Spruch:
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Begründung
Mit der am 7. 4. 2005 eingebrachten Klage begehrte die Klägerin von der Beklagten die Zahlung von rückständigem Mietzins. Das Erstgericht verfügte die Zustellung der Klage samt Ladung für die am 10. 6. 2005 anberaumte vorbereitende Tagsatzung an die Beklagte an der Adresse 4020 Linz, Promenade 3. Tatsächlich wurde lediglich die Ladung zur Tagsatzung abgefertigt und diese nach vorausgegangenem Zustellversuch am 3. 5. 2005 beim Zustellpostamt hinterlegt. Da die Tagsatzung am 10. 6. 2005 auf Beklagtenseite unbesucht blieb, erließ das Erstgericht über Antrag der klagenden Partei ein Versäumungsurteil, das nach einem Zustellversuch an der oben angeführten Adresse am 15. 6. 2005 hinterlegt wurde. Am 27. 7. 2005 bestätigte das Erstgericht die Rechtskraft und Vollstreckbarkeit des Versäumungsurteils.
Mit Schriftsatz vom 27. 9. 2005 beantragte die beklagte Partei die Aufhebung der Bestätigung der Rechtskraft und der Vollstreckbarkeit sowie des Versäumungsurteils, die Zustellung der Klage und die Anberaumung einer Tagsatzung. In eventu stellte die beklagte Partei einen Wiedereinsetzungsantrag und erhob Widerspruch gegen das Versäumungsurteil. Zur Begründung ihrer Anträge führte die beklagte Partei aus, dass ihr weder die Klage noch das Versäumungsurteil wirksam zugestellt worden seien, da sie an der Adresse 4020 Linz, Promenade 3 keine Abgabestelle habe. Vom gegenständlichen Verfahren habe sie durch Zufall am 15. 9. 2005 erfahren.
Das Erstgericht wies die Anträge der beklagten Partei ab, weil von einer rechtswirksamen Zustellung der Klage und des Versäumungsurteils auszugehen sei.
Das Rekursgericht hob die Bestätigung der Vollstreckbarkeit des Versäumungsurteils gemäß § 7 Abs 3 EO auf und bewilligte die Zustellung der Klage. An der Adresse 4020 Linz, Promenade 3 bestehe keine Abgabestelle der beklagten Partei, es sei daher zu keiner wirksamen Zustellung der Ladung der beklagten Partei und ebenso wenig zu einer rechtswirksamen Zustellung des Versäumungsurteils gekommen. Den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen diesen (Teil des) Beschluss(es) wies der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom 18. 12. 2006 zurück.
Am 11. 10. 2006 wurden dem Rechtsvertreter der beklagten Partei die Klage sowie das Versäumungsurteil vom 10. 6. 2005 zugestellt. Gegen das Versäumungsurteil erhob die beklagte Partei Berufung wegen Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 4 ZPO, mit dem Antrag das angefochtene Urteil und das gesamte Verfahren erster Instanz als nichtig aufzuheben.
Die klagende Partei beantragte in ihrer Berufungsbeantwortung die Berufung als verspätet zurückzuweisen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung teilweise Folge, hob das angefochtene Versäumungsurteil als nichtig auf und wies den Antrag der klagenden Partei auf Erlassung eines Versäumungsurteils ab, sowie die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Im Übrigen, nämlich soweit mit dem Berufungsantrag die Aufhebung des gesamten erstinstanzlichen Verfahrens als nichtig beantragt wurde, „verwarf" es die Berufung. Es sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil für die Heilung eines Zustellmangels „durch Einlassung" keine näheren gesetzlichen Determinierungen vorlägen, sondern der Oberste Gerichtshof dies aus einem allgemeinen Verfahrensgrundsatz ableite. Gegen den der Berufung stattgebenden Teil des Beschlusses des Berufungsgerichts richtet sich der „Revisionsrekurs" (richtig: Rekurs) der klagenden Partei. Der Rekurs ist entgegen der, den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Rechtsansicht des Berufungsgerichts unzulässig.
Rechtliche Beurteilung
Der Rechtsmittelwerber bekämpft ausschließlich die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass die Berufung rechtzeitig erhoben worden sei. Die beklagte Partei habe mit Schriftsatz vom 27. 9. 2005 vorgebracht, vom gegenständlichen Verfahren erstmals am 15. 9. 2005 Kenntnis erlangt zu haben. Sie habe in diesem Zusammenhang mit Schriftsatz vom 27. 9. 2005 gegen das Versäumungsurteil Widerspruch erhoben und gleichzeitig beantragt, die Erteilung der Vollstreckbarkeitsbestätigigung dieses Versäumungsurteils aufzuheben. Damit habe die beklagte Partei entsprechend dem Zustellinhalt reagiert und könne sich nicht mehr wirksam auf eine mangelhafte Zustellung berufen.
Diese Ausführungen sind nicht geeignet eine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO aufzuwerfen.
Es ist gesicherte Rechtsprechung, dass ein Schriftstück nur dann im Sinn des § 7 ZustG als „tatsächlich zugekommen" gilt und dass ein bei der Zustellung unterlaufener Mangel nur dann geheilt ist, wenn das Schriftstück in die Hände des Empfängers gelangt. Die bloße Kenntnis vom Inhalt des Zustellstücks reicht für den Eintritt der Rechtsfolgen der Zustellung nicht aus (SZ 71/204; 9 ObA 321/00x; 1 Ob 66/01i; Gitschthaler in Rechberger ZPO3 § 87 [§ 98 ZustG] Rz 5 mwH; Stumvoll in Fasching/Konecny2 II/2 § 87 ZPO [§ 87 ZustG] Rz 12 mwH; RIS-Justiz RS0083733).
Der Oberste Gerichtshof vertritt nun die, aus allgemeinen Verfahrensgrundsätzen abgeleitete Auffassung, dass ein nachträgliches Berufen auf einen Zustellmangel dann nicht möglich sei, wenn dem „Zustellinhalt gemäß reagiert" wurde, insbesondere eine Verfügung über das Schriftstück getroffen wurde und es zu einer „Heilung durch Einlassung" gekommen sei (7 Ob 75/04m; 10 Ob 47/03i; 10 ObS 376/02w; Gitschthaler aaO Rz 7; RIS-Justiz RS0083731). Diese Auffassung hat der Oberste Gerichtshof insbesondere im Fall der Erhebung eines Rechtsmittels gegen die nicht oder nicht gesetzmäßig zugestellte Entscheidung vertreten (7 Ob 75/04m; 10 Ob 47/03i; 10 ObS 376/02w). Keiner der in diesen Entscheidungen behandelten Fälle liegt hier vor. Insbesondere ist in keiner Weise ersichtlich, dass die beklagte Partei zum Zeitpunkt der Einbringung ihrer Anträge (27. 9. 2005) über das Zustellstück in dem Sinn Verfügungen getroffen hat. Vielmehr ist ihren Anträgen gerade das Gegenteil zu entnehmen, nämlich, dass sie erst zu einem späteren Zeitpunkt Rechtsmittel erheben wolle (vgl 1 Ob 66/01i). Dass die beklagte Partei mit ihrem Antrag auf Aufhebung der Bestätigung der Vollstreckbarkeit auch die Aufhebung des Versäumungsurteils begehrte, vermag daran nichts zu ändern. Der Rekurs ist daher zurückzuweisen.
Zur Kostenentscheidung ist auszuführen, dass die beklagte Partei nicht auf die Unzulässigkeit des Rekurses hinwies, ihre Rechtsmittelbeantwortung daher nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich war.
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