OGH 7Ob211/07s

OGH7Ob211/07s17.10.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Gerold Herwig P*****, vertreten durch Dr. Harald Hauer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Barbara Christa P*****, vertreten durch Dr. Peter Schaden und Mag. Werner Thurner, Rechtsanwälte in Graz, wegen EUR 11.400 (sA), über die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 6. Juni 2007, GZ 1 R 126/07t-30, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Frohnleiten vom 9. März 2007, GZ 2 C 32/05g-24, infolge Berufung der Beklagten abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit EUR 686,88 (darin enthalten EUR 114,48 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Die Ehe der Streitteile wurde im Jahr 2006 aus gleichteiligem Verschulden der Ehegatten geschieden. Der Kläger, der der Beklagten bei aufrechter Ehe monatlich EUR 600 an Unterhalt gezahlt hatte, begehrt die von ihm für die Zeit von März 2005 bis einschließlich September 2006 erbrachten Unterhaltszahlungen von EUR 11.400 mit der Begründung zurück, die Beklagte habe zufolge gravierender Eheverfehlungen ihren Unterhaltsanspruch seit langem verwirkt. Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren in Abänderung der vom Erstgericht getroffenen klagsstattgebenden Entscheidung ab. Die Ehe der Streitteile sei bei Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft durch den Kläger im Juli 1995 zwar nicht vollständig, aber schon großteils zerrüttet gewesen, sodass der nachfolgende Ehebruch der Beklagten und deren Verletzung der Beistandspflicht unter Berücksichtigung des Verhaltens des Klägers kein Hindernis für die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen darstelle.

Das Berufungsgericht sprach zunächst aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, gab dann aber der Zulassungsvorstellung (§ 508 Abs 1 ZPO) des Klägers statt. Die Frage, ob ein Unterhaltsverwirkungstatbestand vorliege oder nicht, werde vom Kläger begründet releviert, „insbesondere, dass das Verhalten des Klägers bei Gegenüberstellung zu den von der Beklagten gesetzten Verwirkungstatbeständen bei einer Interessenabwägung kein solches Gewicht hat, dass ein Rechtsmissbrauch anzunehmen ist". Da die Lösung dieser Frage zur Wahrung der Rechtseinheit und Rechtssicherheit von Bedeutung sei, sei der Zulässigkeitsausspruch gemäß § 508 ZPO abzuändern gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen diesem den Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes ist die vom Kläger gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig:

Gemäß § 94 Abs 2 Satz 2 zweiter Halbsatz ABGB erlischt der Unterhaltsanspruch zur Gänze, wenn seine Geltendmachung besonders wegen der Gründe, die zur Aufhebung des gemeinsamen Haushalts geführt haben, ein Missbrauch des Rechts wäre. Nach ständiger Rechtsprechung bedeutet aber nicht jede schwere Eheverfehlung schon die Rechtsmissbräuchlichkeit des Unterhaltsbegehrens. Die gesetzlichen Unterhaltsansprüche erlöschen vielmehr nur in besonders krassen Fällen, in denen die Geltendmachung eines Unterhaltsanspruchs wegen des Verhaltens des betreffenden Ehegatten grob unbillig erschiene. Entscheidendes Beurteilungskriterium ist dabei die schuldhafte Ablehnung der Ehe durch den Unterhaltsberechtigten, also der völlige Verlust oder die ihm nahekommende Verflüchtigung des Ehewillens. Es wäre sittenwidrig, jenem Ehegatten, der schuldhaft die gebotene Ehegesinnung vermissen lässt, den finanziellen Vorteil aus der Ehe zu belassen, obwohl er selbst nicht zur Erfüllung der ihn treffenden ehelichen Verpflichtung bereit ist (1 Ob 171/02g mwN ua). Ein fortgesetzter Ehebruch stellt ungeachtet eines bereits anhängigen Scheidungsverfahrens grundsätzlich eine derart schwerwiegende Verletzung der ehelichen Verhaltenspflichten dar, dass der Unterhaltsanspruch des ehebrecherischen Ehegatten als verwirkt angesehen werden muss. Von dieser Regel kann allerdings dann eine Ausnahme gerechtfertigt sein, wenn der andere Ehegatte ausdrücklich oder wenigstens unzweifelhaft schlüssig zu erkennen gegeben hat, dass er seinen ernstlichen Willen, die Ehe ihrem Wesen gemäß fortzusetzen, aufgegeben und dadurch die andernfalls zur Verwirkung des Unterhaltsanspruchs führende schwere Pflichtverletzung seines Ehepartners gebilligt, veranlasst oder gefördert hat (3 Ob 48/97y, EvBl 1997/161; 1 Ob 171/02g; vgl 9 Ob 32/04b). Bei der Beurteilung der Frage des Gewichts der einem Ehegatten zur Last gelegten Eheverfehlungen und ihrer Eignung, ein Erlöschen des Unterhaltsanspruches bei aufrechtem Bestand der Ehe herbeizuführen, darf also auch das Verhalten des anderen Teiles nicht vernachlässigt werden; immer ist auf die Umstände des Einzelfalles Bedacht zu nehmen (RIS-Justiz RS0047080).

Zufolge dieser Einzelfallbezogenheit stellte die Frage des Erlöschens des Unterhaltsanspruchs bei aufrechter Ehe wegen Rechtsmissbrauchs nur dann eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO dar, wenn dem Berufungsgericht eine Fehlbeurteilung unterlaufen wäre, die aus Gründen der Rechtssicherheit und der Einzelfallgerechtigkeit einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte. Dies trifft hier nicht zu. Ausgehend von den Grundsätzen oberstgerichtlicher Judikatur, denen das Berufungsgericht ausdrücklich gefolgt ist, kann in dessen Rechtsansicht, ein Erlöschen des Unterhaltsanspruchs sei zu verneinen, eine Ermessensüberschreitung nicht erkannt werden. Dem Revisionswerber ist zwar einzuräumen, dass der vorliegende Fall eine grenzwertige Situation darstellt. Das Berufungsgericht hat selbst zutreffend betont, dass die der Beklagten vorzuwerfenden Eheverfehlungen (Aufnahme einer ehebrecherischen Beziehung und Verletzung der ehelichen Beistandspflichten im Krankheitsfall (hier etliche Jahre) nach Auszug des Klägers aus der ehelichen Wohnung) isoliert betrachtet eine Unterhaltsverwirkung begründeten. Zu beachten ist aber, dass sich auch der Kläger in einer Weise verhalten hat, die eine fast vollkommene Aufgabe eines Ehewillens dokumentierte. Mag die Ehe zum Zeitpunkt des Auszugs des Klägers auch noch nicht vollkommen zerrüttet gewesen sein, so ist dem Kläger doch ebenfalls ein Ehebruch und insgesamt ein Verhalten vorzuwerfen, durch das die schweren Eheverfehlungen der Beklagten veranlasst und massiv gefördert wurden. Offenbar hat dies der Kläger lange auch selbst so gesehen und eine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs nicht angenommen, sondern hat auch noch während des Scheidungsverfahrens bis einschließlich September 2006 Unterhaltszahlungen (in Form von Mietzinsen und Betriebskosten für die Ehewohnung) weiter geleistet. Unter den festgestellten Umständen kann daher in der Verneinung eines Erlöschens des Unterhaltsanspruchs der Beklagten durch das Berufungsgericht eine korrekturbedürftige Verkennung der Rechtslage nicht gesehen werden.

Die Revision ist daher mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels ihres Prozessgegners hingewiesen.

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