OGH 4Ob38/07b

OGH4Ob38/07b20.3.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner als Vorsitzenden und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien O***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Mag. Dr. Johannes Winkler, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei „Ö*****"***** GmbH, *****, vertreten durch Berger Saurer Zöchbauer, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert im Provisorialverfahren 32.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 4. Dezember 2006, GZ 4 R 231/06d-8, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 erster Satz ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Vorinstanzen wiesen den auf Unterlassung, Medienwerke erscheinen zu lassen, die kein Impressum gemäß § 24 MedienG aufweisen, gerichteten Sicherungsantrag ab. Mit unrichtigen oder fehlenden Angaben über die medienrechtlich verantwortlichen Personen könne sich der Medieninhaber der Verfolgung entziehen oder diese zumindest erschweren; damit sei eine Beeinträchtigung des freien Leistungswettbewerbs verbunden. Diese Gesetzwidrigkeit sei aber nicht geeignet, der Beklagten einen ungerechtfertigten Vorsprung im Wettbewerb zu verschaffen, weil die beanstandete Unterlassung keine nicht bloß unerhebliche Nachfrageverlagerung herbeiführen könne. Die Klägerin macht als erhebliche Rechtsfrage geltend, das Rekursgericht habe sich mit der vertretenen Rechtsansicht zur Spürbarkeitsgrenze in Widerspruch zur Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gesetzt.

Rechtliche Beurteilung

Ein Gesetzesverstoß begründet nur dann sittenwidriges Handeln iSd § 1

UWG, wenn er subjektiv vorwerfbar und geeignet ist, dem Verletzer

einen sachlich nicht gerechtfertigten Vorsprung vor gesetzestreuen

Mitbewerbern zu verschaffen. Von einem Vorsprung in diesem Sinn kann

nach neuerer Rechtsprechung nur gesprochen werden, wenn das

gesetzwidrige Handeln geeignet ist, eine nicht unerhebliche

Nachfrageverlagerung zu bewirken. Die Wettbewerbswidrigkeit kann

nämlich nicht völlig losgelöst davon beurteilt werden, in welchem

Ausmaß sie den Wettbewerb beeinflusst, weil es nicht Aufgabe des

Wettbewerbsrechts sein kann, gegen jede noch so geringe

Nachfrageverlagerung vorzugehen (4 Ob 99/03t = ÖBl 2004/19 -

Veranstaltungshinweise; 4 Ob 59/03k = ÖBl 2004/7 -

Organisationsbeitrag II; 4 Ob 49/05t = ÖBl 2006/3 -

Kurzberichterstattung II; RIS-Justiz RS0117605). Dieses - durch die

bei Verstößen gegen § 2 UWG geforderte „wettbewerbliche Relevanz"

teilweise vorweggenommene - Prinzip der „Spürbarkeit"

wettbewerbswidrigen Verhaltens (4 Ob 222/06k; Wiltschek, Die

Spürbarkeitsgrenze im österreichischen Lauterkeitsrecht, in Aktuelle

Fragen des Lauterkeitsrechts, 263 f mwN) hat die Rechtsprechung in

Fällen der Wertreklame (ÖBl 2000/126 - Tip des Tages III) und

schließlich auch auf Verstöße gegen § 1 UWG wegen sittenwidrigen

Rechtsbruchs angewendet (4 Ob 59/03k = ÖBl 2004/7 -

Organisationsbeitrag II; 4 Ob 99/03t = ÖBl 2004/19 -

Veranstaltungshinweise; 4 Ob 49/05t = ÖBl 2006/3 -

Kurzberichterstattung II; 4 Ob 161/05p; 4 Ob 74/06w).

Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass - im Gegensatz zu den von der Klägerin zitierten „Impressumfällen" (4 Ob 97/93 = ÖBl 1993, 226 ua; RIS-Justiz RS0067533) - die beanstandete Gratiszeitung ohne Impressum auf die gleichzeitig erscheinende gleichnamige Kaufzeitung desselben Medieninhabers verweist, die das gesetzmäßige Impressum enthält. Die Rechtsansicht des Rekursgerichts, das fehlende Impressum in der gratis verteilten (umfänglich reduzierten) Ausgabe der Tageszeitung bewirke keine spürbare Nachfrageverlagerung, bildet weder unter dem Aspekt der dadurch veranlassten Erschwerung der Verfolgung allfälliger Rechtsverstöße (Erfordernis des Erwerbs der entgeltlichen Ausgabe, allenfalls zwischenzeitig eingetretene Änderung des Impressums, was gar nicht behauptet wurde) noch der erzielten Absatzsteigerung für die Kaufzeitung (durch Kunden die am Impressum interessiert sind und bei Abdruck des Impressums in der Gratisausgabe vom Kauf der entgeltlichen Ausgabe Abstand genommen hätten) eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung. Auf die in erster Instanz nicht geltend gemachte schmarotzerische Ausbeutung oder irreführende Nutzung staatlicher Symbole ist wegen Verstoßes gegen das auch im Sicherungsverfahren geltende Neuerungsverbot (stRsp, RIS-Justiz RS0002445) nicht einzugehen. Da die Klägerin keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO aufzuzeigen vermag, ist ihr Revisionsrekurs zurückzuweisen.

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