OGH 7Ob224/07b

OGH7Ob224/07b17.10.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Anneliese L*****, vertreten durch Ullmann-Geiler und Partner, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei V*****Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Mag. Michael Tinzl und Mag. Albert Frank, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen EUR 20.348,44 sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 25. Mai 2007, GZ 4 R 91/07z-29, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 29. Jänner 2007, GZ 6 Cg 157/05g-24, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 1.126,62 (hierin enthalten EUR 187,77 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin hat mit der Beklagten einen Unfallversicherungsvertrag geschlossen, dem die Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen AUVB 1/1996 zugrunde liegen. Nach deren Art 6.1 ist „Unfall ein vom Willen des Versicherten unabhängiges Ereignis, das plötzlich von außen mechanisch oder chemisch auf einen Körper einwirkt und eine körperliche Schädigung oder den Tod nach sich zieht." Nach Art 6.2 gelten als Unfall „auch folgende vom Willen des Versicherten unabhängige Ereignisse: ...Verrenkungen von Gliedern sowie Zerrungen und Zerreißungen von an Gliedmaßen und an der Wirbelsäule befindlichen Muskeln, Sehnen und Kapseln infolge plötzlicher Abweichung vom geplanten Bewegungsablauf." Gemäß Art 6.3 gelten „Krankheiten nicht als Unfälle, übertragbare Krankheiten auch nicht als Unfallfolgen...."

Die Klägerin hatte bereits am 12. 3. 1988 im Rahmen eines Schisturzes einen Riss des vorderen Kreuzbandes im rechten Knie mit nachfolgender transossärer Reinsertion erlitten. Am 30. 3. 2003 blieb sie beim Joggen mit dem rechten Fuß an einer Baumwurzel hängen, wodurch das Kniegelenk verdreht wurde. Durch das beim Unfallereignis eingetretene Rotationstrauma im Kniegelenk kam es zu einer Aktivierung der bereits vorbestehenden Arthrose. Die in der Folge bei der Klägerin vorgenommene Arthroskopie wird allgemein als notwendiger Eingriff nach einem Unfall angesehen, wenn Patienten mit Beschwerden zum Arzt kommen und ein entsprechender MR-Befund gegeben ist.

Bei der Arthoskopie zeigte sich im medialen Compartement der Meniskus im dorsalen Anteil am degenerativen Rand verändert. Es zeigte sich aber keine instabile Situation am Meniskus. Der Knorpel am Oberschenkel innenseitig bei Beugestellung zeigte sich hochgradig geschädigt. Dieser Knorpelbezirk wurde mit Shaver geglättet. Das vordere Kreuzbandtransplantat war etwas gelockert. Im äußeren Gelenkspalt war der Knorpel intakt. Der Meniskus im hinteren Anteil war längsrupturiert und minimal destabilisiert.

Als Folge dieses operativen Eingriffs kam es zu einer Kniegelenksinfektion. Diese und dadurch notwendige weitere fünf Operationen sind eine Folge des arthroskopischen Eingriffs vom 27. 5. 2003.

Der jetzt bestehende Dauerschaden ist zum Teil auf den bereits bestehenden Vorschaden am Kniegelenk, zum Teil auf die aufgrund des Unfallereignisses vom 30. 3. 2003 erfolgte Arthroskopie mit anschließender Infektion zurückzuführen.

Die Klägerin begehrt die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von (der Höhe nach unstrittig) EUR 20.348,44 sA als Versicherungsleistung aus dem Unfallversicherungsvertrag.

Die Beklagte bestreitet jegliche Zahlungspflicht, da sämtliche Beschwerden der Klägerin schicksalhaft vorbestehend und nicht auf den Vorfall aus dem Jahr 2003 zurückzuführen seien.

Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren statt. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil die Rechtsfrage der Zurechnung eines im Ergebnis nur diagnostischen Zwecken dienenden Heileingriffes nach einem Unfall zur dadurch verursachten, auf eine Infektion zurückzuführenden Invalidität von allgemeiner Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO sei.

Die Revision der Beklagten ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich der Oberste Gerichtshof hiebei auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Rechtliche Beurteilung

Die im Rechtsmittel zitierten Entscheidungen 7 Ob 21/06y und 7 Ob 20/94 (VersR 1995, 987 = VR 1995, 60) betrafen Infektionen von Versicherungsnehmern nach Insektenstichen (RIS-Justiz RS0082038) und sind deshalb vom Sachverhalt her mit dem vorliegenden Versicherungsfall nicht vergleichbar.

In der Unfallversicherung trägt der Versicherungsnehmer die Beweislast für das Geschehen, das als Unfall zu werten ist, ebenso die Beweislast für die Ursächlichkeit des Unfalls für die Invalidität (Knappmann in Prölss/Martin, VVG27 2511 Rn 25 zu § 1 AUB 94). Auch eigenes Verhalten, das zum Unfall beigetragen und die Gesundheitsschädigung zusammen mit einer äußeren Einwirkung ausgelöst hat, ist als Unfallereignis im Sinn der maßgeblichen Versicherungsbedingungen anzusehen (RIS-Justiz RS0082008; 7 Ob 2/91 = VersR 1991, 1315 = VR 1991, 383 = RdW 1992, 177: Stolpern bei einem Sprint beim Tennis); nichts anderes kann hier (Stolpern an einer Baumwurzel beim Joggen) gelten. Hiedurch wurde der Außenmeniskus des rechten Kniegelenks der Klägerin „plötzlich von außen" (Art 6.1 AUVB) unmittelbar beeinflusst, sodass insoweit vom Vorliegen eines Versicherungsfalles auszugehen ist (vgl 7 Ob 286/02p = VersR 2004, 1159 bei einer ähnlichen Verletzung des Innenmeniskus des rechten Knies zufolge Ausrutschens).

Die Besonderheit des vorliegenden Falles liegt darin, dass die (im Revisionsverfahren dem Prozentwert nach unstrittige) Beinwertminderung durch den Vorschaden (die Sportverletzung beim Schifahren) einerseits und durch die bei der Klägerin (infolge des neuerlichen Sportunfalls) durchgeführte Arthroskopie mit anschließender Kniegelenksinfektion andererseits eingetreten ist. Da jedoch diese Arthroskopie nach den (schon im Berufungsverfahren unbestrittenen) Feststellungen des Erstgerichtes einen notwendigen Eingriff nach dem Unfall darstellte und als Folge des operativen Eingriffs auftrat, ist auch diesbezüglich an dem zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschädigung bstehenden adäquaten Kausalzusammenhang nicht zu zweifeln; Mitursächlichkeit ist hiefür ausreichend (Knappmann aaO Rn 23); dass auch „(nicht primäre) Wundinfektionen und sonstige durch die Unfallverletzung erst in weiterer Folge ausgelöste Krankheiten" unter den (Unfall-)Versicherungsschutz fallen, hat der Oberste Gerichtshof bereits zu 7 Ob 20/94 ausdrücklich ausgeführt (ebenso Schauer, Österreichisches Versicherungsvertragsrecht³ 497). Selbst ein - was hier weder behauptet wurde noch sonst aus dem Akt hervorgeht - zu dieser Behandlungskomplikation führender ärztlicher Kunstfehler würde daran im Regelfall nichts ändern (Knappmann aaO Rn 24; zum Versicherungsschutz bei Wundinfektion wegen adäquat kausaler Folge eines Unfallereignisses siehe auch Knappmann aaO 2554 Rn 5 zu AUB 61). Soweit in der Revision (mehrfach) argumentiert wird, dass die zur Infektion führende Arthroskopie „ausschließlich der Behebung des Vorschadens" (gemeint aus 1988) gedient habe, entfernt sie sich von den maßgeblichen Feststellungsgrundlagen der Vorinstanzen und bringt ihre Rechtsrüge damit nicht zur gesetzmäßigen Ausführung.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels ausdrücklich hingewiesen.

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