichtversicherung eines Sachverständigen, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliege. Gegen den abändernden Teil dieses Urteils richtet sich die Revision der Klägerin (wie bereits dargelegt, lässt sie den die Abweisung bestätigenden Teil betreffend das Bild „Ansicht von Schladming" von „Carl Moll" unbekämpft) mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn einer Wiederherstellung des Ersturteils. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

Unstrittig ist, dass das versicherte Risiko des vorliegenden Haftpflichtversicherungsvertrages nur die gerichtliche und außergerichtliche Gutachtertätigkeit des Versicherungsnehmers als allgemein beeideter gerichtlicher Sachverständiger auf dem Gebiet Malerei und Grafik umfasst. Feststeht weiters, dass der Versicherungsnehmer die unrichtigen Gutachten ohne Auftrag, das heißt ohne Vertragsverhältnis betreffend diese Tätigkeit erstellt hat. Schon deshalb, weil die Gutachten bereits Jahre vor den Verkäufen verfasst wurden, scheidet eine schlüssige Beauftragung durch die Käufer aus. Eine Erörterung allfälliger Schutzwirkungen eines Vertrages zugunsten Dritter kann also unterbleiben, weil gar kein Vertrag existiert. Die Gutachten wurden vom Versicherungsnehmer nur für seine eigenen Zwecke, nämlich zur Förderung des Verkaufs in seiner Galerie, erstellt und verwendet. Damit steht diese Tätigkeit nicht im Zusammenhang mit der außergerichtlichen Gutachtertätigkeit als allgemein beeideter gerichtlicher Sachverständiger. Dieser liegt naturgemäß immer ein Vertrag mit dem, der das Gutachten bestellt und zu dessen Verwendung es dienen soll, zugrunde. Ein derartiger Vertrag fehlt hier. Die Tätigkeit als Händler ist vom versicherten Risiko nicht umfasst und wird überdies auch durch Art 4 I.4 AVBV (klarstellend) ausgeschlossen.

Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer kann die Versicherungsbedingungen im Zusammenhalt mit der Polizze nicht anders verstehen, zumal das versicherte Risiko klar definiert ist. Nach den allgemeinen Vertragsauslegungsgrundsätzen (§§ 914, 915 ABGB; vgl auch 7 Ob 81/06x mwN) kann aus dem Versicherungsvertrag nicht der Schluss gezogen werden, dass die Verkaufstätigkeit versichertes Risiko ist oder dass lediglich zur Förderung der eigenen Verkaufstätigkeit vom Versicherungsnehmer ohne Vertragsgrundlage und unentgeltlich erstellte Gutachten gedeckt sein sollten.

Soweit in der Revision die Haftung des Versicherungsnehmers als Verkäufer bestritten wird, ist darauf hinzuweisen, dass der Versicherungsnehmer auch als Verkäufer dafür einzustehen hatte, dass ihm unter Berücksichtigung des Wissensstandes zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses hätte auffallen müssen, dass Fälschungen vorliegen (vgl 10 Ob 30/06v im nunmehr rechtskräftig zugunsten des Käufers Gerold I***** entschiedenen Verfahren betreffend das Bild „Sonntag im Park").

Der Vollständigkeit halber ist noch zu erwähnen, dass dann, wenn auch die Verkaufstätigkeit versichertes Risiko gewesen wäre, eine Deckungspflicht für Erfüllungssurrogate gegen den fundamentalen Grundsatz verstieße, dass diese von Berufshaftpflichtversicherungen im Sinn des Art 3 (4) iVm Art 1 I (1) der AVBV ausgeschlossen sind (RIS-Justiz RS0081898).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.

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