Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Der Vater des am 14. 12. 1992 geborenen mj. Andreas S***** war zuletzt zu einer Unterhaltsleistung von 123,54 EUR verpflichtet. Der Minderjährige bezog Unterhaltsvorschuss in dieser Höhe. Seit 26. 8. 2006 verbüßt der Vater eine Freiheitsstrafe in der Justizanstalt Leoben, sie wird voraussichtlich am 16. 6. 2008 enden. Diese Freiheitsstrafe führte nach § 89 Abs 1 ASVG zum Ruhen der Leistungsansprüche des Vaters aus der Pensionsversicherung. Gemäß § 89 Abs 5 ASVG erhalten seine beiden Kinder die Hälfte dieser Pension, wobei auf den mj. Andreas 177 EUR monatlich entfallen. Am 29. 11. 2006 beantragte der Unterhaltssachwalter einen Haftvorschuss nach § 4 Z 3 UVG ab 1. 12. 2006 in Höhe von 162 EUR. Dieser Betrag errechnet sich mit der Differenz zwischen dem Richtsatz nach § 6 Abs 2 Z 3 UVG und dem Andreas nach § 89 Abs 5 ASVG zukommenden Pensionsanteil.
Das Erstgericht stellte den Titelvorschuss mit Ablauf des 30. 11. 2006 ein und gewährte Haftvorschuss in der beantragten Höhe für den Zeitraum zwischen 1. 12. 2006 und 31. 3. 2008.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien nicht Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zur Frage, ob der dem Minderjährigen nach § 89 Abs 5 ASVG zukommende Betrag als Eigeneinkommen oder als Leistung für den Vater in Erfüllung des Unterhaltsanspruchs zu beurteilen sei, Rechtsprechung fehle. Der Anspruch nach § 89 Abs 5 ASVG auf die Hälfte der Pension sei ein selbständiger Anspruch des Minderjährigen, er stehe ihm unabhängig von einem etwa bestehenden Unterhaltsanspruch zu. Er sei ebenso wie eine Waisenpension als Eigeneinkommen zu berücksichtigen und bei Berechnung des Haftvorschusses vom Richtsatz nach § 6 Abs 2 Z 3 UVG in Abzug zu bringen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Bundes, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien, ist zulässig, aber nicht berechtigt.
1. Der Revisionsrekurswerber macht geltend, § 89 Abs 5 ASVG schaffe ein Unterhaltssurrogat. Diese Leistung sei kein anrechenbares Eigeneinkommen des Unterhaltsberechtigten. Ihre Berücksichtigung als Eigeneinkommen des Unterhaltsberechtigten führte im vorliegenden Fall zu einer den Unterhaltstitel übersteigenden Vorschussleistung.
2. Gemäß § 4 Z 3 UVG sind Unterhaltsvorschüsse auch dann zu gewähren, wenn dem Unterhaltsschuldner aufgrund einer Anordnung in einem strafgerichtlichen Verfahren länger als einem Monat im Inland die Freiheit entzogen wird und er deshalb seine Unterhaltspflicht nicht erfüllen kann. Erhält das Kind im Zeitpunkt des Freiheitsentzugs Vorschüsse nach §§ 3, 4 Z 1, 2 oder 4, so laufen diese für längstens sechs Monate weiter, sofern der den Vorschüssen zugrunde liegende Titel aufrecht ist und nicht bereits früher ein Antrag auf Haftvorschuss gestellt wurde (Neumayr in Schwimann, ABGB³ § 4 UWG Rz 77).
Die Höhe des Haftvorschusses bestimmt sich nach den Richtsätzen des § 6 Abs 2 UVG. Der Richtsatzvorschuss beruht auf einem einheitlichen Pauschalbetrag, knüpft nicht an konkrete Lebensverhältnisse oder eine konkret feststellbare Unterhaltspflicht an (RIS-Justiz RS0076414; Neumayr § 7 Rz 39) und stellt auch keinen Zusammenhang mit der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners her. Aus diesem Grund ist bei Gewährung von Richtsatzvorschüssen auch nicht im Sinn des § 7 Abs 1 Z 1 UVG zu prüfen, wieweit durch eigene Einkünfte ein Abweichen des Exekutionstitels von der gesetzlichen Unterhaltspflicht eingetreten ist (4 Ob 549/91 = EvBl 1992/16, Seite 57; RIS-Justiz RS0076414). Die Berücksichtigung von Einkünften des Vorschussberechtigten erfolgt im Fall eines Richtsatzvorschusses nach § 7 Abs 1 Z 2 UVG. Diese Bestimmung ordnet eine Kürzung der Richtsatzvorschüsse im Ausmaß eigener Einkünfte an (Neumayr aaO § 7 Rz 39 mwN). Die Vorschüsse sind um die dem Berechtigten anzurechnenden Einkünfte zu verringern (RIS-Justiz RS0076408). Dass die unterschiedlichen Bemessungssyteme des UVG nicht miteinander vermengt werden dürfen, entspricht ständiger Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0076414).
2. Gemäß § 89 Abs 1 ASVG ruhen die Leistungsansprüche unter anderem in der Pensionsversicherung, solange der Anspruchsberechtigte eine Freiheitsstrafe verbüßt. Hat der Versicherte, dessen Leistungsanspruch ruht, Angehörige im Inland, die im Fall seines Todes Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente haben, so gebührt ihnen eine Rente (Pension) in der Höhe der halben ruhenden Rente (Pension). Diese Bestimmungen fanden sich schon im Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG) idF BGBl Nr 189/1955. Sinn und Zweck dieser Bestimmung war es, die Angehörigen von Versicherten, deren Anspruch ruht, durch die Gewährung „eigener Ansprüche" zu schützen (so ausdrücklich die Materialien RV 599 BlgNR 7. GP, 41). Die nach § 89 Abs 5 ASVG vom Vorschussberechtigten bezogenen Pensionsanteile sind somit Eigeneinkommen des Vorschussberechtigten und nach § 7 Abs 1 Z 2 UVG auf den Haftvorschuss anzurechnen (Neumayr aaO § 4 UVG Rz 74).
4. Aus den vorangehenden Überlegungen ist nachstehender Grundsatz abzuleiten: Leistungen aus der Pensionsversicherung, die ein unterhaltsberechtigtes Kind auf Grund eines eigenen Anspruchs nach § 89 Abs 5 ASVG erhält, sind bei Berechnung des Unterhaltsvorschusses nach § 4 Z 3 UVG („Haftvorschuss") vom Richtsatz in Abzug zu bringen. Die Vorinstanzen haben den Unterhaltsvorschuss nach § 4 Z 3 UVG zutreffend in Höhe der Differenz zwischen dem Richtsatz und der dem Unterhaltsberechtigten zukommenden anteiligen Pensionsleistung berechnet.
Dem unberechtigten Revisionsrekurs muss der Erfolg versagt bleiben.
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