OGH 9Ob27/07x

OGH9Ob27/07x8.8.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf sowie Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Manfred L*****, Rechtsanwalt,*****, gegen die beklagte Partei Dr. Werner L*****, emerit. Rechtsanwalt, *****, vertreten durch Mag. Andreas Bleier, Rechtsanwalt in Linz, wegen EUR

93.390 sA und eidliche Vermögensangabe (Streitwert EUR 7.500), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das „Teilurteil" des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 22. Februar 2007, GZ 6 R 225/06k-48, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Ein Kind kann enterbt werden, wenn es den Erblasser im Notstand hilflos gelassen hat (§ 768 Z 2 ABGB). Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist unter „Notstand" jeder Zustand der Bedrängnis - die nicht nur wirtschaftlich gemeint ist - zu verstehen, der nach den Grundsätzen der Menschlichkeit gerechterweise zu der Erwartung berechtigt, dass der Pflichtteilsberechtigte dem Erblasser helfen werde (7 Ob 505/95; 10 Ob 2379/96t; 2 Ob 252/00y; RIS-Justiz RS0012839 ua). Ob ein Verhalten den Tatbestand des § 768 Z 2 ABGB erfüllt (vgl dazu die Fallbeispiele aus der Rechtsprechung bei Welser in Rummel, ABGB³ § 768 ABGB Rz 3; Eccher in Schwimann, ABGB³ III § 768 Rz 8 ua) und auch vorwerfbar ist, betrifft wegen seiner Einzelfallbezogenheit keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (10 Ob 2379/96t; 8 Ob 137/98z; 2 Ob 252/00y ua). Den Vorinstanzen, die von der mangelnden Berechtigung der Enterbung des Klägers - und demzufolge schon gar nicht von einer Erbunwürdigkeit iSd § 540 zweiter Fall ABGB (vgl RIS-Justiz RS0037146 ua) - ausgegangen sind, ist keine unvertretbare Auslegung unterlaufen, die im Interesse der Rechtssicherheit korrigiert werden müsste. Zutreffend ging das Berufungsgericht davon aus, dass nach der Rechtsprechung den beklagten Erben die Beweislast dafür trifft, dass der Pflichtteilsberechtigte vom Erblasser zu Recht enterbt wurde (RIS-Justiz RS0012856 ua). Eine erhebliche Rechtsfrage stellt sich auch insoweit trotz weitwendigem Vorbringen des Revisionswerbers nicht. Fragen der Beweiswürdigung, die der Revisionswerber von den Vorinstanzen als nicht in seinem Sinn gelöst erachtet, sind hier nicht nochmals zu erörtern. Ihre Überprüfung ist dem Obersten Gerichtshof entzogen (Kodek in Rechberger, ZPO³ § 503 Rz 1 mwN ua). Was der Erblasser bei Lebzeiten seinem Sohn „unmittelbar zum Antritte eines Amtes oder was immer für eines Gewerbes gegeben" hat, ist gemäß § 788 ABGB in den Pflichtteil einzurechnen. Die Anrechnungsposten des § 788 ABGB sind taxativ aufgezählt. Der Begriff des „Antritts" wird von der Rechtsprechung extensiv interpretiert. Eine Anrechnungspflicht kann demnach auch dann bestehen, wenn die Zuwendung nicht bloß zum Antritt, sondern zur Fortführung eines bereits bestehenden Betriebs (zB Zuwendungen zur Vornahme von Investitionen in einen bereits bestehenden Betrieb) erfolgt ist (Umlauft, Anrechnung 28; 2 Ob 40/06f ua). Welche Zuwendung des Erblassers nun die genannten Voraussetzungen erfüllt, hängt wiederum von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab, die in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO begründen, solange keine krasse Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts vorliegt. Eine solche kann in der Auffassung, dass ein von der Erblasserin übergebener Betrag von ATS 150.000 (EUR 10.900,93), der vom Kläger zum Ankauf von Pensionsversicherungszeiten verwendet worden sein soll, nicht unmittelbar zum Antritt (und auch nicht zur Fortführung) eines Betriebs gegeben wurde, nicht erblickt werden. Ob dem gegenüber der „Verzicht" der Erblasserin auf „interne" Mietrechtsanteile an einer Anwaltskanzlei und Kanzleimöbel ihres vorverstorbenen Ehegatten zugunsten der Parteien die genannten Voraussetzungen nach § 788 ABGB erfüllen könnte (vgl 8 Ob 527/86 ua), kann hier auf sich beruhen, weil nicht eindeutig feststeht, dass der diesbezügliche Verzicht als Zuwendung der Erblasserin iSd § 788 ABGB bezweckt war, sondern auf Grund der Drohung, das Testament des vorverstorbenen Ehegatten der Erblasserin wegen anrechenbarer Vorempfänge der Erblasserin anzufechten, erfolgte (vgl zur Zweckbezogenheit Kralik, Erbrecht³ 294; Umlauft aaO 27 f ua). Wegen der besonderen Einzelfallbezogenheit liegt auch insoweit keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO vor. Eine unvertretbare Beurteilung des Berufungsgerichts ist nicht gegeben. Ein Vorschuss, bei dem die Verrechnung mit dem Pflichtteil besonders bedungen worden wäre (§ 789 ABGB; RIS-Justiz RS0012985, RS0012996 ua), wurde nicht geltend gemacht und ist auch sonst nicht hervorgekommen.

Was schließlich die Beurteilung der Schlüssigkeit der Gegenforderung des Beklagten wegen der aus seiner Sicht überproportionalen Nutzung der vormals gemeinsamen Kanzleiräumlichkeiten durch den Kläger angeht, kann von einer „rechtsschutzabschneidenden" Beeinträchtigung der Rechtssicherheit durch die Vorinstanzen keine Rede sein. Die Beurteilung des Erstgerichts, dass es bezüglich dieser Gegenforderung an einem schlüssigen Vorbringen des Beklagten mangle, der sich auch das Berufungsgericht anschloss, kam nicht überraschend, wurde doch der Beklagte von der sorgfältig agierenden Erstrichterin zweimal aufgefordert, ein nachvollziehbares Vorbringen zu Grund und Höhe der Gegenforderung zu erstatten. Hieß es zunächst, dass der Kläger Räumlichkeiten benütze, die dem Beklagten zustehen, war dann im Beklagtenvorbringen von einem „Realempfang" (des Pflichtteils) die Rede. Laut Revision sei „eindeutig" ein Vertrag vom 6. 6. 1974 die Grundlage für ein vom Kläger zu forderndes Entgelt für die Überlassung nicht mehr benützter Kanzleiräumlichkeiten. Ob diese Eindeutigkeit schon in erster Instanz gegeben war, hängt von der Auslegung des Parteivorbringens im Einzelfall ab, die keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO begründet (RIS-Justiz RS0037780, RS0042828 ua). Eine unvertretbare Auslegung des Beklagtenvorbringens durch die Vorinstanzen wird vom Revisionswerber nicht aufgezeigt. Richtig ist sein Hinweis, dass ein bloß unsubstantiiertes Bestreiten eines gegnerischen Vorbringens unter Umständen als schlüssiges Tatsachengeständnis iSd § 267 ZPO gewertet werden kann (RIS-Justiz RS0039927); dies allerdings nur unter der vom Revisionswerber übergangenen Voraussetzung, dass das gegnerische Vorbringen ausreichend substantiiert ist (vgl 7 Ob 1653/95 ua). Gerade letzteres wurde aber bezüglich des Beklagtenvorbringens zur strittigen Gegenforderung verneint.

Zusammenfassend ist daher die außerordentliche Revision des Beklagten mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage als unzulässig zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

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