Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit EUR 399,74 (darin enthalten EUR 66,62 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Auf Grund einer zwischen den Streitteilen bestehenden Rechtsschutzversicherung hat die Beklagte dem Kläger die Kosten des Einschreitens dessen Rechtsanwaltes (des nunmehrigen Klagevertreters) in einem Verwaltungsstrafverfahren zu ersetzen, wie in der in dieser Rechtssache bereits ergangenen Entscheidung 7 Ob 41/04m (SZ 2004/104 = VR 2005/697 = VersE 2059 = RdW 2005/298 [Reisinger]) ausgeführt wurde. In diesem Verwaltungsstrafverfahren war dem Kläger, dem wegen eines einschlägigen Deliktes schon 1997 der Führerschein für 18 Monate entzogen worden war, zur Last gelegt worden, am 29. 12. und 31. 12. 1999 ein Kraftfahrzeug gelenkt zu haben, ohne im Besitz einer entsprechenden Lenkberechtigung zu sein. Über den Kläger waren deshalb zunächst nach § 1 Abs 3 iVm § 37 Abs 1 und 3 Z 1 FSG Geldstrafen verhängt worden. Infolge Berufung des Klägers hat der Unabhängige Verwaltungssenat Wien das betreffende Straferkenntnis jedoch behoben und das Strafverfahren eingestellt.
Strittig ist nur mehr die Höhe der dem Kläger vom beklagten Versicherungsunternehmen zu ersetzenden Kosten. Nach Art 6.6.1 der dem Versicherungsvertrag zugrundeliegenden Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung der Ersten Allgemeinen Versicherungs-AG (ARB/EA 95) hat der Versicherer die angemessenen Kosten des für den Versicherungsnehmer tätigen Rechtsanwaltes bis zur Höhe des Rechtsanwaltstarifgesetzes oder, sofern dort die Entlohnung für anwaltliche Leistungen nicht geregelt ist, bis zur Höhe der Autonomen Honorar-Richtlinien (AHR) für Rechtsanwälte (an deren Stelle die am 10. 10. 2005 kundgemachten, hier noch nicht anzuwendenden Allgemeinen Honorar-Kriterien [AHK] getreten sind), zu zahlen. Dem entsprechend hatte der Kläger mit seinem Anwalt dessen Entlohnung nach den AHR vereinbart.
Den wesentlichen Streitpunkt bildet die Frage, auf welcher Bemessungsgrundlage die Leistungen des Rechtsanwaltes des Klägers zu berechnen sind. Der Kläger steht (weiterhin) auf dem Standpunkt, er sei im Hinblick auf die „Vorverurteilung" im Jahr 1997 als Wiederholungstäter einer Strafdrohung nach § 37 Abs 2 FSG und demnach der Androhung einer Freiheitsstrafe im Sinn des § 13 Abs 1 lit c AHR ausgesetzt gewesen, woraus sich nach § 9 Abs 1 Z 3 iVm § 10 AHR eine Bemessungsgrundlage von S 240.000,-- (EUR 17.440) ergeben habe. Die Beklagte ist hingegen der Ansicht, die der Verwaltungsstrafsache zugrundeliegenden Delikte seien nach den von der Verwaltungsbehörde angewendeten Strafnormen des § 1 Abs 3 iVm § 37 Abs 1 und 3 Z 1 FSG mit einer Geldstrafe bis S 30.000,-- (EUR 2.180,--) bedroht gewesen, weshalb die Bemessungsgrundlage nach den § 13 Abs 1 lit a, § 10 Abs 1 und § 9 Abs 1 Z 1 der AHR S 60.000,-- (EUR 4.360,--) betrage. Das Erstgericht schloss sich, dem von ihm eingeholten Rechtsgutachten eines von der Rechtsanwaltskammer Wien namhaft gemachten Anwalts folgend, der Meinung der Beklagten an und erkannte daher die Beklagte schuldig, dem Kläger EUR 2.442,71 (sA) zu bezahlen; das Mehrbegehren von EUR 4.928,95 (sA) wurde abgewiesen. Unerheblich sei, dass über den Kläger „rein abstrakt" nach § 37 Abs 2 FSG wegen der Wiederholung der Tat auch eine Freiheitsstrafe bis zu 6 Wochen hätte verhängt werden können. Die Behörde habe diese Qualifikation nie angesprochen und dem Kläger auch nie vorgehalten. Es sei nicht auf das tatsächlich verwirklichte Delikt und dessen Qualifikation abzustellen, sondern auf jenes, das die Behörde dem Beschuldigten konkret vorwerfe. Dies ergebe sich aus dem Zweck anwaltlicher Tätigkeit, der darin bestehe, den Mandanten vor konkreten Vorwürfen der Behörde in Schutz zu nehmen, nicht aber darin, ihm generell das allgemeine Lebensrisiko der Ahndung begangener Straftaten abzunehmen. Dass die Behörde einen Beschuldigten wegen eines bestimmten Deliktes gar nicht verfolge oder eine an sich gegebene Qualifikation eines Deliktes übersehe, könne nicht als Verdienst des Anwaltes gelten.
Der Zuspruch von EUR 2.442,71 (sA) blieb unbekämpft und ist in Rechtskraft erwachsen. Das hinsichtlich der Abweisung des Mehrbegehrens von EUR 4.928,95 (sA) vom Kläger angerufene Berufungsgericht teilte die Rechtsmeinung des Erstgerichtes und bestätigte daher dessen Entscheidung. Die Ausführungen des Berufungsgerichtes lassen sich im Wesentlichen dahin zusammenfassen, Zweck der AHR sei eine für den Rechtsanwalt und seinen Mandanten voraussehbare und kalkulierbare Honorarvereinbarung. Nach dem Wesen des gesamten Honorarrechtes und daher auch nach den AHR solle der Rechtsanwalt nur für das honoriert werden, wofür er konkret verdienstlich geworden sei. Würden Strafschärfungsnormen ausnahmsweise nicht angewendet, habe sich die Honorierung des Anwaltes daher ausschließlich an den Leistungen zu orientieren, die nach dem konkreten Tatvorwurf der Behörde erforderlich gewesen seien. Dass es dem Anwalt des Klägers versagt gewesen sei, dessen Vorstrafe (seinerseits) zu relevieren, bedürfe keiner weiteren Erörterung. Sei aber die Strafschärfungsnorm nie Gegenstand des Verwaltungsstrafverfahrens gewesen, habe das Erstgericht die richtige Bemessungsgrundlage herangezogen.
Abzulehnen sei auch eine vom Kläger „zumindest" angestrebte Erhöhung des Honorarbetrages um EUR 1.408,79, die sich daraus ergebe, dass nach Ansicht des Klägers Berufungsschrift und Berufungsverhandlungen im verwaltungsstrafrechtlichen Berufungsverfahren nicht gemäß § 10 Abs 1 AHR nach Tarifpost 3b RATG, sondern nach den fixen Ansätzen des § 9 Abs 1 Z 1 AHR zu entlohnen gewesen seien. Es erscheine nämlich naheliegend, Verwaltungsbehörden entgegen der Ansicht des Klägers nicht den in § 9 Abs 1 AHR erwähnten Gerichten, sondern den in § 10 Abs 1 AHR genannten „Gerichten, die nicht in § 9 erwähnt sind" gleichzuhalten.
Das Berufungsgericht sprach zunächst aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es änderte diesen Ausspruch auf Antrag des Klägers gemäß § 508 Abs 1 ZPO aber dahin ab, dass es die Revision doch für zulässig erklärte, weil die Bedeutung der Frage, ob § 13 AHR (mit dem der nun geltende § 13 AHK fast wortgleich sei) dahin auszulegen sei, dass es für die Bemessungsgrundlage auf die konkreten Verfolgungshandlungen der Verwaltungsstrafbehörde und nicht auf die gesetzliche Strafdrohung ankomme, über den Einzelfall hinausgehe, zumal ähnliche Strafverschärfungsvorschriften wie in § 37 Abs 2 FSG auch in anderen Verwaltungsgesetzen enthalten seien. Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Klägers, der unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht und beantragt, das angefochtene Urteil im Sinn einer vollständigen Klagsstattgebung, hilfsweise im Sinn eines weiteren Zuspruches von EUR 1.408,79 sA (insgesamt demnach eines Zuspruches von EUR 3.851,50 sA) abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsanträg gestellt.
Die Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, das Rechtsmittel des Klägers zurückzuweisen oder ihm keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil eine Stellungnahme des Obersten Gerichtshofes zu der vom Berufungsgericht aufgeworfenen, über den vorliegenden Fall hinaus bedeutsamen Frage der Auslegung des § 13 Abs 1 AHR zur Wahrung der Rechtseinheit und Rechtssicherheit angezeigt erscheint; sie ist aber nicht berechtigt.
Die von der Vertreterversammlung des Österreichischen Rechtsanwaltkammertages beschlossenen Autonomen Honorar-Richtlinien (AHR) für Rechtsanwälte fußen auf § 37 Z 4 RAO, der dem Österreichischen Rechtsanwaltskammertag die Befugnis einräumt, Richtlinien „für die von den Rechtsanwälten für ihre Leistungen zu vereinbarenden Entlohnungen" zu erlassen. Die AHR stellen nach herrschender Meinung keine Verordnung dar (Klicka, Die Verwendung der Autonomen Honorar-Richtlinien im Zivilprozess, RdW 1993, 298). Sie haben keinen normativen (auch für Nichtrechtsanwälte verbindlichen) Charakter. Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung beinhalten sie ein kodifiziertes Sachverständigengutachten der österreichischen Rechtsanwaltskammern für jene anwaltlichen Leistungen, die im Rechtsanwaltstarifgesetz (RATG) nicht geregelt sind (1 Ob 534/78, SZ 51/27 ua; RIS-Justiz RS0038369; Thiele, Anwaltskosten 41; krit Klicka aaO, der in den AHR nur eine [bei Fehlen einer Honorarvereinbarung benötigte] „Orientierungshilfe" für die Ermittlung der „angemessenen Entlohnung" im Sinn des § 1152 ABGB sieht). Einer weiteren Erörterung der Rechtsnatur und der Geltung der AHR bei fehlender Vereinbarung bedarf es hier nicht, weil die Entlohnung nach den AHR unstrittig zwischen dem Kläger und seinem Rechtsanwalt ausdrücklich vereinbart wurde.
Für den dem nunmehrigen Klagevertreter für sein Einschreiten im Verwaltungsstrafverfahren gebührenden Honoraranspruch ist daher - unstrittig - § 13 Abs 1 AHR maßgebend. Danach sind „die Bestimmungen der §§ 9 bis 12 sinngemäß anzuwenden auf Leistungen des Rechtsanwaltes in a) Verwaltungsstrafsachen, die mit Geldstrafe bis zu EUR 2.180,-- bedroht sind, gemäß § 9 Abs 1 Z 1; ... c) Verwaltungsstrafsachen, die mit Geldstrafe über EUR 4.360,-- oder mit Haft bedroht sind, gemäß § 9 Abs 1 Z 3 ...". Es ist daher entscheidend, durch welche Strafe der Kläger im Sinn des § 13 Abs 1 AHR bedroht war.
Eine wörtliche Auslegung dieser Bestimmung kann dabei schon deshalb zu keinem eindeutigen Ergebnis führen, weil die Bestimmung insofern sprachlich etwas missglückt erscheint, als wohl nur Verwaltungsstraftaten, nicht aber Verwaltungsstrafsachen mit Geld- oder Haftstrafen „bedroht" sein können. Die Beantwortung dieser Frage hat sich daher an dem - in der Einleitung vor § 1 der AHR erwähnten - Ziel und Zweck der Richtlinien zu orientieren, Bemessungsgrundlagen und Honoraransätze für eine im Sinn der §§ 17 RAO, 1152, 1004 ABGB angemessenen Entlohnung nicht vom RATG erfasster anwaltlicher Tätigkeiten zu bestimmen und darzulegen. Dass das von dem vom Erstgericht beigezogenen Sachverständigen betonte Kriterium der Verdienstlichkeit der anwaltlichen Tätigkeiten für den Mandanten wesentliche Beachtung finden muss, liegt auf der Hand und kann entgegen der Ansicht des Revisionswerbers nicht bezweifelt werden. Unter diesem Gesichtspunkt ist der Rechtsmeinung der Vorinstanzen, es komme nicht auf eine abstrakte Strafdrohung, sondern auf den von den Strafbehörden tatsächlich erhobenen strafrechtlichen Vorwurf an, aus den schon von den Vorinstanzen genannten Gründen beizutreten. Dafür spricht auch der Umstand, dass die AHR betreffend die offiziosen Strafsachen vor Gericht in § 9 Abs 1 darauf abstellen, im Rahmen welchen gerichtlichen Verfahrens (Bezirksgericht, Einzelrichter des Gerichtshofes, Schöffen-, oder Geschworenengericht) der Anwalt tätig wird, was wiederum vom tatsächlich gegen den Mandanten erhobenen strafrechtlichen Vorwurf abhängt. Der Versuch des Revisionswerbers, diesbezüglich eine Differenzierung zwischen offiziosen Strafsachen und Verwaltungsstrafsachen zu rechtfertigen, muss scheitern. Die Beklagte weist in der Revisionsbeantwortung zutreffend darauf hin, dass eine Änderung der rechtlichen Qualifikation der Straftat auch in offiziosen Strafsachen in Betracht kommt. Während es aber dort infolge eines Rechtsmittels des Staatsanwaltes (allenfalls erst nach einem Unzuständigkeitsurteil nach § 261 StPO oder § 488 Z 6 StPO) stets auch zu einer Strafverschärfung kommen kann, ist im Verwaltungsstrafverfahren eine reformatio in peius zufolge anderer rechtlicher Qualifizierung durch die Berufungsbehörde überhaupt nur in bestimmten Ausnahmefällen (vgl zB § 56 VStG, § 58 RAO und § 187 NO) möglich.
Diese Erwägungen führen zu dem von den Vorinstanzen erzielten Ergebnis, dass nicht eine objektiv mögliche, abstrakte Strafdrohung, sondern der von den Verwaltungsstrafbehörden konkret erhobene Vorwurf die Bemessungsgrundlage nach § 13 Abs 1 AHR festlegt. Nach den insoweit eindeutigen Bestimmungen des § 13 Abs 1 lit a) iVm § 10 Abs 1 und § 9 Abs 1 Z 1 AHR haben die Vorinstanzen die Bemessungsgrundlage demnach ohne Rechtsirrtum mit S 60.000,-- (EUR 4.360,--) angenommen. Dass sie auf dieser Basis den Honoraranspruch (inklusive eines nun nicht mehr strittigen Erfolgszuschlages gem § 13 Abs 1 iVm § 12 AHR von 50 %) rechnerisch richtig mit insgesamt EUR 2.442,71 (sA) ermittelt haben, wird von der Revision zu Recht gar nicht bezweifelt.
Der Kläger hält schließlich auch in der Revision an der (erstmals in der Berufung vertretenen) Ansicht fest, dass ihm ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von EUR 4.360,-- ein weiterer Betrag von EUR 1.408,79 zustehe, weil Berufungsschriften und Berufungsverhandlungen in verwaltungsstrafrechtlichen Berufungsverfahren nicht gemäß § 10 Abs 1 AHR nach TP 3 RATG, sondern nach den Ansätzen des § 9 Abs 1 AHR zu honorieren seien. Dies setzte entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes zwar nicht voraus, dass die Verwaltungsstrafbehörden selbst den in § 9 AHR erwähnten Gerichten und nicht „Gerichten, die nicht im § 9 erwähnt sind" gleichzuhalten wären. Der Revisionswerber meint aber, dass die Verfassung von Berufungen und die Verrichtung von Berufungsverhandlungen im Verwaltungsstrafverfahren mit solchen Tätigkeiten in offiziosen Strafsachen vor den Gerichten gleichzuhalten seien und es sich dabei daher nicht um Leistungen des Rechtsanwaltes im Sinne des § 10 Abs 1 AHR handle, „die nicht in § 9 erwähnt sind". Da nach § 13 Abs 1 AHR die §§ 9 bis 12 AHR auf Leistungen des Rechtsanwaltes in Verwaltungsstrafsachen (nur) sinngemäß anzuwenden sind und Berufungen und Berufungsverhandlungen in Verwaltungsstrafsachen im Hinblick auf die vom Berufungswerber selbst betonten Unterschiede solchen in offiziosen Strafsachen nicht völlig gleichgehalten werden können, ist die dem Gutachten des Sachverständigen folgende Rechtsansicht der Vorinstanzen, diese Leistungen seien gemäß § 10 Abs 1 AHR nach TP 3b RATG zu entlohnen, zu billigen. Hätte die Vertreterversammlung der Österreichischen Rechtsanwaltskammern für Berufungen und Berufungsverhandlungen in Verwaltungsstrafsachen dieselbe Honorierung wie in den in § 13 Abs 1 AHR genannten gerichtlichen Strafverfahren für angemessen erachtet, wäre dies wohl deutlich und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht worden.
Die Revision muss daher erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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