OGH 3Ob169/07k

OGH3Ob169/07k16.8.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Hon. Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Verlassenschaft nach der am 6. Juni 2005 verstorbenen Rosa S*****, vertreten durch die erbantrittserklärten Erben 1. Christa H*****, 2. Hildegard B*****, beide vertreten durch Lechner Wirleitner Oberlindober Niedermayr, Rechtsanwälte in Steyr, 3. Eduard S*****, vertreten durch Dr. Josef Goja, sowie 4. Ing. Gerhard M*****, 5. Siegfried M*****, 6. Eduard G*****, 7. Renate N*****, 8. Karl Wilhelm G*****, und 9. Petra G*****, alle vertreten durch Dr. Bernhard Kettl, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die verpflichtete Partei Mag. Hannelore S*****, vertreten durch Dr. Michael Schwingl, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Erwirkung unvertretbarer Handlungen (§ 354 EO), infolge Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 31. Mai 2007, GZ 1 R 146/07a-9, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 19. Februar 2007, GZ 7 E 24/07v-6, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs der betreibenden Partei wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Der betreibenden Partei werden die mit 199,87 EUR (darin 33,31 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekurses als weitere Exekutionskosten bestimmt.

Text

Begründung

Die Verpflichtete ist Stiftungsprüferin der mit Beschluss des Firmenbuchgerichts vom 28. Oktober 2002 nach erfolgtem Widerruf der Stiftung aufgelösten, von Rosa S***** errichteten Privatstiftung. Mit dem Beschluss des Firmenbuchgerichts vom 27. Jänner 2005 wurde der Stiftungsprüferin aufgetragen, „der Stifterin die Prüfberichte über die Prüfung der Jahresabschlüsse 2000 bis 2003 sowie, falls schon vorliegend, für das Jahr 2004 binnen 14 Tagen vorzulegen". Diesem Beschluss wurde die Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsbestätigung am 12. Dezember 2006 erteilt (Fr 10318/04s-6 des Landesgerichts Klagenfurt). Die Stifterin verstarb am 6. Juni 2005. Im Verlassenschaftsverfahren gaben die insgesamt neun gesetzlichen Erben bedingte Erbserklärungen ab. Der mit der Abhandlung betraute Gerichtskommissär bestätigte mit seiner Amtsbestätigung vom 15. Mai 2006 gemäß § 172 AußStrG, dass die erbantrittserklärten Erben gemeinsam berechtigt sind, die Verlassenschaft iSd § 810 ABGB zu vertreten.

Am 8. Februar 2007 beantragte die durch die Erben vertretene Verlassenschaft die Exekution zur Erzwingung der Vorlage der Prüfberichte unter Androhung der Verhängung einer Geldstrafe (§ 354 EO). Die Verpflichtete bestritt die Antragslegitimation der Erben. Das Stiftungsvermögen sei nicht Bestandteil des Nachlasses. Die Erben seien nicht Letztbegünstigte der Privatstiftung. Im Übrigen habe die Verpflichtete die Prüfberichte für die Jahre 2000 und 2001 ausgefolgt. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung eines anhängigen Verfahrens über einen Antrag der durch die Sachwalterin vertretenen Stifterin auf Abänderung der Stiftungserklärung bestehe keine Herausgabepflicht der Verpflichteten.

Das Erstgericht gab dem Exekutionsantrag statt und bewilligte ferner auch die Fahrnisexekution zur Hereinbringung der Kosten des Exekutionsantrags. Im Exekutionsantrag müsse der betreibende Gläubiger nicht behaupten, dass die geschuldete unvertretbare Handlung nicht vorgenommen worden sei. Der Tod einer Partei des Exekutionsverfahrens sei kein Fall eines Rechtsübergangs iSd § 9 EO. Die Ausführungen der Verpflichteten zum Rechtsübergang gingen ins Leere. Hier hätten auch nicht die Erben den Exekutionsantrag gestellt, sondern die Verlassenschaft. Der Einwand, dass der Anspruch bereits erfüllt sei, könne nur im Wege einer Klage geltend gemacht werden.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Verpflichteten Folge und wies den Exekutionsantrag ab. Die Besonderheit des Falles liege darin, dass der noch zu Lebzeiten der Stifterin geschaffene Exekutionstitel auf deren Stiftereigenschaft Bezug nehme („... aufgetragen, der Stifterin die Prüfberichte der ... vorzulegen"). Die Stellung eines Stifters erlösche aber mit dem Tod, sodass die aus dem Exekutionstitel Berechtigte nicht ident sei mit der Verlassenschaft.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 20.000 EUR übersteige und dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Mit ihrem ordentlichen Revisionsrekurs beantragt die Verlassenschaft nach der Stifterin, den erstinstanzlichen Beschluss wiederherzustellen.

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionsrekurswerberin steht zusammengefasst auf dem Standpunkt, dass die Verlassenschaft nach Rosa S***** mit dieser identisch sei und dass der betriebene Anspruch mit dem Tod der Stifterin nach dem grundsätzlichen „Prinzip der generellen Vererbbarkeit" nicht erloschen sei. § 3 Abs 3 PSG verbiete nur den Übergang von Gestaltungsrechten des Stifters. Der Anspruch auf Vorlage von Prüfberichten falle nicht darunter. Nach der Stiftungsurkunde sei die Stifterin fakultatives Organ der Privatstiftung gewesen. Aufgrund dieser Funktion stehe die betriebene Forderung für den Zeitraum bis zum Ableben der Stifterin dem Nachlass zu. Aufgrund des Widerrufs der Stiftung hätten aber auch die Erben selbst vererbliche Informationsansprüche zur Wahrung von vermögenswerten Ansprüchen aus dem Widerruf der Stiftung. Zu diesem Rechtsmittelvorbringen ist folgendes auszuführen:

Dass im außerstreitigen Verfahren ergangene Beschlüsse des Firmenbuchgerichts über Auskunftsansprüche wirksame Exekutionstitel bilden (§ 1 Z 6 EO) ist nicht zweifelhaft und wird von der Verpflichteten auch gar nicht bestritten. Ihrer Rechtsansicht über eine fehlende Antragslegitimation der Erben sind die zutreffenden Ausführungen des Rekursgerichts entgegenzuhalten, dass hier die Verlassenschaft, vertreten durch die noch nicht eingeantworteten Erben, als antragstellende Gläubigerin auftritt. Ihre Rechte sind grundsätzlich mit denjenigen der verstorbenen Stifterin identisch. Ausgenommen davon können nur höchstpersönliche und deshalb nicht vererbliche Rechte sein. Dazu ist folgendes auszuführen:

1. Die grundsätzliche Identität der Rechtspersonen (Verstorbene; Verlassenschaft, vertreten durch die Erben vor der Einantwortung; Erbengemeinschaft nach der Einantwortung) soll nach Auffassung des Rekursgerichts hier deshalb nicht gegeben sei, weil im Exekutionstitel die Verpflichtung festgelegt wurde, „der Stifterin" die Prüfberichte auszufolgen. Die Rechtsstellung der Stifterin sei aber mit ihrem Tod erloschen. Diese aus § 3 Abs 3 PSG (nach dieser Gesetzesstelle gehen die Rechte des Stifters, die Privatstiftung zu gestalten, auf die Rechtsnachfolger nicht über) abgeleitete Schlussfolgerung wäre nur dann richtig, wenn entweder nach dem generellen Privatstiftungsrecht dem Stifter einer Privatstiftung stets einzig und allein nur die höchstpersönlichen Gestaltungsrechte, also das Recht auf Änderung der Stiftungserklärung (§ 33 PSG) und auf Widerruf der Privatstiftung (§ 34) zustünden oder aber mit der Anführung der Funktion (Stifterin) bei der Bezeichnung der betreibenden Partei im Exekutionstitel der betriebene Informationsanspruch konstitutiv zu einem höchstpersönlichen Recht erklärt worden wäre. Das letzteres nicht zutrifft, liegt auf der Hand, weil dem Firmenbuchgericht nicht unterstellt werden kann, es habe mit der (überflüssigen) Bezeichnung der antragstellenden Stifterin meritorisch und konstitutiv den rechtlichen Charakter des betriebenen Anspruchs iS einer Umwandlung in ein höchstpersönliches Recht festlegen wollen.

2. Der Stifterin können im Rahmen der Privatstiftung durchaus zahlreiche nicht höchstpersönliche Rechte zustehen:

a) Vor Errichtung der Privatstiftung ist der Stifter nämlich bei der Gestaltung der Stiftungserklärung weitgehend frei. Nach Entstehen der Privatstiftung als Rechtsträger ist diese vom Stifter allerdings vollständig getrennt. Er ist nicht Mitglied der Stiftung oder Eigentümer des Stiftungsvermögens. Durch die Errichtung der Stiftung hat der Stifter den Zugriff auf das Vermögen verloren. Er kann in das Stiftungsgeschehen grundsätzlich nicht mehr eingreifen. Einflussmöglichkeiten können sich nur aus der Stiftungserklärung und aus dem Recht zur Änderung der Stiftungserklärung oder zum Widerruf der Stiftung ergeben. Das Gesetz sieht keine Kontrollrechte des Stifters vor (6 Ob 85/01w = SZ 74/92; RIS-Justiz RS0115131).

b) Diese Loslösung des Stifters von der Privatstiftung findet sich in der Praxis allerdings selten. Aufgrund der dem Stifter sehr weitgehend eingeräumten Gestaltungsmöglichkeiten bei der Errichtung der Privatstiftung kann sich der Stifter schon in der Stiftungserklärung zahlreiche Rechte einräumen, auch klagbare und vererbliche Ansprüche, etwa auf Leistung von laufenden Zuwendungen (3 Ob 217/05s; 3 Ob 16/06h; Arnold, PSG2, § 6 Rz 47 und 54). Wenn dem Stifter schon ein klagbarer Anspruch auf Leistung einer konkreten Zuwendung gegen die Privatstiftung zusteht, ist dieser Anspruch vererblich. Nach Arnold (aaO Rz 55) gilt dies selbst für Ansprüche des Stifters aufgrund einer Letztbegünstigung (§ 6 PSG), weil zwar die Begünstigtenstellung unvererblich ist (§ 5 PSG), nicht aber die schon entstandene Forderung des Letztbegünstigten. Bei den angeführten Beispielen ist kein sachlicher Grund zu erkennen, warum ein schon entstandener, klagbarer Geldanspruch des Stifters ein höchstpersönlicher Anspruch sein sollte, der mit dem Tod des Stifters erlischt. Eine solche Ansicht ist aus dem Gesetz nicht abzuleiten.

c) Die gleichen Erwägungen müssen für einen schon eingeklagten und rechtskräftigen Informationsanspruch des Stifters gelten. Auch dieser der Feststellung von Geldansprüchen (Ansprüche auf Erträgnisse; Schadenersatzansprüche ua) vorgelagerte und ihnen dienende Anspruch ist - jedenfalls für die Zeit bis zum Ableben des Stifters - kein höchstpersönlicher Anspruch, der nur deshalb nicht erfüllt zu werden brauchte, weil der berechtigte Stifter vor Durchsetzung des Anspruchs verstirbt.

3. Im Exekutionsverfahren ist vor der Exekutionsbewilligung die materielle Richtigkeit und das rechtswirksame Zustandekommen des Exekutionstitels nicht zu prüfen (RIS-Justiz RS0013464 uva; Jakusch, in Angst, EO, § 3 Rz 20 mwN). Nachträglich entstandene, den Anspruch aufhebende Tatsachen kann der Verpflichtete nur mit Oppositionsklage geltend machen. Mit dem Einwand allein, der Stifter sei verstorben und habe seine unvererbliche Stifterstellung verloren, kann ein Erlöschen des eingeklagten Anspruchs auf Vorlage von Prüfberichten nicht begründet werden. Es liegt nicht ein einer sogenannten perplexen Exekution vergleichbarer Fall vor, der in der Rsp nur dann angenommen wird, wenn die getroffene Anordnung des Exekutionsgerichts ihrer Natur nach undurchsetzbar oder verboten ist (RIS-Justiz RS0000095). Vergleichbar ist vielmehr der Sachverhalt, wie er in der Entscheidung 3 Ob 34/61 = JBl 1961, 417 zu beurteilen war. Dort wurde ausgesprochen, dass der Exekutionsrichter nicht befugt sei, darüber zu entscheiden, ob der von einem Fruchtnießer betriebene Räumungsanspruch durch dessen Tod erloschen oder auf den Eigentümer der dienenden Sache übergegangen sei. Der Verpflichtete könne sich nur mit dem Rechtsbehelf der Vollstreckungsgegenklage zu Wehr setzen. Dies trifft auch hier zu.

Der erkennende Senat gelangt daher zum Ergebnis, dass es für die Frage, ob der vom Stifter einer Privatstiftung schon eingeklagte und rechtskräftig festgestellte Anspruch gegen den Stiftungsprüfer auf Ausfolgung von Prüfberichten ein höchstpersönlicher Anspruch des Stifters ist, der mit seinem Tod erlischt, auf den Inhalt und die Auslegung der die Stifterrechte regelnden Stiftungserklärung ankommt. Diese Umstände sind nicht im Exekutionsverfahren, sondern im Rechtsweg (§ 35 EO) zu klären.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekurses beruht auf den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO iVm § 78 EO.

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