OGH 5Ob80/07m

OGH5Ob80/07m8.5.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Enteignungssache des Antragstellers Manfred F*****, vertreten durch Dr. Josef Olischar und Dr. Johannes Olischar, Rechtsanwälte in Wien, gegen die Antragsgegnerin Stadt Wien, Rathaus, 1082 Wien, vertreten durch Dr. Peter Rudeck und Dr. Gerhard Schlager, Rechtsanwälte in Wien, wegen Enteignungsentschädigung (EUR 62.849,85), über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 30. Jänner 2007, GZ 44 R 419/06b-18, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Liesing vom 25. Mai 2006, GZ 1 Nc 161/05x-6, teilweise abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs des Antragstellers wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Antragsteller ist Eigentümer der Liegenschaft EZ 300 Grundbuch *****.

Das Amt der Wiener Landesregierung ordnete mit Bescheid vom 22. 8. 2000 gemäß § 39 Abs 1 Wr BauO die Enteignung von Teilflächen der Liegenschaft des Antragstellers für den Ausbau der S*****straße an (Punkt I des Bescheids) und bestimmte die Höhe der Entschädigung für den Entzug des Eigentums mit EUR 33.752,42 (Punkt II des Bescheids). In Punkt III des Bescheids wird gemäß § 38 Abs 6 Wr BauO an baulichen Änderungen an dem von der Enteignung betroffenen Gebäude im Wesentlichen ein neuer Außenabschluss, eine neue flankierende Einfriedung und die Verlegung von Versorgungsleitungen angeordnet. Für diese baulichen Veränderungen wird in Punkt IV des Bescheids gemäß § 38 Abs 8 Wr BauO eine vorläufige Entschädigung von EUR 97.483,34 bestimmt. Der erste Teilbetrag daraus (EUR 32.494,42) war gleichzeitig mit der Entschädigung für den Entzug des Eigentums gemäß Punkt II des Bescheids, der zweite Teilbetrag (EUR 32.494,42) war nach Maßgabe des Baufortschritts der angeordneten baulichen Änderungen sowie Freimachung der enteigneten Grundflächen und der dritte Teilbetrag (EUR 32.494,50) war nach erfolgter Fertigstellungsanzeige fällig.

Auf Grund massiver Baugebrechen trug die Baubehörde mit Bescheid vom 2. 2. 2004 gemäß § 129 Abs 4 Wr BauO die Abtragung des Gebäudes auf. Der Antragsteller führte daraufhin nicht alle der in Punkt III des Enteignungsbescheids angeordneten baulichen Änderungen, sondern den Abtragungsauftrag aus.

Das Amt der Wiener Landesregierung setzte mit dem nunmehr vom Antragsteller im gerichtlichen Verfahren angefochtenen Bescheid vom 6. 9. 2005 die endgültigen Kosten für die in Punkt III des Enteignungsbescheids angeordneten und vom Antragsteller nur teilweise durchgeführten baulichen Änderungen mit EUR 33.563,99 fest und ordnete die Zahlung des restlichen Betrages von EUR 1.069,50 an. Der Antragsteller begehrte die (endgültige) Festsetzung der (gesamten) Entschädigung in Höhe der (vorläufig bestimmten insgesamt) EUR 97.483,34 und die Bezahlung des aushaftenden Teils von EUR 62.849,85 s.A. Maßgebend sei die ursprünglich festgesetzte Höhe der Entschädigung, während der nachträglich angeordnete Abbruch des Objekts darauf keinen Einfluss haben könne.

Die Antragsgegnerin beantragte Antragszurückweisung wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs, hilfsweise Antragsabweisung mit der wesentlichen Begründung, die endgültige Entscheidung richte sich ausschließlich nach den tatsächlich angefallenen Kosten. Das Erstgericht wies den Antrag ab und schloss sich dabei der Argumentation der Antragsgegnerin an.

Das Rekursgericht änderte den erstgerichtlichen Beschluss dahin ab, dass es die endgültigen Kosten für die unter Punkt III des Enteignungsbescheids angeordneten baulichen Änderungen mit EUR 33.563,99 festsetzte und das Mehrbegehren des Antragstellers abwies. Weiters verpflichtete das Rekursgericht den Antragsteller zum Ersatz der Kosten des Rekursverfahrens. Gegenstand des Verfahrens seien die nach § 38 Abs 8 Wr BauO ermittelten Kosten, die dem Eigentümer der Liegenschaft bzw des Gebäudes oder der baulichen Anlage durch die enteignungsbedingten Umbauten oder Änderungen an den von der Enteignung nicht umfassten Baulichkeiten entstünden, nicht aber die bereits rechtskräftig bestimmte Enteignungsentschädigung. Die Ausführungen des Antragstellers zum ausschließlich maßgeblichen Zeitpunkt der Enteignung und damit zur Irrelevanz späterer Änderungen der Sach- und Rechtslage gingen daher ins Leere. Die Kosten der aufgetragenen Baumaßnahmen seien nach § 38 Abs 8 Wr BauO erst nach Durchführung festzustellen und es seien eindeutig nur die tatsächlich entstandenen Kosten zu ersetzen. Durch die Anrufung des Gerichts trete der angefochtene Bescheid gemäß §§ 38 Abs 8, 44 Abs 6 Wr BauO zur Gänze außer Kraft, weshalb das Gericht die Höhe der zu ersetzenden Kosten festzustellen habe.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei und begründete dies mit dem Fehlen höchstgerichtlicher Judikatur zur Ermittlung der nach § 38 Abs 8 Wr BauO festzusetzenden endgültigen Kosten.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs des Antragstellers mit dem Antrag auf Abänderung dahin, die Höhe der Enteignungsentschädigung für den Verlust des gemäß Punkt III. des Enteignungsbescheids vom 22. 8. 2000 abzutragenden Gebäudeteils mit EUR 97.483,34 festzusetzen und der Antragsgegnerin die Bezahlung des noch aushaftenden restlichen Teils von EUR 62.849,85 s.A. aufzutragen. Hilfsweise stellt der Antragsteller auch einen Aufhebungsantrag.

Die Antragsgegnerin beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs des Antragstellers zurückzuweisen, in eventu diesem nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) - Ausspruch des Rekursgerichtes nicht zulässig:

1. Die Behörde hat nach § 38 Abs 6 Wr BauO auf Antrag des Enteignungswerbers oder des Eigentümers der betroffenen Liegenschaft bzw des Eigentümers der darauf befindlichen Gebäude und baulichen Anlagen (Superädifikate) deren Änderung anzuordnen, wenn der Weiterbestand von Gebäudeteilen auf den Restflächen durch bauliche Maßnahmen (Umbau oder bauliche Änderungen) nach den Vorschriften dieses Gesetzes zulässig ist und die hiefür notwendigen Aufwendungen wirtschaftlich vertretbar sind. § 38 Abs 8 Wr BauO verpflichtet die Behörde, die Kosten dieser baulichen Maßnahmen zu ermitteln und mit der Entschädigung vorläufig zu bestimmen. Nach Durchführung der aufgetragenen Baumaßnahmen hat die Behörde auf Antrag des Eigentümers der Liegenschaft bzw des Gebäudes oder der baulichen Anlage oder auf Antrag des Enteignungswerbers die endgültigen Kosten festzustellen und die entsprechenden Ausgleichszahlungen anzuordnen. § 38 Abs 8 Satz 3 Wr BauO verweist auf die sinngemäße Geltung des § 44 Abs 6 Wr BauO, der es jeder Partei des Enteignungsverfahrens freistellt, binnen drei Monaten ab Zustellung des Enteignungsbescheids die Entscheidung der ordentlichen Gerichte im außerstreitigen Verfahren über die Höhe der Entschädigung zu begehren, wodurch die Entscheidung über die Entschädigung außer Kraft tritt.

2. Die im Revisionsrekurs vom Antragsteller erstatteten Ausführungen im Sinn einer vermeintlichen Verpflichtung der Behörde, die vorläufig festgesetzten Kosten unabhängig vom zwischenzeitig erfolgten Abbruch des gesamten Gebäudes zu ersetzen, zeigen keine den Anforderungen des § 62 Abs 1 AußStrG entsprechende erhebliche Rechtsfrage auf. Eine solche liegt nämlich trotz Fehlens einer ausdrücklichen Judikatur des Obersten Gerichtshofs zu einer bestimmten Gesetzesbestimmung nicht vor, wenn das Gesetz selbst eine klare Regelung trifft (RIS-Justiz RS0042656); dies ist hier der Fall:

2.1. Die Bestimmung des § 38 Abs 8 Wr BauO lässt nach ihrem klaren und eindeutigen Wortlaut nur die Interpretation zu, dass nach vorläufiger Ermittlung der für die angeordneten Maßnahmen nötigen Kosten ausschließlich die endgültigen und tatsächlich aufgrund der durchgeführten Baumaßnahmen entstandenen Kosten die Basis für die abschließende Festsetzung der Entschädigungssumme nach § 38 Abs 8 Wr BauO darstellen können.

2.2. Der Antragsteller räumt selbst ein, dass der Abbruchauftrag mit dem Enteignungsverfahren nichts zu tun gehabt habe (S. 4 in ON 20), meint aber dennoch, dass ihm die daraus vermeintlich resultierenden Vermögensnachteile, nämlich höhere Abbruchkosten und der Verlust des von der Enteignung nicht berührten Gebäudeteils zu ersetzen seien. Ob nun diese Umstände im Rahmen der Bemessung der (eigentlichen) Enteignungsentschädigung relevant sein könnten, ist hier nicht Entscheidungsgegenstand. Bei der - hier allein maßgeblichen - Ermittlung des nach § 38 Abs 8 Wr BauO endgültig zustehenden Betrages sind die vom Antragsgegner angesprochenen Vermögensnachteile jedenfalls unbeachtlich und deren Berücksichtigung auf der Grundlage des § 38 Abs 8 Wr BauO würde zu einer durch diese Gesetzesstelle nicht gedeckten Leistung, folglich zu einer Bereicherung führen (allg zum Zweck der Enteignungsentschädigung als Vermögensausgleich und nicht als Bereicherungsmöglichkeit s RIS-Justiz RS0010844; vgl auch Rummel in Korinek/Pauger/Rummel, Handbuch des Enteignungsrechtes 305; Kerschner, Der Verkehrswert von Liegenschaften bei der Enteignungsentschädigung, JBl 2006, 355 [358]).

Sind daher die Kosten für bauliche Maßnahmen im Sinn des § 38 Abs 6 Wr BauO geringer als nach § 38 Abs 8 Wr BauO vorläufig festgesetzt, weil aufgrund des gänzlichen Gebäudeabbruchs keine oder nicht alle dieser baulichen Maßnahmen an einem (vorerst) verbleibenden (verbliebenen) Gebäudeteil nötig waren, wäre der Zuspruch der gesamten vorläufig festgesetzten Entschädigungssumme eine auf der Grundlage des § 38 Abs 8 Wr BauO nicht gedeckte Leistung an den Enteigneten. Ein solcher endgültiger Zuspruch der gesamten vorläufig festgesetzten Entschädigungssumme ungeachtet eines tatsächlich geringeren Aufwands widerspricht so eindeutig Wortlaut und Sinn des § 38 Abs 8 Wr BauO, dass sich insoweit keine erhebliche Rechtsfrage stellt, was zur Zurückweisung des Revisionsrekurses führen muss.

3. Soweit sich der Antragsteller gegen die Kostenentscheidung des Rekursgerichts wendet, ist diese nach § 62 Abs 2 Z 1 AußStrG nF, der in diesem außerstreitigen Verfahren (§§ 38 Abs 8, 44 Abs 6 Wr BauO) bereits anzuwenden ist (§ 203 Abs 7 AußStrG nF), nicht bekämpfbar.

4. Die Kostenentscheidung für das Revisionsrekursverfahren gründet sich auf die spezielle Kostentragungsregelung des § 44 Abs 1 EisbEG, dessen sinngemäße Anwendung § 44 Abs 1 Wr BauO anordnet. Aufgrund der Einseitigkeit der Kostenersatzpflicht nach § 44 EisbEG hat die Antragsgegnerin (Enteignungswerberin) die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung jedenfalls selbst zu tragen, auch wenn sie auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen hat. Auch bei ungerechtfertigtem Einschreiten des Enteigneten wird dieser nicht kostenersatzpflichtig (RIS-Justiz RS00558151).

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