OGH 10ObS110/07k

OGH10ObS110/07k11.9.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Markus Kaspar und Dr. Reinhard Drössler (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Vahid H*****, ohne Beschäftigung, *****, vertreten durch Mag. Peter Zivic, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Wiedner Hauptstraße 84-86, 1051 Wien, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen vorzeitiger Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 30. Mai 2007, GZ 7 Rs 40/07t-21, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 6. Dezember 2006, GZ 30 Cgs 10/06d-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Aus Anlass der Revision werden die Urteile der Vorinstanzen sowie das ihnen vorangegangene Verfahren als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit EUR 242,93 (darin EUR 40,49 USt) bestimmten anteiligen Kosten des Berufungsverfahrens und die mit EUR 166,56 (darin EUR 27,76 USt) bestimmten anteiligen Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der am 25. 4. 1939 geborene Kläger ist bosnischer Staatsbürger. Er war in Österreich von 1969 bis 1978 mit Unterbrechungen als Arbeiter in verschiedenen Branchen und Funktionen (Bau, Fleischhauerei) - stets unselbständig - erwerbstätig. Im März 1978 erwarb er letztmals Versicherungszeiten nach dem ASVG.

In Bosnien übte er vom 8. 5. 1980 bis 31. 12. 1991, nachdem ihm eine Gewerbeberechtigung für die Verrichtung von Maurerarbeiten erteilt worden war (die Berufsausbildung als Mauerer hatte der Kläger in Slowenien erworben), das Maurergewerbe als selbständiger Unternehmer (Ein-Mann-Betrieb) aus. Seither geht er keiner Beschäftigung mehr nach.

Pflichtversicherungszeiten als selbständiger bzw als gewerbetreibender Versicherter hat er (nur) nach dem bosnischen Sozialversicherungsrecht im Zeitraum 8. 5. 1980 bis 31. 12. 1991 erworben. In Österreich hat er nie eine selbständige Tätigkeit ausgeübt und auch keine Beitragszeiten nach dem GSVG erworben. Am 19. 10. 1999 stellte der Kläger beim bosnischen Versicherungsträger einen Antrag auf Gewährung einer Pensionsleistung wegen Krankheit, welche im zwischenstaatlichen Formblatt als „Invaliditätspension" bezeichnet war. Der Pensionsantrag wurde an die Pensionsversicherungsanstalt (PVA) weitergeleitet; eine Weiterleitung des Antrags durch die PVA an die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, erfolgte nicht. Die PVA sprach mit Bescheid vom 15. 1. 2003 aus, dass der Antrag des Klägers auf Zuerkennung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (§ 253d ASVG) abgelehnt werde.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger zu 34 Cgs 76/03k des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht rechtzeitig Klage mit dem Begehren, ihm eine vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit bzw eine Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren. Sein Begehren auf Gewährung der Invaliditätspension stützte der Kläger insbesondere auf die Bestimmung des § 67 (Abs 1 Z 2) ASGG (Säumnisklage), weil sein Antrag vom 19. 10. 1999 (auch) auf die Gewährung einer Invalitätspension gerichtet gewesen sei, die PVA in ihrem Bescheid vom 15. 1. 2003 aber nur über seinen Anspruch auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit abgesprochen habe. In diesem Verfahren verkündete der Kläger der nunmehr beklagten Partei den Streit. Nach dem Scheitern von Vergleichsgesprächen vereinbarte er mit der PVA in der Tagsatzung vom 30. 3. 2005 Ruhen des Verfahrens.

Am 30. 1. 2006 erhob der Kläger gegen die PVA beim Erstgericht eine als „Säumnisklage" bezeichnete und auf die Gewährung einer Invaliditätspension ab 1. 1. 2003 gerichtete Klage und brachte dazu vor, die PVA sei säumig, weil sie über seinen am 19. 10. 1999 beim bosnischen Versicherungsträger gestellten Antrag auf Gewährung einer Invaliditätspension noch nicht bescheidmäßig entschieden habe. Das Erstgericht wies die Klage unter Hinweis auf die vom Kläger bereits zu 34 Cgs 76/03k des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht eingebrachte Klage wegen Streitanhängigkeit zurück. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Den dagegen erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs des Klägers hat der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom 5. 12. 2006, 10 ObS 178/06h, mangels erheblicher Rechtsfrage ua mit folgender Begründung zurückgewiesen:

„Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, der gegenständlichen auf Gewährung einer Invaliditätspension ab 1. 1. 2003 gerichteten Säumnisklage stehe im Hinblick auf den vom Kläger bereits im noch streitanhängigen Verfahren 34 Cgs 76/03k des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht geltend gemachten identen Anspruch das Prozesshindernis der Streitanhängigkeit entgegen, steht daher im Einklang mit der herrschenden Lehre und Rechtsprechung. Dies gilt auch dann, wenn man die vom Kläger im erwähnten Parallelverfahren auf Gewährung einer Invaliditätspension gerichtete Säumnisklage als Eventualbegehren zu einem auf Gewährung einer vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit gerichteten Hauptbegehren qualifiziert. Die vom Kläger als rechtserheblich bezeichnete Frage der Zulässigkeit seiner Säumnisklage im erwähnten Parallelverfahren ist daher für die gegenständliche Entscheidung nicht von maßgebender Bedeutung."

Ebenfalls am 30. 1. 2006 erhob der Kläger eine „Säumnisklage" gegen die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, mit der er eine vorzeitige Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit gemäß § 131c GSVG (iVm dem AbkSozSi mit Bosnien-Herzegowina [BGBl III 229/2001]) in gesetzlicher Höhe ab 1. 11. 1999 begehrt. Dazu brachte er vor, (auch) die nunmehr beklagte Partei sei säumig, weil sie über seinen am 19. 10. 1999 beim bosnischen Versicherungsträger gestellten Antrag auf Gewährung einer „Invaliditätspension" noch nicht bescheidmäßig entschieden habe. Da sich im Verfahren 34 Cg 76/03k herausgestellt habe, dass der Kläger in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag mehr als 72 Beitragsmonate der Pflichtversicherung nicht als unselbständiger sondern als selbständiger Gewerbetreibender in Bosnien erworben habe, sei sein Antrag (auch) als ein solcher nach § 131c GSVG zu verstehen. Mit der Streitverkündung im genannten Verfahren sei die nunmehr beklagte Partei „dahingehend" bzw auf das Vorliegen sämtlicher Anspruchsvoraussetzungen für die vorzeitige Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit gemäß § 131c GSVG „aufmerksam gemacht" worden. Durch die von Österreich abgeschlossenen AbkSozSi sei auch der Anwendungsbereich des § 1 GSVG erweitert worden und umfasse nicht mehr nur die im Inland, sondern auch die im anderen Vertragsstaat zurückgelegten Versicherungszeiten.

Die beklagte Partei beantragte die Zurückweisung, hilfsweise die Abweisung der Säumnisklage. Sie erhob die Einreden der mangelnden Passivlegitimation und der entschiedenen Rechtssache. Da der Kläger in Österreich keine Pensionsversicherungszeiten nach dem GSVG erworben habe, sei er diesem nicht leistungszugehörig und die beklagte Partei nicht leistungszuständig. In den internationalen Verträgen werde keine innerstaatliche Zuständigkeit der beklagten Partei unter den Pensionsversicherungsträgern begründet. Die Zuständigkeit richte sich vielmehr nach § 129 GSVG und § 245 Abs 3 ASVG. Schon § 1 GSVG normiere, dass dieses Gesetz die Kranken- und Pensionsversicherung der „im Inland" selbständig Erwerbstätigen regle. Säumnis der beklagten Partei liege nicht vor. Das Erstgericht wies das Klagebegehren in Urteilsform zurück. Nach dem Grundsatz sozialer Rechtsanwendung sei der Antrag vom 19. 10. 1999 - obwohl er nur den Begriff Invaliditätspension „bezeichne" und in Österreich nur bei der PVA eingelangt sei - auch als ein solcher auf Gewährung einer vorzeitigen Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit gemäß § 131c GSVG zu werten und wäre daher an die beklagte Partei weiterzuleiten gewesen. Die Leistungszugehörigkeit des Klägers zum GSVG und damit die Leistungszuständigkeit der beklagten Partei seien jedoch zu verneinen, weil er in Österreich keine Beitragsmonate in der gewerblichen Sozialversicherung erworben habe. Daran könne auch das zwischenstaatliche Abkommen nichts ändern, weil die Frage der Leistungszuständigkeit nicht danach zu beurteilen sei, sondern nach § 245 Abs 3 ASVG. Mangels Säumnis der beklagten Partei sei der klägerische Anspruch daher „negativ zu bescheiden". Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es bestätigte das Ersturteil mit der Maßgabe, dass das Klagebegehren abgewiesen werde und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Die Leistungszuständigkeit der beklagten Partei sei eine Frage der passiven Klagslegitimation. Bei deren Fehlen hätte das Begehren nicht zurück- sondern abgewiesen werden müssen. Im Übrigen treffe die Beurteilung des Erstgerichtes jedoch zu und sei daher nur zu ergänzen wie folgt:

Der Oberste Gerichtshof habe zu 10 ObS 355/90 (SSV-NF 4/143 = RIS-Justiz RS0076339) festgehalten, dass für die Feststellung der Leistungszugehörigkeit und Leistungszuständigkeit in der Pensionsversicherung nur österreichische Versicherungszeiten berücksichtigt werden und eine solche Regelung nicht nur im dort anzuwendenden zwischenstaatlichen Abkommen zwischen Österreich und Schweden, sondern in allen Abkommen über soziale Sicherheit (AbkSozSi) vorgesehen sei. Inwieweit auch in den Vertragsstaaten erworbene Versicherungszeiten bei der Bestimmung der Leistungszugehörigkeit und -zuständigkeit berücksichtigt werden, bestimme sich grundsätzlich nach den Abkommen.

Das unstrittig anzuwendende AbkSozSi zwischen Österreich und Bosnien-Herzegowina sehe eine Regelung der Leistungszuständigkeit weder im Text selbst noch in der Durchführungsvereinbarung vor (BGBl III 229 und 230/2001). Grundsätzlich seien die im jeweiligen Vertragsstaat zurückgelegten Versicherungszeiten für die Feststellung der Leistungszugehörigkeit und -zuständigkeit aber nicht zu berücksichtigen; dies auch nach einem Rundschreiben des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger vom 23. 8. 1976 (betreffend die diesbezüglich konforme Gestaltung in nahezu allen von Österreich abgeschlossenen AbkSozSi) und auch nach Siedl/Spiegel. Am Grundsatz, dass der zuständige Pensionsversicherungsträger bei der Feststellung von Leistungsansprüchen nur eigenes Recht anzuwenden habe, werde in ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung festgehalten. Er habe daher nur Versicherungsfälle zu berücksichtigen, die nach dem für ihn maßgeblichen Versicherungssystem vorgesehen seien, was grundsätzlich auch für die Anrechnung von Versicherungszeiten aufgrund zwischenstaatlicher Abkommen gelte.

Der im AbkSozSi mit Bosnien-Herzegowina angeordneten Gleichstellung von im Vertragsstaat zurückgelegten Versicherungszeiten mit solchen, die im Inland zurückgelegt wurden, komme nur für die Anspruchsprüfung selbst Bedeutung zu, für die Frage der Leistungszuständigkeit sei daraus aber nichts zu gewinnen. Das Fehlen von in Österreich erworbenen Versicherungszeiten nach dem GSVG führe daher - wie bereits das Erstgericht erkannt habe - zur Verneinung der Leistungszuständigkeit der beklagten Partei, ohne dass dabei Billigkeitserwägungen anzustellen wären.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil die Leistungszuständigkeit von Sozialversicherungsträgern (nach § 129 GSVG und § 245 ASVG) bei im Beobachtungszeitraum ausschließlich im Ausland erworbenen Versicherungszeiten „oberstgerichtlicher Abklärung" bedürfe und die Entscheidung 10 ObS 355/90 ein Abkommen betroffen habe, welches die Frage der Leistungszugehörigkeit und -zuständigkeit ausdrücklich regelte.

Dagegen richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Zuerkennung einer vorzeitigen Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit ab dem 1. 11. 1999 abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt. Die Revision ist zulässig, im Ergebnis aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionswerber gesteht zwar ausdrücklich zu, dass im AbkSozSi mit Bosnien-Herzegowina (BGBl III 229/2001), das über kein Schlussprotokoll mehr verfüge, keine Regelung dahin enthalten sei, ob bzw inwieweit im anderen Vertragsstaat erworbene Versicherungszeiten für die Feststellung der Leistungszuständigkeit zu berücksichtigen seien. Er beruft sich jedoch weiterhin auf dessen Art 20 Abs 1, wonach für den Erwerb, die Aufrechterhaltung oder das Wiederaufleben eines Leistungsanspruches die im anderen Vertragsstaat zurückgelegten Versicherungszeiten (mit) zu berücksichtigen seien. Ein Leistungsanspruch lasse sich nämlich nur „unter Zugrundelegung" eines zuständigen Versicherungsträgers erwerben. Die Aufspaltung der Leistungszuständigkeit auf mehrere Versicherungsträger für unselbständig und für selbständig Erwerbstätige in Österreich im Zusammenhang mit der Judikatur, wonach jeder Versicherungsträger bei der Feststellung von Leistungsansprüchen nur eigenes Recht anwenden dürfe, führe zu dem unbefriedigenden Ergebnis, dass der Kläger bei Zusammenrechnung und Berücksichtigung der von ihm in beiden Vertragsstaaten erworbenen Versicherungszeiten zum Stichtag 1. 11. 1999 zwar alle Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 131c GSVG erfülle, dass er diesen Leistungsanspruch aber nicht „realisieren bzw erwerben" könne, weil es für dessen bescheidmäßige Zuerkennung in Österreich keinen zuständigen Versicherungsträger gebe. Im Hinblick auf die Unsachlichkeit dieses Ergebnisses regt der Kläger an, nochmals zu prüfen, ob hier „nicht doch" die in Österreich gemäß § 245 Abs 3 ASVG „leistungszuständige PVA" den Anspruch auf vorzeitige Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit gemäß § 131c GSVG zu gewähren hätte.

Diesen Ausführungen ist Folgendes entgegenzuhalten:

Zwischen den Parteien ist mit Recht nicht strittig, dass im Hinblick auf die am 19. 10. 1999 erfolgte Antragstellung des Klägers das Abkommen zwischen der Republik Österreich und Bosnien und Herzegowina über soziale Sicherheit vom 12. 2. 1999, BGBl III 2001/229, (im folgenden kurz: Abkommen) Anwendung zu finden hat (vgl Art 37 Abs 3 des Abkommens). Art 20 dieses Abkommens normiert grundsätzlich die Zusammenrechnung der österreichischen und bosnischen Versicherungszeiten - soweit sie nicht auf denselben Zeitraum entfallen - für die aus den Pensionsversicherungen der beiden Vertragsstaaten vorgesehenen Ansprüche aus den Versicherungsfällen des Alters, der geminderten Arbeitsfähigkeit bzw Erwerbsunfähigkeit und des Todes. Art 20 Abs 1 des Abkommens sieht daher vor:

Hängt nach den Rechtsvorschriften eines Vertragsstaates der Erwerb, die Aufrechterhaltung oder das Wiederaufleben eines Leistungsanspruches von der Zurücklegung von Versicherungszeiten ab, so hat der zuständige Träger dieses Vertragsstaates, soweit erforderlich, die nach den Rechtsvorschriften des anderen Vertragsstaates zurückgelegten Versicherungszeiten zu berücksichtigen, als wären es nach den von ihm anzuwendenden Rechtsvorschriften zurückgelegte Versicherungszeiten, soweit sie nicht auf dieselbe Zeit entfallen.

Für den Fall, dass auch ohne Zusammenrechnung der Versicherungszeiten der beiden Vertragsstaaten ein Anspruch auf eine österreichische Pension besteht, ist in Art 22 Abs 1 des Abkommens festgelegt, dass der zuständige österreichische Träger die Leistung ausschließlich aufgrund der nach den österreichischen Rechtsvorschriften zu berücksichtigenden Versicherungszeiten festzustellen hat. Art 22 Abs 2 des Abkommens sieht entsprechend Abs 1 die innerstaatliche Berechnung durch den zuständigen österreichischen Träger auch für jene Fälle vor, in denen nur unter Zusammenrechnung der Versicherungszeiten ein Leistungsanspruch besteht, und enthält für diese Fälle erforderliche ergänzende Regelungen. Die Feststellung der österreichischen Leistung erfolgt also auch nach dem hier anzuwendenden Abkommen durch den leistungszuständigen österreichischen Versicherungsträger, der die für ihn maßgebenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften anzuwenden hat (vgl auch SSV-NF 11/18 betreffend AbkSozSi - BRD).

Wie der Oberste Gerichtshof ebenfalls bereits ausgesprochen hat, sind in der Pensionsversicherung für die Leistungszuständigkeit und die Leistungszugehörigkeit eines Versicherten, der sowohl in Österreich als auch im Ausland Versicherungszeiten erworben hat, nur die österreichischen Versicherungszeiten zu berücksichtigen (SSV-NF 4/143 mwN = RIS-Justiz RS0076339; vgl auch Teschner/Widlar, MGA ASVG 82. Erg-Lfg § 245 Anm 3b). Nichts anderes kann im Hinblick auf das hier anzuwendende AbkSozSi - Bosnien gelten, zumal, wie auch der Revisionswerber selbst einräumt, dieses Abkommen keine anderslautende Regelung enthält und der „zuständige Träger" im Sinne dieses Abkommens in Art 1 Abs 1 Z 4 des Abkommens als der „Träger, bei dem eine Person im Zeitpunkt des Antrages auf Leistung versichert ist oder gegen den sie einen Anspruch auf Leistungen hat oder noch hätte, wenn sie sich im Gebiet des Vertragsstaates, in dem sie zuletzt war, aufhalten würde" definiert ist.

Der Kläger hat in der österreichischen Pensionsversicherung unbestritten im Zeitraum von 1969 bis 1978 ausschließlich Versicherungszeiten in der Pensionsversicherung der Arbeiter nach dem ASVG erworben, weshalb kein ernsthafter Zweifel darüber bestehen kann, dass er gemäß § 245 Abs 3 letzter Satz ASVG zur PVA leistungszugehörig und diese daher gemäß § 246 ASVG auch leistungszuständig ist. Wie der Oberste Gerichtshof unter Hinweis auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ebenfalls bereits mehrfach ausgesprochen hat, kann in der Tatsache, dass vom Gesetzgeber für die Frage der Leistungszugehörigkeit die dem Versicherungsfall zeitlich vorangehenden Lebensverhältnisse für maßgeblich erachtet werden, keine unsachliche Regelung erblickt werden (SSV-NF 16/19; 15/83 mwN). Ausgehend von der Leistungszugehörigkeit des Klägers zur Pensionsversicherung der Arbeiter kommt für ihn nach ständiger Rechtsprechung aus den Versicherungsfällen der geminderten Arbeitsfähigkeit nur der Versicherungsfall der Invalidität nach § 255 ASVG bzw aus den Versicherungsfällen des Alters allenfalls auch der Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit nach der hier noch anwendbaren Bestimmung des § 253d ASVG in Frage, nicht jedoch jener der Erwerbsunfähigkeitspension nach § 132 GSVG oder jener der vorzeitigen Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit nach der hier ebenfalls noch anwendbaren Bestimmung des § 131c GSVG, weil die beiden letztgenannten Versicherungsfälle im Leistungsrecht nach dem ASVG nicht vorgesehen sind. Folgte man dem vom Revisionswerber vertretenen Standpunkt, die gemäß § 245 Abs 3 ASVG leistungszuständige PVA, die jedoch im gegenständlichen Verfahren gar nicht Partei ist, hätte eine vorzeitige Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit gemäß § 131c GSVG zu gewähren, hätte die PVA in unzulässiger Weise einen Versicherungsfall zu berücksichtigen, der nach dem für sie maßgeblichen Versicherungssystem gar nicht vorgesehen ist. Gegenstand der Pensionsversicherung nach dem ASVG sind nämlich nur unselbständige Erwerbstätigkeiten (SSV-NF 16/19; 15/31; 15/83 mwN).

Nach Art 29 Abs 1 des hier anzuwendenden Abkommens sind Anträge, Erklärungen oder Rechtsmittel, die in Anwendung dieses Abkommens oder der Rechtsvorschriften eines Vertragsstaates bei einer Behörde, einem Träger oder einer sonstigen zuständigen Einrichtung eines Vertragsstaates eingereicht werden, als bei der entsprechenden Stelle des anderen Vertragsstaates eingereichte Anträge, Erklärungen oder Rechtsmittel anzusehen. Die in Anspruch genommene Stelle hat diese Anträge, Erklärungen oder Rechtsmittel entweder unmittelbar oder durch Vermittlung der Verbindungsstellen der Vertragsstaaten unverzüglich an die entsprechende zuständige Stelle des anderen Vertragsstaates zu übermitteln (Art 29 Abs 4 des Abkommens). In Österreich sind Anträge auf Leistungen gemäß § 361 Abs 4 Satz 1 ASVG beim örtlich und sachlich zuständigen Versicherungsträger einzubringen. Langt ein Antrag jedoch bei einem anderen Versicherungsträger oder bei einer Behörde der allgemeinen staatlichen Verwaltung ein, so ist der Antrag gemäß Satz 2 dieser Bestimmung ohne unnötigen Aufschub an den zuständigen Versicherungsträger weiterzuleiten. Diese Weiterleitungspflicht besteht auch dann, wenn ein Antrag an einen zuständigen Versicherungsträger erkennbar zusätzlich ein Begehren beinhaltet, zu dessen Entscheidung ein anderer Sozialversicherungsträger zuständig ist (vgl SSV-NF 5/128).

Es ist nun zwar richtig, dass bei der Beurteilung von Anträgen durch die Sozialversicherungsträger im Geiste sozialer Rechtsanwendung vorgegangen, also der Antrag im Zweifel zugunsten des Versicherten ausgelegt werden muss (RIS-Justiz RS0086446; 10 ObS 1/05b mwN). Der Versicherte soll insbesondere davor geschützt werden, materiell bestehende Ansprüche aus formellen Gründen zu verlieren (SSV-NF 18/78). Die Fiktion von tatsächlich nicht gestellten Anträgen lässt sich freilich - wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach betont hat - auch aus den Grundsätzen sozialer Rechtsanwendung nicht ableiten (RIS-Justiz RS0085092 [T3, T5 und T7]; RS0086446 [T1]; 10 ObS 1/05b mwN; jüngst 10 ObS 72/06w).

Der vom Kläger am 19. 10. 1999 beim bosnischen Versicherungsträger unter Verwendung eines zwischenstaatlichen Formblattes gestellte Antrag auf Gewährung einer „Invaliditätspension" wurde an die - im Sinne der dargelegten Ausführungen - allein leistungszuständige PVA weitergeleitet. Die PVA hat diesen Antrag in sozialer Rechtsanwendung (vgl die in SSV-NF 18/78 dargestellten Ausnahmefälle, in denen aufgrund von Anträgen auf Invaliditäts- bzw Berufsunfähigkeitspension bescheidmäßig [auch] über vorzeitige Alterspensionen wegen geminderter Arbeitsfähigkeit abgesprochen wurde, wenn der Versicherte die altersmäßigen Voraussetzungen für diese Pensionsleistung nach § 253d ASVG erfüllte) als solchen auf Gewährung einer vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (§ 253d ASVG) behandelt und darüber bescheidmäßig abgesprochen. Der Sozialversicherungsträger (oder eine zur Weiterleitung gemäß § 361 Abs 4 ASVG verpflichtete Behörde) ist aber nicht verpflichtet, jedes Anbringen, dem erkennbare Hinweise auf ein bestimmtes Begehren fehlen, nach allen Richtungen dahin „auszuloten", „wer mit der Eingabe allenfalls sonst noch befasst werden kann", um eine mögliche „versteckte" Antragstellung aufzuspüren (vgl Fink, Die sukzessive Kompetenz im Verfahren in Sozialrechtssachen 335 mwN). Sind daher in einem Pensionsantrag keinerlei Hinweise darauf enthalten, dass der Versicherte neben der ausdrücklich beantragten auch noch eine andere Leistung anstrebt, und würde der Versicherungsträger dennoch in dieser Richtung tätig, würde er einen Antrag des Versicherten fingieren, was auch aus dem Grundsatz der sozialen Rechtsanwendung nicht abgeleitet werden könnte.

Für die PVA bestanden im vorliegenden Fall keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme, der Pensionsantrag des Klägers umfasse neben der ausdrücklich beantragten Leistung auch einen Antrag auf Gewährung einer vorzeitigen Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 131c GSVG, zumal die PVA für die Gewährung der vom Kläger beantragten Pension nach den maßgebenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften allein leistungszuständig war und das von der PVA anzuwendende Leistungsrecht des ASVG eine solche Pensionsleistung gar nicht vorsieht. Es bestand für die PVA aber auch kein Anlass, den Pensionsantrag des Klägers an die - gar nicht leistungszuständige - beklagte Partei weiterzuleiten.

Da der Pensionsantrag des Klägers somit nicht auch als Antrag auf Gewährung der vorzeitigen Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 131c GSVG zu werten ist, liegt auch kein Säumnisfall im Sinne des § 67 Abs 1 Z 2 lit b ASGG vor. Es fehlt somit in Ansehung des vom Kläger geltend gemachten Begehrens auf Gewährung einer vorzeitigen Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit an einer wesentlichen Voraussetzung für die Erhebung der Klage. Gemäß § 73 ASGG ist die Klage in diesem Fall in jeder Lage des Verfahrens zurückzuweisen und das von den Vorinstanzen über den Anspruch des Klägers geführte Verfahren für nichtig zu erklären (SSV-NF 18/78; RIS-Justiz RS0085092 [T 11]).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Im Hinblick auf die rechtlichen Schwierigkeiten des Falles und die offenbar angespannten finanziellen Verhältnisse des Klägers (monatliche Alterspension: EUR 214,27 [AS 139]) entspricht es der Billigkeit, dem Kläger trotz seines gänzlichen Unterliegens im Rechtsmittelverfahren - neben dem bereits erfolgten teilweisen Zuspruch der Berufungskosten - auch die Hälfte seiner Revisionskosten zuzuerkennen (10 ObS 116/04p).

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