OGH 2Ob47/07m

OGH2Ob47/07m12.7.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Veith, Dr. Grohmann und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ingeborg K*****, vertreten durch Dr. Gerda Schildberger, Rechtsanwältin in Bruck an der Mur, gegen die beklagte Partei Monika U*****, Reinigungsunternehmerin, ***** vertreten durch Dr. Edwin A. Payr, Rechtsanwalt in Graz, wegen EUR 23.299,90 sA und Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 7. Dezember 2006, GZ 2 R 178/06y-50, womit das Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 28. August 2006, GZ 5 Cg 32/06d-44, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird aufgehoben und es wird die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin kam am 17. 12. 2003 in der Lamingfeldsiedlung in Bruck an der Mur im Bereich der Müllentsorgungsstelle zu Sturz und wurde dadurch schwer verletzt. Die Klägerin ist Mieterin einer im Eigentum der A***** Gesellschaft ***** mbH stehenden Wohnung in einem zu dieser Siedlung gehörigen Haus. Die Beklagte, die ein Reinigungsunternehmen betreibt, ist aufgrund einer Vereinbarung mit der Vermieterin zur Erledigung des Winterdienstes („Schneeräumen und Streudienst der Gehwege, Parkplätze und Zufahrtsstraßen laut StVO nach Bedarf") verpflichtet.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten EUR 23.299,90 sA (EUR 20.000 Schmerzengeld, der Rest unfallkausal verursachte Aufwendungen) sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle künftigen Folgen aus dem Unfallsgeschehen. Die Klägerin brachte im Wesentlichen vor, die Beklagte sei ihren von der Liegenschaftseigentümerin rechtsgeschäftlich übertragenen Verpflichtungen nicht nachgekommen und habe insbesondere jegliche Bestreuungs- und Wartungsmaßnahmen schuldhaft unterlassen. Dadurch habe sich eine Eisplatte bilden können, auf der die Klägerin ausgerutscht sei. Die Beklagte habe ihre Streuverpflichtung über einen längeren Zeitraum nicht erfüllt, zumal bereits am frühen Morgen des Unfallstages ein anderer Hausbewohner an derselben Stelle ohne Verletzungsfolgen aufgrund der Eisglätte zu Sturz gekommen sei. Die Beklagte als selbständige Unternehmerin hafte ohne Beschränkung auf grobe Fahrlässigkeit. Die Klägerin sei von den Schutz- und Sorgfaltspflichten dieser vertraglichen Beziehung der Beklagten mit der Vermieterin mitumfasst. Die Unterlassung der Bestreuung des vereisten Zugangsbereiches sei rechtswidrig. Die Beklagte treffe ein Organisationsverschulden, weil sie zur Erbringung des Winterdienstes im gegenständlichen Bereich zu wenig Personal eingesetzt und dadurch eine mangelhafte Leistung erbracht habe. Die Beklagte habe keine ausreichenden und geeigneten Kontrollen durchgeführt, weil ihr andernfalls die Glatteisbildung im Unfallsbereich schon in der Früh des Unfallstages auffallen hätte müssen. Bei ordnungsgemäßer Streuung in den Mittagsstunden des Unfallstages wäre eine Eisbildung in den Abendstunden, in denen der Unfall passiert sei, nicht möglich gewesen. Die Klägerin treffe kein Mitverschulden am Unfall, da sie zum Unfallszeitpunkt winterfeste, mit einer guten Profilsohle ausgestattete Schuhe getragen habe, jedoch trotz der erforderlichen Aufmerksamkeit aufgrund der Finsternis den Sturz nicht habe verhindern können. Sie habe mit der Eisplatte auch nicht rechnen müssen. Die Beklagte habe die Verpflichtungen gemäß § 93 StVO übernommen. Der Gehsteig, auf dem der Unfall passiert sei, diene dem öffentlichen Verkehr. Die Straßen, Wege und Gehwege in der Wohnanlage seien weder abgeschrankt noch als Privatstraßen gekennzeichnet, es seien auch keine anderen auf die Beschränkung des öffentlichen Verkehrs hinweisende Tafeln aufgestellt. § 93 StVO sei daher anwendbar.

Die Beklagte brachte vor, sie habe die ihr übertragenen Winterdienstarbeiten ordnungsgemäß durchgeführt, zumal die Unfallstelle am Unfallstag zwischen 6.00 und 8.00 Uhr geräumt und gestreut und um 13.00 Uhr nochmals kontrolliert und gestreut worden sei. Aufgrund der Wettersituation sei ein weiterer Einsatz nicht erforderlich gewesen. Die Beklagte hafte der Klägerin mangels eines Vertragsverhältnisses zwischen den Streitteilen grundsätzlich nur nach Deliktsrecht. Die Angestellten der Beklagten hätten die Reinigungs- und Streuarbeiten stets ordnungsgemäß vorgenommen und seien nicht untüchtig, die Beklagte habe auch nicht gewusst, dass die Angestellten gefährlich gewesen wären. Die mit dem Winterdienst betrauten Mitarbeiter seien zuverlässige und sorgfältige Dienstnehmer. Die Beklagte habe in kurzen Abständen Kontrolltätigkeiten ausgeführt. Der Vorfall habe sich auf der von der Klägerin bewohnten Liegenschaft ereignet, sodass eine Haftung nach § 93 StVO ausgeschlossen sei. Da der Klägerin als Mieterin vertragsrechtliche Schadenersatzansprüche gegen ihren Vermieter zustünden, habe die Klägerin keinen auf vertragliche Schutzwirkung zu ihren Gunsten gestützten Anspruch gegen die Beklagte. Die Klägerin habe nicht auf den Weg geachtet, bei entsprechender Sorgfalt hätte sich der Sturz nicht ereignet. Gegenüber diesen Sorglosigkeiten in eigenen Angelegenheiten trete ein allfälliger Verstoß der Beklagten gegen die ordnungsgemäße Ausübung des Winterdienstes in den Hintergrund. Ein rechtliches Interesse am Feststellungsbegehren liege nicht vor, da eine weitere Verschlechterung bei der Klägerin nicht zu befürchten sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf (in der Berufung bekämpfte) Feststellungen zur Organisation des Winterdienstes im Unternehmen der Beklagten sowie zu den konkret durchgeführten Räum- und Streumaßnahmen im Unfallbereich vor dem Unfall. Weiters stellte das Erstgericht unbekämpft Folgendes fest:

Vom 15. bis 17. 12. 2003 herrschte im Bereich Bruck an der Mur/Kapfenberg eine stürmische Nordwest- bis Nordströmung mit eingelagerten Störungszonen. Ab 18. 12. 2003 beruhigte sich unter zunehmendem Hochdruckeinfluss das Wetter, wobei sich örtlich zähe Nebelfelder bildeten. In der Nacht vom 14. auf den 15. 12. 2003 regnete es in Bruck an der Mur. Dieser Regen ging tagsüber zunächst in Schneeregen, dann in Schneefall über. Die Lufttemperatur sank im Tagesverlauf von Werten um + 3° C auf etwa - 1° bis - 2° C in der Nacht zum 16. 12. 2003. Der Schneefall dauerte am 16. 12. 2003 bei Lufttemperaturen zwischen etwa - 2° C und knapp + 1° C weiterhin bis in die Nacht zum 17. 12. 2003 an. Die Schneehöhe betrug am Morgen des 16. 12. 2003 rund 15 cm, am Morgen des 17. 12. 2003 etwa 17 cm, davon 5 cm Neuschnee. Der 17. 12. 2003 verlief, abgesehen von unergiebigen Schneeschauern, die keinen messbaren Neuschneezuwachs brachten, weitgehend niederschlagsfrei bei Temperaturen zwischen - 2° C am Morgen und knapp + 1° C am frühen Nachmittag. Am 17. 12. 2003 erreichte die bodennahe Temperatur 0° C; es kam im Tagesverlauf kurzzeitig zu Schmelzprozessen. Am 17. 12. 2003 lag die Temperatur im Zeitraum von 13.00 bis 17.00 Uhr etwa 1 bis 2° unter dem Gefrierpunkt. Ein Wiedergefrieren des Schmelzwassers fand am 17. 12. 2003 bereits in den frühen Nachmittagsstunden statt. Am 17. 12. 2003 befand sich um 6.45 Uhr morgens im Bereich der gegenständlichen Müllentsorgungsanlage eine Eisplatte.

Am späten Nachmittag des 17. 12. 2003 gegen 17.25 Uhr verließ die Klägerin ihre Wohnung und begab sich zur Müllinsel der Wohnhausanlage Lamingfeld F2, um den Müll hinauszubringen. Die Klägerin trug in der rechten Hand einen Kunststoffsack und in der linken Hand eine Öldose. Sie trug Winterschnürstiefel mit einer festen Gummiprofilsohle. Es war finster; der unmittelbare Bereich der Müllinsel war nicht beleuchtet. Die einzige Lichtquelle war die einige Meter von der Müllentsorgungsstelle entfernte Milchglaslampe beim Hauseingang. Die Luftaußentemperatur betrug - 1° C. Der Zugang vom Haus zur Müllinsel war von Schnee geräumt und eisfrei. Unmittelbar vor der Müllinsel hatte sich eine Eisplatte gebildet, die aufgrund der Sichtverhältnisse für die Klägerin nicht erkennbar war. Auf der eisigen Stelle an der südöstlichen Ecke der Müllinsel rutschte die Klägerin aus, versuchte, ihren Fall abzufangen, und stürzte in der Folge über ihren linken Arm zu Boden.

Hätten die Mitarbeiter der Beklagten in den Mittagsstunden des 17. 12. 2003 mehr Salz gestreut, wäre die Bildung der Eisplatte im Unfallbereich in den späten Nachmittagsstunden nicht möglich gewesen. Durch den Sturz erlitt die Klägerin einen Oberarmbruch links im Bereich des Ellbogengelenkes sowie einen Speichenbruch des Handgelenkes links mit Abbruch des Ellengriffels.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, die Klägerin könne sich auf einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (Vertrag zwischen der Beklagten und der Vermieterin) nicht berufen, da ihr direkte Ansprüche aus ihrem Vertragsverhältnis mit der Vermieterin zustünden. Da sich der Sturzbereich nicht auf einem öffentlichen Gehweg, sondern auf einem allgemeinen Teil einer Privatliegenschaft befinde, sei § 93 StVO nicht anwendbar. Die Beklagte hafte auch nicht gemäß § 1319a ABGB, da die Beklagte nicht zu den „Leuten" (der Vermieterin als Wegehalterin) im Sinn des § 1319a ABGB zähle. Deliktisch hafte die Beklagte nicht. Sie habe danach für ihre Gehilfen gemäß § 1315 ABGB einzustehen. Da die Mitarbeiter der Beklagten ihre Aufgaben grundsätzlich zuverlässig wahrgenommen hätten, könne von einer habituellen Untüchtigkeit im Sinne des § 1315 ABGB nicht die Rede sein. Die von der Beklagten behauptete Tüchtigkeit ihrer Gehilfen sei von der Klägerin nie bestritten worden. Die Beklagte habe auch ihre Überwachungspflichten eingehalten, es treffe sie auch kein Organisationsverschulden.

Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil. Es erachtete eine Auseinandersetzung mit der Beweisrüge der Klägerin in deren Berufung aus rechtlichen Erwägungen für entbehrlich. Rechtlich führte es aus, ein schutzwürdiges Interesse an der Einbeziehung des geschädigten Dritten in den Schutzbereich eines Vertrages werde regelmäßig dann verneint, wenn der Dritte kraft eigener rechtlicher Sonderverbindung mit seinem Vertragspartner, der seinerseits den späteren Schuldner vertraglich als Erfüllungsgehilfen beigezogen habe, einen deckungsgleichen Anspruch auf Schadenersatz habe. Da die Klägerin als Mieterin einer Wohnung in dieser Siedlung die Vermieterin in Anspruch nehmen hätte können, stehe ihr gegen die Beklagte als deren Gehilfin kein Schadenersatzanspruch zu. Aus den Feststellungen im Zusammenhalt mit den in ihrer Echtheit außer Streit gestellten Lichtbildern lasse sich ableiten, dass es sich offenbar um ein für jedermann erkennbares Siedlungsgebiet handle. Der Unfall habe sich daher nicht auf einem Gehsteig gemäß § 93 StVO ereignet. Selbst wenn Benützungsbeschränkungen nicht ersichtlich gemacht worden seien, könne für solche Wege innerhalb einer Wohnhausanlage die Haftung des Liegenschaftseigentümers nicht auf § 93 Abs 1 und 2 StVO gestützt werden. Der Wegehalter könne seine Pflichten gemäß § 1319a ABGB mittels Vertrages auf andere übertragen. Nach ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung hafte aber ein mit solchen Aufgaben betrauter selbständiger Unternehmer nach allgemeinen schadenersatzrechtlichen Regelungen, ohne dass ihm das in § 1319a ABGB normierte Haftungsprivileg (Haftung nur bei grobem Verschulden) zugebilligt werde. Vom Anwendungsbereich des § 1319a ABGB würden im Regelfall innerhalb eines Grundstückes befindliche Wege ausgenommen, weil ihnen das die sachliche Rechtfertigung für die haftpflichtrechtliche Sonderbehandlung bildende belastende Merkmal der „Zulässigkeit der allgemeinen Benützung" fehle. Auch hier bestehe demnach für die Heranziehung des § 1319a ABGB kein Anlass. Der Klagsanspruch bestehe auch nicht auf Grundlage einer allgemeinen Deliktshaftung zu Recht. Die Klägerin sei in ihrem absoluten Recht auf körperliche Unversehrtheit verletzt worden. Eine solche Verletzung sei grundsätzlich verboten, sodass zu prüfen sei, ob die Klägerin ihre Ansprüche gegen die Beklagte geltend machen könne, weil diese gegen eine Verhaltenspflicht verstoßen habe. Nach herrschender Ansicht enthalte der Vertrag zwischen Geschäftsherr und Gehilfen zwar keine Schutzwirkungen zugunsten des geschädigten Dritten, weshalb kein vertraglicher Anspruch insoweit bestehen könne. Für den deliktischen Bereich könne sich eine Handlungspflicht des Gehilfen aber aus dem ihm erteilten Auftrag ergeben. Bei der Prüfung, ob der Gehilfe aus einem eigenständigen Delikt dem Geschädigten gegenüber hafte, sei in der Regel zu beachten, welche konkreten Aufgaben ihm übertragen worden seien und dass hier auch der Sorgfaltsmaßstab unterschiedlich sei. Eine allfällige deliktische Haftung der Beklagten könne nur aus deren Vertrag mit der Vermieterin abgeleitet werden, gegen die die Klägerin aber einen Direktanspruch habe. Es erschiene nun systemfremd, der Klägerin hinsichtlich des vertraglichen Anspruchs die Inanspruchnahme der Beklagten aus dem mit dieser von der Vermieterin geschlossenen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter im Hinblick auf einen Direktanspruch zu versagen, ihr aber im Umweg über andere Rechtsinstitute aus eben diesem Vertrag heraus gerade diese Drittwirkung wieder zuzubilligen. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil Rechtsfragen von übergeordneter Bedeutung in einer Weise gelöst worden seien, für die höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle. Dagegen richtet sich die ordentliche Revision der Klägerin aus den Revisionsgründen der Aktenwidrigkeit des Berufungsurteiles, der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Klagsstattgebung abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt in der Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil dem Berufungsgericht eine auffallende Fehlbeurteilung unterlaufen ist, die aus Gründen der Rechtssicherheit vom Obersten Gerichtshof aufzugreifen ist. Die Revision ist im Sinne des Aufhebungsantrages in die Berufungsinstanz auch berechtigt. Eine entscheidungsrelevante Aktenwidrigkeit des Berufungsurteiles liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Zutreffend haben die Vorinstanzen verneint, der zwischen der Vermieterin und der Beklagten abgeschlossene Vertrag über die Überbindung der Streu- und Räumpflichten entfalte Schutzwirkungen zugunsten der Klägerin. Ein Vertrag mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter ist nämlich dort nicht zu unterstellen, wo der Dritte gegen einen der beiden Kontrahenten Ansprüche aus eigenem Vertrag hat (SZ 51/176; 7 Ob 245/02h; 2 Ob 226/05g; RIS-Justiz RS0037785 [T26]; RS0021681 [T7]; vgl auch RIS-Justiz RS0017043). Vorliegend hätte die Klägerin einen vertraglichen Anspruch gegen die Vermieterin. Der Vermieter hat im Rahmen seiner Schutz- und Sorgfaltspflichten gegenüber dem Mieter dafür zu sorgen, dass dieser durch die Unterlassung von Erhaltungs- und Betreuungsmaßnahmen an allgemeinen Teilen der Liegenschaft nicht zu Schaden kommt (5 Ob 3/05k). Er ist gegenüber dem Mieter gemäß § 1096 ABGB aus dem Vertrag zur Säuberung und Streuung verpflichtet (ZVR 1982/261; RIS-Justiz RS0021318; RS0023235).

Entgegen der Rechtsansicht der Vorinstanzen ist jene Stelle, auf der die Klägerin gestürzt ist, durchaus in einem Bereich gelegen, der dem Begriff eines dem öffentlichen Verkehr dienenden Gehsteigs bzw Gehwegs gemäß § 93 Abs 1 StVO zu unterstellen ist. Nach den insoweit unangefochtenen Feststellungen des Erstgerichtes in Zusammenhalt mit den vorgelegten Lichtbildern war der Eisfleck, auf dem die Klägerin ausgerutscht ist, nicht mehr in jenem unmittelbaren Zugangsbereich zum Haustor, aus dem die Klägerin gekommen war. Die Sturzstelle lag vielmehr in jenem Bereich, wo ein Gehweg, beginnend neben der „Müllinsel" und sodann weiterführend zwischen Sträuchern auf der einen Seite und Schrägparkplätzen auf der anderen Seite, zu anderen Wohnhäusern führt. Weder weist ein Schild darauf hin, dass es sich um keinen öffentlichen Weg handle oder der Weg nur für einen eingeschränkten Kreis von Benützern gestattet sei, noch gibt es irgendwelche baulichen Maßnahmen wie Schranken oder Zäune, die eine Benützung des Gehweges für jedermann behindern, einschränken oder darauf hindeuten würden, der Weg diene nicht dem öffentlichen Verkehr. Die von den Vorinstanzen zitierte Judikatur, wonach in einem Hof liegende Flächen oder innerhalb eines Grundstückes befindliche Wege keine solchen im Sinne des § 1319a ABGB seien (RIS-Justiz RS0109222, vgl auch RS0030061) bzw wofür keine Streupflicht gemäß § 93 Abs 1 StVO bestehe (RIS-Justiz RS0023322), ist daher hier nicht einschlägig.

Der Umstand, dass der Weg, auf dem sich der Sturz ereignete, im Eigentum der Vermieterin steht, ist rechtlich irrelevant. Bei der Beurteilung, ob es sich um einen „dem öffentlichen Verkehr dienenden Gehweg" im Sinne des § 93 Abs 1 StVO handelt und ob daher den Grundeigentümer die Pflichten im Sinne dieser Gesetzesbestimmung treffen, kommt es auf die Eigentumsverhältnisse nicht an (VwGH 85/02/0073; 2 Ob 156/05p).

Der gemäß § 93 Abs 1 StVO räum- und streupflichtige Anrainer kann durch Rechtsgeschäft diese Verpflichtung übertragen, wie es hier an die Beklagte geschehen ist. Diesfalls tritt die Beklagte an die Stelle des Anrainers (§ 93 Abs 5 StVO).

Für den gemäß § 93 Abs 5 StVO Beauftragten gilt aber nach der Rechtsprechung, dass er für seine Gehilfen nur im Rahmen des § 1315 ABGB einzustehen hat (5 Ob 173/02f = RIS-Justiz RS0023377 [T2]). Die Klägerin hat in erster Instanz nicht behauptet, die Mitarbeiter der Beklagten, die zum Räumen und Streuen verpflichtet waren, wären habituell untüchtig oder gefährlich gewesen, wovon die Beklagte gewusst habe. Nach diesen Grundsätzen muss daher die Beklagte für ein allfälliges Fehlverhalten ihrer Gehilfen nicht einstehen. Nach ständiger Rechtsprechung haftet eine Gemeinde für eigenes Verschulden ihrer leitenden Funktionäre, wenn ihre Organisation unzureichend ist, um einen entsprechenden Schneeräumdienst und Streudienst sicherzustellen (zB Einsatz ungeeigneter Maschinen, mangelhafte Instruktion oder Beaufsichtigung des Besorgungsgehilfen) (SZ 44/187; SZ 51/80; ZVR 1987/8; ZVR 1988/50; ZVR 1991/48; RIS-Justiz RS0023138). Wenngleich die zitierten Entscheidungen sich jeweils auf Verpflichtungen einer Gemeinde bezogen haben, ist doch kein Grund ersichtlich, warum andere Rechtsträger, seien sie juristische, seien sie natürliche Personen, bei unzureichender Organisation des Winterdienstes anders behandelt werden sollten als politische Gemeinden (vgl auch 2 Ob 64/98w).

Die Klägerin hat der Beklagten in erster Instanz ein derartiges Organisationsverschulden (ON 31 und 40) sowie den Mangel an ausreichenden Kontrollen und der ausreichenden Überwachung der Mitarbeiter (ON 43) vorgeworfen. Bei Vorliegen derartiger Umstände käme daher eine Haftung der Beklagten in Betracht.

In ihrer Berufung hat die Klägerin zahlreiche Feststellungen zur Organisation des Betriebes der Beklagten, zu deren Kontroll- und Überwachungstätigkeiten sowie zu den konkreten Streumaßnahmen von Angestellten der Beklagten am Unfallstag bekämpft und stattdessen Feststellungen begehrt, aus denen sich ein Organisationsverschulden der Beklagten oder allenfalls nicht ausreichende Kontrollen oder eine nicht ausreichende Überwachung der Mitarbeiter und somit in rechtlicher Hinsicht ein haftungsbegründender Sachverhalt ergeben könnte.

Mit dieser Beweisrüge hat sich das Berufungsgericht auf Grund einer anderen Rechtsansicht nicht befasst. Es war daher das angefochtene Urteil aufzuheben und dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung nach Behandlung der Beweisrüge der Klägerin aufzutragen, ohne dass noch auf § 1319a ABGB eingegangen werden müsste. Für das fortgesetzte Verfahren ist darauf hinzuweisen, dass die Beweislast für die gehörige Organisation des Schneeräumungs- und Streudienstes sowie dessen Überwachung die Beklagte trifft (SZ 51/50; vgl RIS-Justiz RS0026351).

Weiters ist anhand der insoweit unbekämpften Feststellungen über die Verhaltensweise der Klägerin vor dem Sturz, über die Sichtverhältnisse sowie über das von ihr getragene Schuhwerk festzuhalten, dass sie kein Mitverschulden am Sturz trifft. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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