OGH 4Ob119/07i

OGH4Ob119/07i10.7.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rudolf B*****, Bestattungsunternehmer, *****, vertreten durch Prof. Haslinger & Partner, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Stadtgemeinde A*****, vertreten durch Mag. Dr. Josef Kattner, Rechtsanwalt in Amstetten, wegen Unterlassung (Streitwert 30.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Klägers gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 20. April 2007, GZ 4 R 3/07a-10, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 EO iVm § 526 Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Dauerschuldverhältnisse können, soweit nichts anderes vereinbart oder gesetzlich vorgesehen ist, auch ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes durch ordentliche Kündigung aufgelöst werden (Rummel in Rummel3 § 859 Rz 27 mwN; aus der Rsp etwa 4 Ob 302/72 = SZ 45/20; 1 Ob 326/98t = ÖBA 1999/818; RIS-Justiz RS0018924). Die Auffassung der Vorinstanzen, dass die Beklagte die hier zu beurteilende Vereinbarung über die wechselseitige unentgeltliche Nutzung von Aufbahrungsgegenständen auf diese Weise kündigen konnte, ist nach Kriterien der Vertretbarkeit nicht zu beanstanden. Dabei ist von Bedeutung, dass der Kläger im Rekurs nur ganz allgemein das Vorliegen eines „unkündbaren" Vertrags behauptete, demnach ohne konkrete Tatsachen anzuführen, die auf eine Unkündbarkeit schließen ließen. In erster Instanz hatte er insofern bloß vorgebracht, es folge „aus der Entstehungsgeschichte" der betroffenen Vereinbarung, dass „bewusst keine Möglichkeit zur einseitigen Vertragsauflösung vorgesehen" worden sei. Es mangelte im Rekurs ferner an Ausführungen, welche der bereits im Verfahren erster Instanz angebotenen Bescheinigungsmittel Feststellungen zur „Entstehungsgeschichte" der ins Treffen geführten Unkündbarkeit ermöglicht hätten.

2. Die Kündigung wäre nur dann wegen Rechtsmissbrauchs zivilrechtlich unwirksam, wenn Schädigungsabsicht der einzige Grund der Rechtsausübung gewesen wäre oder wenn zwischen den von der Beklagten verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des Klägers ein krasses Missverhältnis bestanden hätte (RIS-Justiz RS0026265; RS0026271, insb T18, T19, T22, T23, T24). Da Rechtsmissbrauch notwendigerweise subjektive Vorwerfbarkeit impliziert, läge dann auch sittenwidriges Verhalten iSv § 1 UWG vor (vgl RIS-Justiz RS0078865). Wegen ihrer Einzelfallbezogenheit begründet die in diesem Zusammenhang erforderliche Interessenabwägung idR keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung.

Eine auffallende Fehlbeurteilung liegt nicht vor. Der Kläger behauptet, die Beklagte habe die Vereinbarung nur deswegen aufgelöst, weil er aus anderen Gründen wettbewerbsrechtliche Schritte gegen sie eingeleitet habe. Selbst in diesem Fall hätte sie aber das ihr objektiv zustehende Kündigungsrecht wahrnehmen dürfen, um sich von einem Geschäftspartner zu trennen, zu dem aus diesem Grund kein Vertrauensverhältnis mehr bestand.

3. Dass die Beklagte nicht nur ein Bestattungsunternehmen betreibt, sondern auch für die Verwaltung der Friedhöfe verantwortlich ist, macht keinen Unterschied. Bei der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung der Art und Weise, wie die öffentliche Hand am Wettbewerb teilnimmt, wird ein Verstoß gegen § 1 UWG dann bejaht, wenn die öffentliche Hand (Macht-)Mittel missbräuchlich einsetzt, die ihr aufgrund ihrer öffentlich-rechtlichen Sonderstellung zur Verfügung stehen (4 Ob

24/95 = ÖBl 1996, 80 - Städtische Bestattung; 4 Ob 21/04y = wbl

2004/208, 394 - Friedhofsverwaltung; 4 Ob 283/04b = ÖBl 2005, 260 -

Billigdiesel-Tankstellen; alle mwN). Ob das zutrifft, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet daher idR keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung.

Die Weigerung der Beklagten, ihre Aufbahrungsgegenstände durch den Beklagten nutzen zu lassen, kann in vertretbarer Weise als zulässig angesehen werden. Denn dem Beklagten steht es ohnehin frei, seine eigenen Aufbahrungsgegenstände in die Leichenhallen der von der Beklagten verwalteten Friedhöfe zu bringen. Dass die Beklagte dort über solche Gegenstände verfügt, folgt aus ihrer unternehmerischen Tätigkeit und nicht aus ihrer Stellung als Friedhofsverwalterin. Sie setzt daher keine Machtmittel der öffentlichen Hand ein, wenn sie die weitere Nutzung dieser Gegenstände nicht zulässt.

Ob die Beklagte verpflichtet wäre, dem Kläger gegen angemessenes Entgelt Aufbewahrungsmöglichkeiten für seine Sachen zur Verfügung zu stellen, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Nur insofern könnte es auf das im Revisionsrekurs angesprochene Gleichbehandlungsgebot ankommen (vgl 6 Ob 191/05i = RdW 2006, 145). Eine Verpflichtung, eigene Betriebsmittel durch einen Mitbewerber nutzen zu lassen, besteht auch für ein von der öffentlichen Hand betriebenes Unternehmen nicht.

4. Ist die Beklagte nicht verpflichtet, den Kläger ihre Aufbahrungsgegenstände nutzen zu lassen, so kommt es auf die Angemessenheit des dafür verlangten Entgelts aus wettbewerbsrechtlicher Sicht nicht an. Ein Anwendungsfall der Essential-facilities-Doktrin (4 Ob 17/02g = SZ 2002/43 - EDV-Firmenbuch I mwN) liegt schon deswegen nicht vor, weil die Nutzungsverweigerung nicht geeignet ist, jeglichen Wettbewerb auszuschließen. Dass es für den Kläger möglicherweise rentabler wäre, die Aufbahrungsgegenstände der Beklagten zu nutzen, reicht nicht aus.

5. Die Entscheidungen der Vorinstanzen halten sich somit im Rahmen der ständigen Rechtsprechung. Der Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen.

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