OGH 5Ob159/07d

OGH5Ob159/07d28.8.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei Dr. Wolfgang P*****, vertreten durch Dr. Frank Riel und andere Rechtsanwälte in Krems, gegen die beklagten Parteien 1) Nikola Iliev K*****, vertreten durch Mag. Sigrid Räth, Rechtsanwältin in Tulln (7 C 3228/04m), 2) M*****-Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Ehrlich-Rogner & Schlögl Rechtsanwalts-Partnerschaft in Wien (7 C 1534/05w), jeweils wegen EUR 2.336,20 s.A. und Feststellung (Streitwert jeweils eingeschränkt EUR 6.987,85), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 28. Dezember 2006, GZ 35 R 471/06h-31, mit dem das Urteil des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 7. Juni 2006, GZ 7 C 3228/04m, 7 C 1534/05w-25, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision und die Revisionsbeantwortungen werden zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der Erstbeklagte wollte seine in Wien 3 gelegene Eigentumswohnung verkaufen und beauftragte ein Immobilienmaklerunternehmen mit der Suche nach einem Käufer. Die Objektbeschreibung enthielt den Kaufpreis von ATS 800.000/EUR 58.138,27, die Betriebskosten von EUR 287,98 sowie den Hinweis auf ein (grundbücherlich angemerktes) § 18 MRG-Verfahren mit einer Laufzeit bis Juli 2004. Diese Informationen beruhten auf den Angaben des Geschäftsführers der Zweitbeklagten (Hausverwalterin des Objektes). Tatsächlich hatte sich aufgrund der umfangreichen Sanierungsarbeiten ein Fehlbetrag von EUR 508.700 ergeben, was der Geschäftsführer der Zweitbeklagten dem Makler nicht mitgeteilt hatte.

Mit Kaufvertrag vom 20. 3. 2002 erwarb der Kläger vom Erstbeklagten dessen Miteigentumsanteile an der Liegenschaft verbunden mit Wohnungseigentum an der Wohnung Nr 47 um einen Kaufpreis von EUR 53.777,90. Weder die Vertragsparteien noch der Vertragserrichter waren über den aushaftenden Sanierungsaufwand von über 500.000 EUR informiert. Im Kaufvertrag verpflichtete sich der Erstbeklagte als Verkäufer, den Kaufgegenstand frei von bücherlichen und außerbücherlichen Lasten zu übergeben.

Am 27. 3. 2002 informierte die Zweitbeklagte die Wohnungseigentümergemeinschaft des Hauses unter anderem über den aushaftenden und fremd zu finanzierenden Sanierungsaufwand von EUR

508.700. Dieser Aufwand betrifft Sanierungsmaßnahmen, die vor Unterfertigung des Kaufvertrages durchgeführt wurden. Der Erstbeklagte leitete diese Information nicht an seinen Vertragspartner, den Kläger weiter. Dieser erfuhr erstmals durch ein Schreiben der Zweitbeklagten vom 23. 9. 2002 von dem zusätzlichen Aufwand für durchgeführte Sanierungen. Auch nach Juli 2004 wurden dem Kläger monatlich EUR 116,81 („§ 18-MRG-Vorschreibung") vorgeschrieben.

Der Kläger begehrte zuletzt jeweils EUR 2.336,20 sA als Ersatz für die ab August 2004 vorgeschriebenen und bezahlten EUR 116,81 monatlich sowie Feststellung der Haftung für zukünftige Leistungen des Klägers im Zusammenhang mit den Sanierungsarbeiten. Er habe auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Informationen durch die Beklagten vertraut. Bei Kenntnis des zusätzlichen Sanierungsaufwandes und der auch nach Juli 2004 bestehenden Leistungspflicht des Wohnungseigentümers hätte der Kläger eine Reduktion des Kaufpreises um den kapitalisierten Wert der Zahlungen („wahrscheinlich rund EUR 9.605") erreicht. Der Erstbeklagte hafte für den Schaden wegen Verletzung der vertraglichen Pflicht zur Lastenfreistellung sowie von Aufklärungspflichten. Die Haftung der Zweitbeklagten beruhe auf ihrer grob unrichtigen und teils unvollständigen Auskunft. Das Erstgericht gab den Klagebegehren statt. Der Erstbeklagte habe die Verpflichtung zur Lastenfreistellung nicht erfüllt und überdies - ebenso wie die Zweitbeklagte als Organ der „Miteigentümerschaft" - Aufklärungspflichten gegenüber einem zukünftigen Mitglied der Gemeinschaft verletzt.

Hingegen verneinte das von den Beklagten angerufene Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten und wies die Klagebegehren ab. Sanierungskosten stellten keine bücherlichen oder außerbücherlichen Lasten im Sinne der Vertragsbestimmung dar. Mangels (zumutbarer) Kenntnis des Erstbeklagten vom Sanierungsaufwand zum maßgeblichen Zeitpunkt der Vertragserrichtung komme eine Verletzung von Aufklärungspflichten nicht in Betracht. Die Verantwortlichkeit der Zweitbeklagten für falsche Auskünfte setze nach § 1300 ABGB entweder ein Vertragsverhältnis zum Kläger oder vorsätzliche Fehlinformationen voraus; beides sei hier nicht verwirklicht.

Über Antrag des Klägers änderte das Berufungsgericht seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision ab und begründete dies mit fehlender höchstgerichtlicher Judikatur zu dem Begriff „frei von außerbücherlichen Lasten" und zu der Haftung eines Hausverwalters bei Auskünften gegenüber einem Kaufinteressenten eines Wohnungseigentumsobjektes.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes nicht zulässig.

I) Die Revisionsgründe der Aktenwidrigkeit und der Mangelhaftigkeit

des Verfahrens wurden geprüft; sie liegen beide nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

II) Haftung des Erstbeklagten und Verkäufers:

1) Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn aufgrund einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS-Justiz RS0042936). Ein derartiges unvertretbares Ergebnis lässt die Auffassung des Berufungsgerichtes, den zusätzlichen Sanierungsaufwand nicht von der Depurierungspflicht des Verkäufers umfasst zu sehen, nicht erkennen. Der im Vertrag verwendete Begriff „Lasten" findet sich in § 443 Satz 1 ABGB: Danach werden mit dem Eigentum unbeweglicher Sachen auch die darauf haftenden, in den öffentlichen Büchern angemerkten Lasten übernommen. Auch wenn in Betracht gezogen wird, dass der Erwerber nicht im Grundbuch eingetragene Lasten wie offenkundige Servituten (Eccher in KBB² § 443 Rz 1) oder öffentlich-rechtliche Lasten (Hinteregger in Schwimann ABGB³ § 443 Rz 4) oder später eingetragene, aber im Rang vorgehende Lasten (Hinteregger aaO Rz 3) übernehmen muss, liegt es nahe, den im Vertrag verwendeten Begriff „Lasten" in Richtung einer reinen Sachhaftung der Liegenschaft oder so zu interpretieren, dass ein dieser Haftung nahekommender besonderer Sachbezug vorausgesetzt wurde. Dass zu derartigen Lasten keine erst nach dem Verkauf der Liegenschaftsanteile vorgeschriebenen Beitragsleistungen zur Sanierung der Liegenschaft gehören, ist jedenfalls vertretbar. Die Haftung des beklagten Verkäufers kann daher nicht auf Gewährleistungsrecht gestützt werden.

2) Der Verkäufer hat den Kaufinteressenten im vorvertraglichen Schuldverhältnis ua über die Beschaffenheit des in Aussicht genommenen Kaufobjektes aufzuklären. Eine durch Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten hervorgerufene irrige Vorstellung des Klägers im Zusammenhang mit dem Sanierungsaufwand wäre grundsätzlich als Geschäftsirrtum zu werten (1 Ob 183/00v = SZ 73/160 mwN). Die schuldhafte Verletzung derartiger Aufklärungspflichten durch einen Verhandlungs/Geschäftsgehilfen des erstbeklagten Verkäufers wäre nach § 1313a ABGB letzterem zurechnen (1 Ob 183/00v; RIS-Justiz RS0016200; Bollenberger in KBB² § 874 ABGB Rz 2).

Der Verwaltervertrag ist nach Lehre und Judikatur ein Bevollmächtigungsvertrag zwischen der Eigentümergemeinschaft als Machtgeber und dem Verwalter (Würth/Zingher/Kovanyi Miet- und Wohnrecht21 § 19 WEG Rz 4; 5 Ob 61/99b = wobl 1999/111 = MietSlg 51.537; RIS-Justiz RS0110934). Der Hausverwalter ist aber nicht bevollmächtigter Vertreter des einzelnen Mit- und Wohnungseigentümers. Die in der Revision bemühte Konstruktion der Eigenschaft der Hausverwaltung als Vertragspartner und damit Erfüllungsgehilfe (§ 1313a ABGB) des erstbeklagten Verkäufers und Wohnungseigentümers überzeugt daher schon deshalb nicht.

Eine schadenersatzrechtliche Haftung des Erstbeklagten für die unzureichende Aufklärung durch den Immobilienmakler als Verhandlungsgehilfen würde jedenfalls eine schuldhafte Verletzung einer vorvertraglichen Aufklärungspflicht erfordern, was das Berufungsgericht hier mangels bei Kaufvertragsabschluss vorliegender Kenntnis sowohl des erstbeklagten Verkäufers als auch des Maklers von dem Sanierungsaufwand in durchaus vertretbarer Weise verneint hat. Die im Zulassungausspruch aufgeworfene Frage, ob das Verhalten der Hausverwaltung als Verhandlungsgehilfe dem Erstbeklagten zuzurechnen ist, muss aus folgenden Erwägungen nicht beantwortet werden:

Bei der Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten ist der Vertrauensschaden (das negative Vertragsinteresse) zu ersetzen. Der Geschädigte ist so zu stellen, wie er bei ordnungsgemäßer Aufklärung stünde (1 Ob 183/00v; Bollenberger aaO § 874 ABGB Rz und § 1294 ABGB Rz 5). Eine ordnungsgemäße Aufklärung über die nach Juli 2004 andauernde Vorschreibung hätte den Kläger vor die Wahl gestellt, entweder vom Vertrag Abstand zu nehmen oder allenfalls das Objekt zu einem geringeren Kaufpreis zu übernehmen. Das rechtmäßige Alternativverhalten (ordnungsgemäße Aufklärung) hätte ihn aber bei Kauf des Objektes nicht von den ihm vorgeschriebenen Sanierungskosten entlastet. Der Kläger strebt aber nicht die Aufhebung des Vertrages nach § 871 ABGB wegen eines wesentlichen Irrtums an und macht auch keine Vertragsanpassung im Sinn des § 872 ABGB geltend. Dieser Anspruch auf Anpassung würde jedenfalls einen im Kontrahierungszeitpunkt übereinstimmenden (tatsächlichen oder hypothetischen) Willen voraussetzen, den Vertrag mit einem anderen Inhalt zu schließen (RIS-Justiz RS0016237; RS0016262; Bollenberger in KBB² § 872 ABGB Rz 2; Rummel in Rummel³ § 872 ABGB Rz 7). Die entsprechende Behauptungs- und Beweislast trifft denjenigen, der sich auf den Irrtum beruft und Vertragsanpassung begehrt (3 Ob 13/07v; Bollenberger aaO Rz 4; Rummel aaO). Die übereinstimmende gewollte Reduktion des Kaufpreises bei Kenntnis des Sanierungsaufwandes (auf welchen Betrag?) lässt sich weder den Feststellungen noch den Revisionsausführungen entnehmen, zumal das Leistungsbegehren des Klägers auf die ihm bisher vorgeschriebenen und bezahlten monatlichen Vorschreibungen gestützt wird.

III) Haftung der Zweitbeklagten und Hausverwaltung

1) Der Kläger sieht in seiner Revision die Haftung des Hausverwalters gegenüber dem Kaufinteressenten auf culpa in contrahendo (cic) gegründet. Wie bereits erwähnt, ist der Hausverwalter nicht Vertragspartner des einzelnen Mit- und Wohnungseigentümers. Die Beziehung aus dem Verwaltervertrag besteht ausschließlich zur Eigentümergemeinschaft, die der Verwalter vertritt (§ 18 Abs 2 Z 1 lit a WEG 2002). Damit scheidet eine vorvertragliche Beziehung zu dem Interessenten eines Wohnungseigentumsobjektes aus, was aber idR Grundvoraussetzung für einen Schadenersatzanspruch wegen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten wäre. Die in der Revision zitierte Entscheidung 8 Ob 622/90 (SZ 64/104) betrifft keine vergleichbare Konstellation: Dort ging es um die auf cic gestützte Haftung eines Hausverwalters als Scheinvertreter, der gegenüber den Mietern im Namen der Hauseigentümer einen bestimmten Ablösebetrag forderte, einen Großteil davon aber nicht an die Vermieter, sondern - ohne entsprechenden Auftrag der Hauseigentümer - an den Vormieter weiterleitete. Den Mietern entstand ein (Prozess-)Schaden durch die Geltendmachung des gesamten Ablösegeldbetrages gegenüber den Hauseigentümern, die bezüglich des ihnen nicht zugeflossenen Ablösebetrages nicht passiv legitimiert waren. Der entscheidende Unterschied liegt darin, dass der Hausverwalter in dieser Konstellation Bevollmächtigter der Hauseigentümer war und auch als solcher aufgetreten ist; auf das Verhältnis zwischen Wohnungseigentümer und Verwalter des Hauses trifft dies - wie bereits mehrfach erwähnt - nicht zu. Ein ausgeprägtes und unmittelbares Interesse der Hausverwaltung am Abschluss des Kaufvertrages, das Aufklärungspflichten gegenüber dem klagenden Kaufinteressenten auslösen und bei schuldhafter Verletzung dieser Sorgfaltspflichten Schadenersatzansprüche begründen könnte (vgl Bollenberger aaO § 874 Rz 3; 4 Ob 2308/96g = SZ 69/240), ist in diesem konkreten Einzelfall nicht unbedingt ersichtlich.

2) Die Haftung für eine (auch leicht) fahrlässig unrichtige Auskunft oder einen ebensolchen Rat setzt jedenfalls eine Sonderbeziehung zwischen Auskunftssuchendem und Ratgeber voraus; dazu zählen Verträge, Schuldverhältnisse aus vorvertraglichem oder sonstigem geschäftlichen Kontakt ebenso wie öffentlich-rechtliche Schuldverhältnisse (RIS-Justiz RS0026596). Entscheidend ist, ob die Beratungsleistung im Rahmen bzw der Vorbereitung eines insgesamt entgeltlichen Geschäftes erbracht wurde, dies den Geschäftsabschluss beeinflusste (1 Ob 43/92 = SZ 66/129 = RIS-Justiz RS0026596 [T 6]), somit der Rat aus nicht reiner Gefälligkeit, also nicht selbstlos erteilt wurde (Karner in KBB² § 1300 ABGB Rz 2; Reischauer in Rummel³ § 1300 ABGB Rz 7). Soweit der Revisionswerber bei diesem Anspruchsgrund neuerlich die zukünftige vertragliche Verpflichtung zwischen Hausverwalter und Wohnungseigentümer betont, ist ihm entgegenzuhalten, dass eine derartige vertragliche Beziehung nicht besteht. Auch in diesem Punkt ist es vertretbar, dass das Berufungsgericht eine derartige Sonderbeziehung verneint hat. Außerhalb einer vertraglichen oder sonstigen geschäftlichen Sonderbeziehung setzt eine Haftung für eine falsche Auskunft nach § 1300 Satz 2 ABGB eine wissentlich falsche Erteilung von Rat und Auskunft mit Schädigungsvorsatz voraus (4 Ob 252/00p = ÖBA 2001/991; Karner aaO Rz 4). Einen derartigen Schädigungsvorsatz behauptet der Kläger jedenfalls nicht.

3) Ein auf die eben behandelten Anspruchsgründe gestützter Schadenersatzanspruch gegen die Hausverwaltung wäre ebenso wie im Verhältnis zum erstbeklagten Verkäufer auf den Ersatz des Vertrauensschaden gerichtet, den der Kläger aber - wie bereits erwähnt - nicht geltend macht.

Aus diesen Erwägungen war die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage als unzulässig zurückzuweisen.

IV) Die Revisionsbeantwortungen sind verspätet:

Die jeweils am 29. 6. 2007 zur Post gegebenen Rechtsmittelbeantwortungen waren beide entgegen § 507b Abs 3 ZPO nicht an das Berfungsgericht, sondern an das Erstgericht gerichtet, wo sie am 2. 7. 2007 eingelangten. Die Weiterleitung an das Berufungsgericht erfolgte am 1. 8. 2007. Schon zum Zeitpunkt des Einlangens beim Erstgericht war die vierwöchige Frist zur Erstattung der Revisionsbeantwortungen (§ 507a Abs 1 ZPO) abgelaufen, weshalb die Rechtsmittelgegenschriften als verspätet zurückgewiesen wurden (Klauser/Kodek, JN - ZPO § 507b ZPO E 2).

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