OGH 10Ob41/07p

OGH10Ob41/07p17.4.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Eduard L*****, vertreten durch Dr. Manfred Winkler, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei B***** AG, *****, vertreten durch Univ. Prof. Dr. Friedrich Harrer und Dr. Iris Harrer-Hörzinger, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Nichtigkeitserklärung des Verfahrens 2 Cg 160/96w des Landesgerichtes Salzburg (Streitwert: EUR 335.178,17), infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 12. Jänner 2007, GZ 4 R 209/06t-48, womit aus Anlass der Berufung des Klägers das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 4. Juli 2006, GZ 2 Cg 182/04w-38, ebenso wie das vorangegangene erstinstanzliche Verfahren als nichtig aufgehoben und die Nichtigkeitsklage zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1. Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit EUR 2.561,69 (darin EUR 426,95 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.

2. Der vom Kläger weiters eingebrachte, als „Revisionsrekurs" bezeichneten Schriftsatz (ON 51) wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Zu Punkt 1:

Die hier beklagte Bank nahm den Kläger zu 2 Cg 160/96w des Erstgerichtes auf Zahlung von S 4,612.152,18 (EUR 335.178,17) in Anspruch. Diese (am 18. 6. 1996) eingebrachte Klage samt dem Auftrag zur Klagebeantwortung und das Versäumungsurteil (vom 10. 9. 1996) wurden ihm am 25. 6. 1996 bzw 12. 9. 1996 jeweils durch Hinterlegung zugestellt. Am 26. 11. 2003 beantragte er die Zustellung der Klage in eventu die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Klagebeantwortungsfrist und erhob Widerspruch gegen das Versäumungsurteil; weiters beantragte er, die Vollstreckbarkeitsbestätigung des Versäumungsurteils aufzuheben und eine beim Bezirksgericht Thalgau anhängiges Exekutionsverfahren aufzuschieben. Dazu brachte er vor, dass ihm bisher weder die Klage noch das Versäumungsurteil zugestellt worden seien. Nachdem seine auf Beseitigung der Säumnisfolgen abzielenden Anträge im genannten Verfahren ebenso wie der gegen das Versäumungsurteil erhobene Widerspruch erfolglos blieben, erhob er schließlich (am 6. 8. 2004) die vorliegende Nichtigkeitsklage gemäß § 529 ZPO, mit der die Aufhebung des Versäumungsurteils und des vorangegangenen Verfahrens als nichtig und die Abweisung des gegen ihn erhobenen Klagebegehrens begehrt wird.

Das Erstgericht wies die Nichtigkeitsklage ab.

Das Berufungsgericht verwarf die dagegen erhobene Berufung wegen Nichtigkeit; es hob aus Anlass der Berufung das angefochtene Urteil ebenso wie das vorangegangene Verfahren als nichtig auf und wies die Nichtigkeitsklage zurück. Nach der neueren, als herrschend anzusehenden Judikatur des Obersten Gerichtshofes scheide eine Nichtigkeitsklage infolge mangelhafter Zustellung aus; dies unabhängig davon, ob der Zustellmangel nur das Urteil oder das gesamte Verfahren betreffe. Die Nichtigkeitsklage sei daher unzulässig weshalb das Ersturteil - nach Erörterung der Rechtslage in der mündlichen Berufungsverhandlung - aus Anlass der Berufung von Amts wegen als nichtig aufzuheben und die Klage zurückzuweisen sei. Dagegen richtet sich der Rekurs des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass der Nichtigkeitsklage Folge gegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs des Klägers gegen den Beschluss des Berufungsgerichtes ist - unabhängig davon, ob eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 ZPO releviert wird - zulässig (RIS-Justiz RS0042831, RS0043861; RS0098745; 5 Ob 115/06g und 7 Ob 179/06h jeweils mwN; Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 519 ZPO Rz 70 mwN; Kodek in Rechberger³ § 519 Rz 8); er ist jedoch nicht berechtigt.

Zur Frage der Zulässigkeit der vorliegenden - auf die Behauptung unwirksamer Zustellungen im angeblich nichtigen Verfahren gestützten - Nichtigkeitsklage, ist zunächst festzuhalten, dass die in der jüngeren Rechtsprechung einhellig vertretene Rechtsansicht, eine Nichtigkeitsklage scheide in diesem Fall deshalb aus, weil es an der formellen Rechtskraft der Entscheidung fehle und zwar unabhängig davon, ob der Zustellmangel nur das Urteil oder das gesamte Verfahren betreffe (RIS-Justiz RS0078895 [T7] RS0110275 [T7]; RS0116036 [T5]), bereits der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 21. 2. 2006, 5 Ob 261/05a, zu entnehmen ist. Dieser Beurteilung, der sich in der Folge auch der 7. und der 2. Senat angeschlossen haben (7 Ob 5/06w und 2 Ob 148/06p) tritt auch der erkennende Senat bei. Der Rekurs zieht die Richtigkeit der dargestellten „gegenwärtigen ständigen Rechtsprechung" nicht in Zweifel; er beruft sich aber darauf, das Berufungsgericht hätte sich nicht an dieser „geänderten Spruchpraxis" orientieren dürfen, sondern - bei richtiger rechtlicher Beurteilung - die Rechtsprechung zum Zeitpunkt der Einbringung der Nichtigkeitsklage heranziehen müssen. Letztere sei nämlich auch für Gerichtsentscheidungen „für das gesamte Verfahren anzuwenden". Ohne ausdrückliches Zitat nimmt der Rekurs damit offenbar auf die - vereinzelt gebliebene und in den zitierten jüngeren Entscheidungen abgelehnte - Entscheidung vom 11. 9. 2003, 6 Ob 127/03z Bezug, in der der Standpunkt vertreten wurde, dass auch Fällen in denen es nicht um einen bloß den Titel betreffenden Zustellmangel, sondern um eine bereits das gesamte Verfahren zur Schaffung dieses Titels umfassende Nichtigkeit gehe, mit Nichtigkeitsklage vorzugehen sei. Nach § 406 iVm § 179 ZPO ist jedoch - wie bereits die Rekursbeantwortung zutreffend aufzeigt - der Zeitpunkt, auf den sich die Entscheidung zu beziehen hat, der Schluss der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz, sodass hier die Sach- und Rechtslage zum 4. 7. 2006 maßgebend war (Fucik in Fasching/Konecny² III § 406 ZPO Rz 2 und 8 mwN). Für gerichtliche Erkenntnisse besteht im Übrigen - anders als für Gesetze (§ 5 ABGB) - nach ständiger Rechtsprechung kein Rückwirkungsverbot, weshalb Änderungen der Judikatur auch davor verwirklichte Sachverhalte erfassen (SZ 70/245; RIS-Justiz RS0109026; 2 Ob 153/02t; 2 Ob 184/05f; Fucik aaO § 406 ZPO Rz 10; Posch in Schwimann³ I § 5 ABGB Rz 11 mwN zu FN 42). Die Nichtigkeitsklage wurde daher zu Recht zurückgewiesen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 iVm § 41 ZPO.

Zu Punkt 2:

Der Kläger hat auch noch ein - unrichtig - als „Revisionsrekurs" bezeichnetes Rechtsmittel eingebracht (ON 51). Dieser Schriftsatz ist wegen des Grundsatzes der Einmaligkeit des Rechtsmittels unzulässig (10 Ob 10/06b; RIS-Justiz RS0041666).

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