OGH 7Ob123/07z

OGH7Ob123/07z20.6.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Irina O*****, vertreten durch Dr. Alois Nussbaumer und andere Rechtsanwälte in Vöcklabruck, gegen die beklagte Partei Gemeinde S*****, vertreten durch Mag. Christian Schönhuber, Rechtsanwalt in Schwanenstadt, wegen EUR 12.391 sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 28. März 2007, GZ 2 R 237/06w-57, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Wels vom 29. September 2006, GZ 6 Cg 60/02h-49, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 399,74 (darin EUR 66,62 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Nach einem Gewitterregen am 17. 8. 2001 wurden der Hausgarten und das Haus der Klägerin überflutet, weil die Niederschlags- und Oberflächengewässer infolge unzureichend ausgebauter und unterdimensionierter sowie teilweise durch Betonreste verstopfter Oberflächen- und Schmutzwasserkanäle und Kanalschächte nicht abgeleitet werden konnten, sondern einen mehr als ein Meter hohen Rückstau bildeten. Unstrittig ist, dass der Klägerin von der Haftpflichtversicherung der Beklagten die am 11. 3. 2002 bekannten Schäden und Sanierungskosten bereits ersetzt wurden. Die Klägerin begehrte von der Beklagten weitere EUR 12.391 sA an merkantilem Minderwert, den das Grundstück erlitten habe. Davon wurden im zweiten Rechtsgang - bereits rechtskräftig - EUR 3.300 sA zuerkannt und EUR 4.091 sA abgewiesen. Den restlichen (noch strittigen) Anspruch der Klägerin (EUR 5.000 sA) beurteilte das Berufungsgericht wie folgt:

Der Klägerin sei es im abgeführten Beweisverfahren nicht gelungen, eine auf die Überflutung vom 17. 8. 2001 zurückgehende, nachteilige Veränderung der Untergrundverhältnisse (und einen daraus resultierenden Schaden bzw eine technische Wertminderung) unter Beweis zu stellen, zumal sie nicht bereit gewesen sei, den vom Sachverständigen mit EUR 5.000 veranschlagten Kostenaufwand für eine Baugrunduntersuchung vorzuschießen. Ihrem ersatzweisen Bemühen, diese Untersuchungskosten aus dem Titel der 'Wertminderung' zu beanspruchen, komme keine Berechtigung zu. Die Beweislast für den Eintritt eines Schadens treffe den Geschädigten. Er könne sich dieser Beweispflicht nicht dadurch entledigen, dass er den zu ihrer Erfüllung nötigen (Prozess-)Kostenaufwand als „Wertminderung" deklariere und vom Schädiger einfordere, um die Untersuchung - unabhängig von ihrem Ergebnis - auf dessen Kosten vornehmen zu können. Ein solches Vorgehen würde letztlich dazu führen, dem Geschädigten jegliches Prozess-(kosten-)risiko bezüglich der Beweisführung des Schadens abzunehmen. In diesem Zusammenhang sei auch noch auf die Rechtsprechung zu verweisen, wonach nur ein schon eingetretener konkreter Schaden zu ersetzen sei, während ein bloß wahrscheinlicher oder gar nur theoretisch möglicher Schaden noch keine Ersatzansprüche gebe. Die bloße Möglichkeit eines Schadenseintritts könne lediglich ein Feststellungsinteresse des Klägers begründen, mangels nachgewiesenen Schadens jedoch ein Zahlungsbegehren nicht rechtfertigen.

Die ordentliche Revision wurde zugelassen, weil „offenbar" noch keine höchstgerichtliche Judikatur zur Rechtsfrage vorliege, ob der (potentiell) Geschädigte Kosten zur Abklärung des Vorliegens eines eventuellen (weiteren) Sachschadens - namentlich unter dem Titel einer „Wertminderung" - gegen den (potentiellen) Schädiger geltend machen könne.

Die Revisionswerberin führt dazu aus, das ABGB enthalte einen weiten Schadensbegriff, wonach Schaden jeder Nachteil sei, der jemandem „am Vermögen, Rechten oder an der Person" zugefügt worden sei. Der weite Schadensbegriff des ABGB umfasse jeden Zustand, der rechtlich als Nachteil aufzufassen sei, an dem also ein geringeres rechtliches Interesse als am bisherigen Zustand bestehe. Bereits das Entstehen einer Verbindlichkeit verändere das Vermögen nachteilig. Nach dem weiten Schadensbegriff seien auch Kosten für die Klärung etwaiger nachteiliger Veränderungen durch die erfolgte Unterspülung der Fundamentplatte als Nachteil der Klägerin und somit als Schaden derselben zu qualifizieren. Außerdem führe das Nichtkennen des Umfanges der Veränderungen des Untergrundes zur Verstärkung des irrationalen Misstrauens potentieller Käufer, damit zur Erschwernis der Veräußerbarkeit, drücke den Wert der klägerischen Liegenschaftsanteile (zumindest in Höhe der veranschlagten Untersuchungskosten) und führe zur zusätzlichen Wertminderung, die zumindest in Höhe der Kosten anzusetzen sei, die für die Klärung des Umstandes aufgewendet werden müssten.

Dem hält die Revisionsbeantwortung - zutreffend - entgegen, dass (wie bereits das Berufungsgericht ausgeführt hat) nur ein konkret eingetretener Schaden zu ersetzen ist, während ein bloß wahrscheinlicher oder gar nur theoretisch möglicher Schaden im juristischen Sinne noch kein Schaden ist und es diesbezüglich auch keine Ersatzansprüche gibt:

Rechtliche Beurteilung

Es entspricht nämlich ständiger Rechtsprechung, dass die bloße Möglichkeit eines (weiteren) - durch das Verhalten des Beklagten adäquat kausal herbeigeführten - Schadenseintritts lediglich ein Feststellungsinteresse des Klägers begründen, mangels nachgewiesenen Schadens jedoch ein Zahlungsbegehren nicht rechtfertigen kann (RIS-Justiz RS0022464; 1 Ob 214/03g). Dies muss zweifellos auch für die hier vom Sachverständigen veranschlagten, aber bisher nicht aufgelaufenen Kosten für eine Baugrunduntersuchung gelten, deren Bevorschussung die Klägerin in ihrer Äußerung vom 1. 12. 2005 (ON 34) abgelehnt hat, wobei sie ausdrücklich deponierte, dass diese Untersuchung „unterbleiben" solle.

Das Berufungsgericht konnte sich mit seiner Entscheidung im vorliegenden Einzelfall somit an den tragenden Leitlinien der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs orientieren und hat diese auch nicht - als Voraussetzung der Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision - offenkundig fehlerhaft angewendet (1 Ob 221/06s mwN). Dass jene Leitlinien unrichtig seien, wird im Rechtsmittel aber gar nicht behauptet.

Mit den Ausführungen zu einer angeblichen „zusätzlichen Wertminderung, die zumindest in Höhe der Kosten anzusetzen ist, die für die Klärung des Umstandes aufgewendet werden müssen", entfernt sich das Rechtsmittel von den Feststellungen zur Höhe der - bereits zuerkannten - merkantilen Wertminderung (EUR 3.300); während es sich damit, ob hinsichtlich der (noch gar nicht aufgelaufenen) Untersuchungskosten anstelle einer Verurteilung zur Leistung ein Feststellungsurteil als minus in Betracht gekommen wäre, überhaupt nicht auseinandersetzt. Daher erübrigt sich auch eine Erörterung dieser Frage.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung die Zurückweisung des unzulässigen gegnerischen Rechtsmittels beantragt.

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