OGH 1Ob101/07w

OGH1Ob101/07w22.10.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Univ.-Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) Ronald K*****, und 2) Harry ***** A*****, beide vertreten durch Dr. Franz Terp, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1) Verlassenschaft nach Univ.-Prof. Dr. Norbert S*****, 2) Univ.-Doz. Dr. Thomas S*****, und 3) Mag. Barbara E*****, sämtliche vertreten durch Mag. Dr. Karlheinz Klema, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 14. Februar 2007, GZ 38 R 246/06t-50, womit das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 6. September 2006, GZ 44 C 52/04f-42, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Der (verstorbene) Dr. Norbert S***** mietete gemeinsam mit seiner Gattin im Jahr 1963 eine Wohnung in einem (nunmehr) im Eigentum der Kläger stehenden Haus in Wien, und sie bewohnten diese mit ihren beiden Kindern, dem Zweitbeklagten und der Drittbeklagten. 1971 übersiedelte die Familie nach K*****, benützte aber auch noch regelmäßig die gegenständliche Wohnung in Wien. Der Zweitbeklagte maturierte 1974 und zog danach gänzlich nach Wien, wobei ihm die Eltern, die nun zur Gänze nach K***** übersiedelten, die Wiener Wohnung überließen. Die Vermieter wurden hievon nicht verständigt. Die Mietzinszahlungen erfolgten nach wie vor von einem Konto Dris. Norbert S***** (sogenanntes „Familienkonto"), das vom Zweitbeklagten „gespeist" wurde. Der Zweitbeklagte wohnte in der Folge mit seiner (letztlich sechsköpfigen) Familie im Mietobjekt und zog erst am 4. 7. 2003 aus, und zwar in ein eigenes Haus in einem anderen Wiener Bezirk, wobei aber der älteste Sohn des Zweitbeklagten in der gegenständlichen Wohnung verblieb. Schließlich zog mit Schulbeginn 2003/2004 auch der zweitälteste, damals 16-jährige Sohn wieder in die Wohnung.

Die Kläger kündigten den Beklagten das Mietverhältnis aus den Kündigungsgründen des § 30 Abs 2 Z 4 und Z 6 MRG (gänzliche Weitergabe und Nichtbenützung der Wohnung) auf.

Das Erstgericht wies - auch im zweiten Rechtsgang - die Klage ab, und zwar hinsichtlich der Erst- und Drittbeklagten mangels passiver Klagslegitimation und hinsichtlich des Zweitbeklagten wegen Nichtvorliegens der geltend gemachten Kündigungsgründe. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Der Hauptmieter einer Wohnung, der diese verlasse, könne die Hauptmietrechte seinen Verwandten in gerader Linie dann abtreten, wenn diese mindestens in den letzten zwei Jahren mit ihm gemeinsam in der Wohnung gewohnt hätten. Diese Regelung (§ 12 Abs 1 MRG) entspreche dem früheren § 19 Abs 4 MG. Die regelmäßige Verwendung liege vor, wenn der Mieter die Wohnung wenigstens während eines beachtlichen Zeitraums im Jahr als wirtschaftlichen und familiären Mittelpunkt nütze. Maßgeblich sei „der Haushalt". Eine gewisse Mindestnutzungszeit sei nicht erforderlich. Für das Fehlen einer regelmäßigen Verwendung der Wohnung zu Wohnzwecken seien die Kläger behauptungs- und beweispflichtig. Im erstgerichtlichen Verfahren sei lediglich vorgebracht worden, dass es zu keiner tatsächlichen Abtretung der Mietrechte an den Zweitbeklagten gekommen sei, da gegenüber der Hausinhabung stets nur der Vater des Zweitbeklagten als Hauptmieter aufgetreten sei. Der gemeinsame Haushalt während der gesetzlichen Mindestzeit vor dem Verlassen der Wohnung im Jahr 1974 sei jedoch nicht bestritten. Wenn die Beklagten nun behaupteten, es habe doch auch grundsätzlich an den rechtlichen Voraussetzungen für eine wirksame Mietrechtsabtretung gemangelt, weil der Zweitbeklagte schon vor 1974 nach K***** übersiedelt sei und in der aufgekündigten Wohnung über keinen Lebensmittelpunkt mehr verfügt habe, liege eine unzulässige - und somit unbeachtliche - Neuerung vor. Dass die „familieninternen Vorgänge aus 1974" nicht offen gelegt wurden, ändere nichts daran, dass eine Mietrechtsabtretung vorliege, weil deren Anzeige keine konstitutive Wirkung habe. Die Verletzung der Anzeigeverpflichtung des Alt- und des Neumieters führe lediglich zur Schadenersatzpflicht, abgesehen von der Weiterhaftung des bisherigen Mieters für Mietzinsrückstände. Was die Annahme des Wohnbedarfs der beiden ältesten Söhne des Zweitbeklagten betreffe, erscheine es nachvollziehbar, dass das 160 bzw. 140 m2 große Eigenheim des Zweitbeklagten zur Beherbergung einer sechsköpfigen Familie - mit vier Erwachsenen - zu klein sei. Zumindest hinsichtlich des ältesten Sohnes sei daher schon im Zeitpunkt der Weitergabe ein dringender Wohnbedarf an der aufgekündigten Wohnung gegeben gewesen.

Text

Beschluss

gefasst:

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der Kläger ist nicht zulässig.

1. Es ist zwar - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - zutreffend, dass die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen des Eintrittsrechts jenen trifft, der es für sich in Anspruch nimmt (1 Ob 542/89 uva); im vorliegenden Fall hat jedoch das Erstgericht die Feststellungen zur Mietrechtsabtretung im Jahr 1974 (insbesondere auch zum gemeinsamen Haushalt) auf Grund der vorgenommenen Beweiswürdigung, nämlich auf Grund der Aussage des Zweitbeklagten, und nicht unter Heranziehung von Beweislastregeln getroffen. In der Übernahme dieser Feststellungen durch das Berufungsgericht kann daher keine Verletzung von Beweislastregeln liegen.

2. Die Eintrittsvoraussetzungen beim nahen Angehörigen müssen zum Zeitpunkt des Verlassens der Wohnung durch den Hauptmieter bestanden haben; die Willensübereinstimmung über den Mietrechtsübergang kann auch später erfolgen (RIS-Justiz RS0069502). Vorliegendenfalls erfolgte nach den Feststellungen der Tatsacheninstanzen die (zumindest konkludente) Willenseinigung über den Übergang der Mietrechte bereits knapp nach dem Auszug der Eltern im Jahr 1974. Der Umstand, dass der Zweitbeklagte damals noch nicht volljährig war und die Mietrechtsübernahme somit der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung bedurft hätte, schadet nicht, da der volljährig Gewordene den Mangel der schwebenden Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts wegen des seinerzeitigen Fehlens der gerichtlichen Genehmigung durch nachträgliche Anerkennung seiner rechtsgeschäftlichen Verpflichtung heilen kann (Hopf in KBB2 § 154 ABGB Rz 16). Die für die Wirksamkeit seiner Verpflichtung von § 154 Abs 4 ABGB geforderte schriftliche Erklärung des volljährig Gewordenen konnte hier unterbleiben, da der Zweitbeklagte jahrzehntelang (durch Speisung des „Familienkontos" ab seinem Eintritt ins Berufsleben) zum Ausdruck brachte, in den Mietrechtsübergang eingewilligt zu haben, und vor dem Inkrafttreten des KindRÄG 2001 die Genehmigung nach allgemeinen Grundsätzen nach erlangter Volljährigkeit auch stillschweigend erfolgen konnte (Fischer-Czermak in ÖJZ 2002, 293 ff).

3. Das Erstgericht gewann - wie bereits zu 1. ausgeführt - die hier relevanten und vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen auf Grund der Aussagen des Zweitbeklagten und somit nicht aus einem Zugeständnis der Kläger, sodass der - in ihrer Allgemeinheit unrichtigen - Ausführung des Berufungsgerichts, wonach der gemeinsame Haushalt während der gesetzlichen Mindestzeit vor dem Verlassen der Wohnung (1974) nicht bestritten worden sei, keine rechtliche Relevanz zukommt.

4. Der Beweis, dass eine eintrittsberechtigte Person - der älteste Sohn des Zweitbeklagten - einen dringenden Bedarf an der Mietwohnung hatte und hat, ist dem Zweitbeklagten gelungen. Die Auffassung des Berufungsgerichts, wonach ein 160 bzw. 140 m2 großes Haus zur Beherbergung einer sechsköpfigen Familie mit drei bzw. inzwischen vier Erwachsenen (ohne eigene Zimmer für die beiden ältesten Söhne) zu klein erscheint, ist zumindest vertretbar.

5. Eine mangelhafte Beweiswürdigung kann im Revisionsverfahren nicht angefochten werden. Nur wenn sich das Berufungsgericht mit der Beweisfrage überhaupt nicht befasst hat, ist sein Verfahren mangelhaft (RIS-Justiz RS0043371). Davon kann aber im vorliegenden Fall nicht die Rede sein. Soweit die Revisionswerber die mangelnde Befassung des Berufungsgerichts mit der Frage der Mietzinszahlung durch den Zweitbeklagten bemängeln und die Feststellung vermissen, dass die Mietzinszahlungen völlig unverändert vom Konto des Vaters des Zweitbeklagten geleistet worden seien, ist ihnen einerseits entgegenzuhalten, dass bereits das Erstgericht festgestellt hat, dass der Mietzins - bis zuletzt - auf Basis eines Einziehungsauftrags von einem Konto des Vaters des Zweitbeklagten bezahlt wurde, welches „Familienkonto" ab dem Eintritt ins Berufsleben der Zweitbeklagte „speiste". Im Übrigen hat der Ursprung der Quelle der Mietzinszahlungen keinen Einfluss auf das Zustandekommen des Übergangs der Mietrechte, und haftet der bisherige Mieter dem Vermieter gegenüber ohnehin bis zur (hier nie erfolgten) Anzeige von der Abtretung der Hauptmietrechte für allfällige Mietzinsrückstände (Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht21, § 12 MRG Rz 10). Die Kläger haben keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt. Dies führt zur Zurückweisung der Revision als unzulässig.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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