OGH 15Os26/07y

OGH15Os26/07y30.5.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 30. Mai 2007 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Danek, Hon. Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. T. Solé und Mag. Lendl als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Egger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Reinhard S***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Reinhard S***** und Peter G***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 29. November 2006, GZ 46 Hv 49/06p-24, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten Reinhard S***** und Peter G***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch den rechtskräftigen Schuldspruch eines weiteren Angeklagten enthält, wurden Reinhard S***** und Peter G***** des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach haben sie im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Robert S***** am 28. August 2005 in Reichenau dadurch, „dass zunächst Reinhard S***** seinen PKW in eine Zufahrtsstraße lenkte und sie sodann gemeinsam der Natascha I***** ihre Hose samt Unterhose herunterrissen, sie mehrfach mit ihren Fingern an der Scheide, am Brustansatz und am Gesäß berührten, während sie die Genannte abwechselnd an den Armen festhielten, (außer den Fällen des § 201 StGB) eine Person mit Gewalt zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung genötigt".

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpfen Reinhard S***** mit einer auf Z 5a und 9 lit a, Peter G***** mit einer auf Z 3, 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Die Rechtsmittel verfehlen ihr Ziel.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Reinhard S*****:

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) vermisst mit dem Hinweis, es sei nicht festgestellt worden, „wie das Festhalten des Tatopfers vor sich gegangen sei", Konstatierungen zum Vorliegen tatbildmäßiger Gewalt. Sie nimmt dabei jedoch nicht an der Gesamtheit der in den Entscheidungsgründen getroffenen Feststellungen Maß, wonach die drei Angeklagten die nur ca 45 kg wiegende Frau abwechselnd an den Armen festhielten, ihr Hose samt Unterhose (gewaltsam; US 5) herunterzogen und Natascha I***** gegen ihren Widerstand an Scheide, Gesäß und Brust betasteten, wogegen sich diese durch versuchtes Wegstoßen der Hände der Angeklagten und einen Biss in den Oberschenkel des Robert S***** zu wehren trachtete. Weshalb dies entgegen der ständigen Rechtsprechung, die unter Gewalt im Sinn des § 202 Abs 1 StGB die Anwendung jeder nach Lage des Falles überlegenen und zur Beugung bzw Beseitigung eines tatsächlichen oder etwa zu erwartenden Widerstandswillens des Opfers geeigneten physischen Kraft versteht (wobei das bloße Festhalten einer Person genügt; RIS-Justiz RS0095776), den Gewaltbegriff nicht erfüllen sollte, legt die Beschwerde nicht dar. In der vom Beschwerdeführer zitierten Entscheidung 13 Os 45/06a hat der Oberste Gerichtshof im Übrigen nicht das Vorliegen von Gewalt beim „Herunterreißen" einer Hose verneint, sondern das erstinstanzliche Urteil wegen mangelnder Feststellungen zum Zweck der tatsächlich eingesetzten Kraft aufgehoben.

Der formelle Nichtigkeitsgrund nach Z 5a greift seinem Wesen nach erst dann, wenn Beweismittel, die in der Hauptverhandlung vorkamen, nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen - wie sie die Berufung wegen Schuld im Einzelrichterverfahren einräumt - wird dadurch nicht ermöglicht. Indem die Tatsachenrüge lediglich auf Widersprüche in der Aussage der Zeugin I***** die Verriegelung der Tür des Kraftfahrzeuges betreffend hinweist und ein mögliches Motiv für eine Falschbelastung der Angeklagten durch diese Zeugin ins Spiel bringt, wendet sie sich nicht gegen die Feststellung entscheidender Tatsachen, sondern bekämpft - hier unbeachtlich (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 491) - lediglich den persönlichen Eindruck der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit dieser Beweisperson. Erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Urteil zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen vermag die Beschwerde damit nicht zu erwecken, zumal sich die Tatrichter mit eben diesen beiden Punkten in ihrer Beweiswürdigung eingehend auseinandergesetzt haben (US 6, 7).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Peter G*****:

Die Verfahrensrüge (Z 3) moniert einen Widerspruch zwischen dem Urteilsspruch, wonach die Angeklagten der Natascha I***** ihre Hose samt Unterhose herunterrissen, und den Urteilsgründen, die davon sprechen, die Angeklagten hätten ihr die Hose samt Unterhose heruntergezogen (US 3 f). Ein Nichtigkeit begründender Widerspruch liegt jedoch nicht vor, weil der Ausspruch nach § 260 Abs 1 Z 1 StPO sich in dem für die Subsumtion entscheidenden Umfang mit den als erwiesen angenommenen Tatsachen der Entscheidungsgründe deckt (WK-StPO § 281 Rz 272). Sowohl im Spruch als auch in den Gründen wird die tatbestandsrelevante Gewalt (Festhalten des Opfers) übereinstimmend beschrieben, die Art und Weise der Entkleidung des Opfers stellt hingegen keine entscheidungswesentliche Tatsache dar. Die Mängelrüge macht eine Unvollständigkeit der Urteilsbegründung geltend (Z 5 zweiter Fall), weil sich die Tatrichter nicht mit Beweisergebnissen, die für eine Alkoholisierung der Natascha I***** und gegen den von ihr geschilderten Biss in den Oberschenkel des Zweitangeklagten sprechen, auseinandergesetzt hätten. Damit spricht die Beschwerde aber keine für die Feststellung entscheidender, somit schuld- oder subsumtionsrelevanter Tatsachen wesentlichen Umstände an, sondern zieht lediglich die erstrichterliche Beweiswürdigung in Zweifel, ohne einen Begründungsmangel aufzeigen zu können. Gleiches gilt für die Frage, wer den Beschwerdeführer aufgefordert hätte, das Fahrzeug zu verlassen.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) wendet sich gegen den persönlichen Eindruck der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit der Zeuginnen S***** und I*****, indem sie die Aussage der einen gegen die Depositionen der anderen ins Feld führt, aus isoliert zitierten Passagen der Angaben der Zeugin I***** Widersprüche zu konstruieren trachtet und über die vermeintlich enthemmende Wirkung von Alkohol bei dieser Zeugin spekuliert. Mit Blick auf die belastenden Angaben des Opfers und die diese unterstützenden Depositionen der Zeugin Andrea S***** vor der Polizei gelingt es ihr solcherart jedoch nicht, erhebliche Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu erwecken.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO), woraus die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht der Angeklagten gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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