Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 22.131,-- (darin enthalten S 3.688,50 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Ehemann der Klägerin hatte bei der beklagten Partei zwei Lebensversicherungen mit zwei Unfalltod-Zusatzversicherungen über Versicherungssummen von wertgesicherten S 500.000,-- und S 220.000,-- abgeschlossen. In den Versicherungsverträgen wurde vereinbart, daß die Versicherungssummen bei Erleben an den Versicherungsnehmer, bei Ableben an die Klägerin auszuzahlen seien. Der Versicherungsnehmer verstarb am 19.10.1991. Todesursache war eine Polyradikulitis Guillain Barre mit einer Beteiligung des Gehirns und des Rückenmarks. Den Unfalltod-Zusatzversicherungen wurden die Besonderen Bedingungen für die Unfalltod-Zusatzversicherung, Nr 03, zugrundegelegt. Die hier wesentlichen Bestimmungen dieser Bedingungen lauten:
§ 2 (Begriff des Unfalles) Z 1: "Als Unfall im Sinne dieses Vertrages gilt jedes vom Willen des Versicherten unabhängige Ereignis, das plötzlich von außen mechanisch auf dessen Körper einwirkt."
§ 2 Z 3 lit a: "Als Unfälle gelten nicht: Krankheiten aller Art".
§ 3 (Begrenzung der Haftung) Z 2: "Der Versicherer haftet nicht, wenn
der Tod überwiegend durch eine mit dem Unfall nicht zusammenhängende Krankheit oder krankhafte Veränderung oder durch ein derartiges Gebrechen verursacht wurde".
§ 5 (Allgemeine Bestimmungen): "Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen finden, soweit nichts anderes bestimmt ist, sinngemäß auch auf die Unfalltod-Zusatzversicherung Anwendung".
Nach Art 2 Z 2 lit d der Allgemeinen Bedingungen für die Unfallversicherung, AUVB 1965, gelten als Unfälle auch folgende, vom Willen des Versicherten unabhängigen Ereignisse: "Wundinfektionen infolge einer Unfallverletzung..."
Gemäß Art 2 Z 3 lit a dieser Allgemeinen Bedingungen gelten als Unfälle nicht: "Krankheiten aller Art, insbesondere Berufs- und Gewerbekrankheiten, Malaria, Flecktyphus und sonstige übertragbare Krankheiten".
Die Klägerin begehrte auf Grund der Unfalltod-Zusatzversicherung ihres Mannes den der Höhe nach außer Streit stehenden Betrag von 772.969,-- sA und behauptete, daß die Ursache der zum Tod ihres Mannes führenden Erkrankung ein Zeckenbiß in den rechten Oberschenkel gewesen sei. Dadurch sei der Erreger der Borreliose übertragen worden. Der Zeckenbiß sei als Unfall im Sinn des § 2 Z 1 der Besonderen Bedingungen anzusehen. Wie sich aus § 3 Z 2 der Besonderen Bedingungen ergebe, hafte der Versicherer für die damit zusammenhängende, den Tod des Versicherungsnehmers ausschließlich verursachende Erkrankung.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie bestritt, daß der Versicherungsnehmer einen Zeckenbiß erlitten habe und daß dieser kausal für den Eintritt des Todes gewesen sei. Sie vertrat im übrigen die Rechtsansicht, daß die Krankheit des Versicherungsnehmers, selbst wenn sie durch einen Zeckenbiß hervorgerufen worden sein sollte, unter den Begriff der Krankheiten aller Art falle, die gemäß § 2 Z 3 der Besonderen Bedingungen vom Versicherungsschutz ausgenommen seien. Die in Art 6 AUVB 1988 enthaltene Ausnahme der durch Zeckenbiß übertragenen Frühsommer-Meningoencephalitis sei in den hier vereinbarten Besonderen Bedingungen nicht vorgesehen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Eine Infektionskrankheit falle unter den Begriff der Krankheiten aller Art, auch wenn sie durch einen Zeckenbiß übertragen worden sei. Es habe nicht der Zeckenbiß an sich, sondern die Tatsache, daß die Zecke infiziert gewesen sei, zur Krankheit geführt.
Das Gericht zweiter Instanz bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Es vertrat unter Verweisung auf deutsche Judikatur unf Lehre die Ansicht, daß Infektionskrankheiten, die auf einen unmittelbar durch Biß oder Stich übertragenen Krankheitserreger zurückgingen, nicht unter den Versicherungsschutz fielen. Der Hinweis der Klägerin auf § 3 Z 2 der Besonderen Bedingungen sei nicht zielführend, weil damit auch Wundinfektionen, bei denen der Ansteckungsstoff durch eine Unfallverletzung in den Körper gelangt sei, ausdrücklich vom Versicherungsschutz ausgenommen seien. Die Revision sei zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage des Versicherungsschutzes für derart übertragene Infektionskrankheiten fehle.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Klägerin ist aus dem vom Gericht zweiter Instanz angeführten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.
Nach Ansicht der deutschen Rechtsprechung und Lehre fällt auch der Biß oder Stich eines Tieres (auch eines Insektes) unter den in den deutschen AUB 1961 ähnlich definierten Unfallbegriff (OLG Hamm in VersR 1981, 673; OLG Hamm, VersR 1987, 253; Bruck-Möller-Wagner, VVG8 VI/I, Seite 408). Den Ausführungen der Revision ist auch insoweit beizupflichten, daß die Bestimmung des § 3 Z 2 der Besonderen Bedingungen bei isolierter Betrachtung für ihren Standpunkt spricht, nämlich das sich daraus ergebe, daß die Haftung der Versicherung bei einer auf den als Unfall zu wertenden Zeckenbiß zurückzuführenden Krankheit, die ausschließlich oder überwiegend Todesursache sei, bestehe. Im Zusammenhang mit der grundsätzlichen Unfalldefinition in § 2 Z 1 und der Bestimmung des § 2 Z 3 der Besonderen Bedingungen, wonach Krankheiten aller Art nicht als Unfall gelten, sowie den gemäß § 5 der Besonderen Bedingungen subsidiär heranzuziehenden Bestimmungen der AUVB 1965 ist diese Ansicht jedoch nicht aufrecht zu halten. In Art 2 Z 3 lit a AUVB 1965 werden die "Krankheiten aller Art" durch eine demonstrative Aufzählung, die unter anderem "Malaria, Flecktyphus und sonstige übertragbare Krankheiten" enthält, verdeutlicht. Diese Formulierung stellt klar, daß - auch - durch Insektenbiß oder Insektenstich übertragene Infektionskrankheiten (Malaria: durch einen Mückenstich; Flecktyphus: durch einen Läusebiß) keine Unfälle und daher nicht vom Versicherungsschutz umfaßt sind. Diese Bestimmung läßt sich mit § 3 Z 2 der Besonderen Bedingungen insoweit in Einklang bringen, als mit letzterer Bestimmung daher nur jene Erkrankungen gemeint sein können, die erst durch nach der Unfallverletzung in den Körper eindringende Stoffe oder Krankheitskeime hervorgerufen werden, also Infektionen, die nicht direkt durch die Unfallverletzung bewirkt werden, sondern ihr kausal und regelmäßig auch zeitlich nachfolgen. Gelangen aber die Krankheitserreger unmittelbar durch den Stich oder Biß in den Körper, ist dieses Ereignis gemäß Art 2 Z 3 lit a AUVB vom Versicherungsschutz ausgenommen.
In den vor 1988 in Deutschland in Geltung stehenden AUB wird im Zusammenhang mit den Infektionskrankheiten ausgeführt, daß Versicherungsschutz jedoch dann besteht, wenn es sich um Folgen eines unter die Versicherung fallenden Unfallereignisses handelt. Diese Bestimmung ist der insoweit negativ formulierten Bestimmung des § 3 Z 2 der Besonderen Bedingungen durchaus vergleichbar. In der deutschen Lehre und Rechtsprechung wird hiezu die Ansicht vertreten, daß Infektionskrankheiten, die durch Insektenbisse oder -stiche unmittelbar übertragen werden, nicht als Unfallsfolge im Sinn dieser Bestimmung anzusehen seien (Grimm, Unfallversicherung, S 65, Rz 42 zu § 2 AUB; Bruck-Möller-Wagner aaO, S 408 f; Wagner in ZVersW, Grenzfälle und Ausschlüsse in der privaten Unfallversicherung, S 644 f; Prölss-Martin, VVG24, S 1503 f; OLG Hamm in VersR 1981, 673 und in VersR 1987, 253). Der - in den im vorliegenden Fall zu prüfenden Bedingungen fehlende - Satz in den deutschen AUB: "Die Entstehungsursache der Infektionskrankheiten selbst gilt nicht als Unfallereignis" wird bloß als Verdeutlichung der sich schon aus den vorangehenden Bestimmung ergebenden Ausgrenzung der Infektionskrankheiten aus dem Unfallbegriff angesehen.
Der Verweis der beklagten Partei auf die Regelungen der AUVB 1988 über die durch den Zeckenbiß übertragene Frühsommer-Meningoencephalitis (Art 6 und 12) vermag ihren Standpunkt, daß allein das Fehlen einer derartigen Regelung in den Besonderen Bedingungen gegen die Haftung der beklagten Partei spreche, nicht zu rechtfertigen, weil im Zeitpunkt des Versicherungsvertragsabschlusses (Versicherungsbeginn: 1984) nicht die AUVB 1988, sondern die ganz anders formulierten AUVB 1965 in Geltung standen. Gemessen am Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers (vgl RdW 1989, 329 ua) sind die eingangs zitierten Bestimmungen der Besonderen Bedingungen und der AUVB 1965 in ihrem Zusammenhang dahin zu verstehen, daß Infektionskrankheiten unabhängig davon, wie die Infektion übertragen wurde, grundsätzlich nicht unter den Versicherungsschutz fallen. Anders ist es nur bei (nicht primären) Wundinfektionen und sonstigen durch die Unfallverletzung erst in weiterer Folge ausgelöste Krankheiten. Es besteht kein Anlaß, von der dargelegten Ansicht der deutschen Lehre zur Auslegung der in ihrem Wortsinn sehr ähnlichen Versicherungsbedingungen, die hier zu beurteilen sind, abzugehen. Dazu kommt, daß bei der Definition des Unfallbegriffes in den hier maßgebenden Besonderen Bedingungen noch das Wesenselement der "mechanischen" Einwirkung enthalten ist, während die vergleichbaren deutschen Bedingungen diese Einschränkung nicht mehr vorsehen (vgl hiezu Grimm aaO, S 43). Bei der Übertragung einer Krankheit durch Insektenbiß wird der Betroffene nicht durch die mechanische Einwirkung, nämlich den unter Umständen kaum merkbaren Biß, sondern durch das damit unmittelbar bewirkte Eindringen von Krankheitserregern in seinen Körper krank. Das Erfordernis der "mechanischen" Einwirkung spricht daher umso mehr dafür, daß die unmittelbar durch den Zeckenbiß erfolgte Infektion und die daraus resultierende Erkrankung nicht unter den Unfallbegriff und auch nicht unter den Begriff jener Erkrankungen fällt, die erst infolge eines Unfalles entstehen.
Da die Haftung der beklagten Partei somit selbst bei Unterstellung der Richtigkeit der Behauptung der Klägerin, die Erkrankung des Versicherungsnehmers sei auf einen Zeckenbiß zurückzuführen, zu verneinen ist, ist auf die noch in der Revisionsbeantwortung aufrechterhaltene Bestreitung dieser Behauptung nicht weiter einzugehen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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