Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Der Vater Emanuel B***** wurde 2001 gerichtlich zu einer monatlichen Unterhaltsleistung für die beiden Minderjährigen von je 3.150 S (228,92 EUR) verpflichtet. Die Ehe der Eltern der Minderjährigen wurde 1999 geschieden. Die Kinder sind in Pflege und Erziehung der Mutter.
Mit dem am 7. 7. 2005 beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz beantragten die Kinder, den vom Vater zu leistenden monatlichen Unterhaltsbeitrag mit 486 EUR für Maxima ab 22. 10. 2001 und für Nina ab 12. 5. 2003 festzusetzen. Der Unterhaltspflichtige habe ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen von 1.600 EUR. Er könne eine Dienstwohnung mit Garten benützen. Das Wohn- und Nutzungsrecht sei mit 900 EUR zu bewerten, sodass die Bemessungsgrundlage 2.500 EUR betrage.
Der Vater beantragte, das Unterhaltserhöhungsbegehren abzuweisen. Er wandte ein, ein bis 6. 7. 2002 angelaufener Unterhaltsrückstand sei verjährt. Eine Erhöhung seiner Unterhaltsleistungen überstiege seine Leistungsfähigkeit.
Das Erstgericht erhöhte den vom Vater zu erbringenden monatlichen Unterhaltsbeitrag
- für Maxima auf 320 EUR vom 7. 7. 2002 bis 11. 5. 2003 und auf 300 EUR ab 12. 5. 2003,
- für Nina auf 300 EUR ab 12. 5. 2003.
Das Mehrbegehren wies es ab. Dabei ging es von folgenden Feststellungen aus:
Der Vater, den sonst keine Sorgepflichten treffen, bezog aus unselbständiger Erwerbstätigkeit durchschnittlich monatlich im zweiten Halbjahr 2002 1.245,03 EUR, im Jahr 2003 1.324,14 EUR, im Jahr 2004 1.315,19 EUR und im Jahr 2005 1.365,58 EUR. Von seinem Dienstgeber (Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur) wird dem Vater seit 1. 1. 1992 eine Dienstwohnung in der Kartause Mauerbach im Ausmaß von 131,13 m² gegen ein monatliches Nutzungsentgelt von 203 EUR zur Verfügung gestellt. Die Wasser- und Betriebskosten (Hausverwaltung, Versicherung, Kanal- und Wassergebühren, Rauchfangkehrer etc) für diese Wohnung werden vom Grundstückseigentümer getragen. Der Vater hat lediglich für die Stromkosten aufzukommen. Die Wohnung und die Betriebsräume werden von einer Zentralheizung mitbeheizt. Für das Jahr 2006 beträgt die ortsübliche Miete für diese Wohnung (einschließlich Umsatzsteuer, allgemeinen Betriebskosten und Heizung) 815 EUR. Für den Zeitraum von 2002 bis 2005 ergibt sich ein Mittelwert der Monatsmiete von 788,50
EUR.
Rechtlich führte das Erstgericht aus, die Bemessungsgrundlage setze sich aus dem monatlichen Durchschnittseinkommen des Vaters von 1.312,49 EUR und dem Wert der vom Dienstgeber zur Verfügung gestellten Wohnung zusammen. Es sei nicht gerechtfertigt, dem Vater den gesamten Wert der Wohnung mit einem Flächenausmaß von 131,13 m² in Höhe von monatlich 788,50 EUR anzulasten. Die Wohnung werde nämlich vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt. Der Vater könne sie sich nicht aussuchen. Als zusätzliches Einkommen könne nur jener monatliche Betrag angesehen werden, den er sich im Vergleich zu einer anderen Wohnung erspare, die er sonst in einer für ihn passenden Größe mieten müsste. Es entspreche der Gerichtserfahrung, dass Personen in der Alterskategorie und in den Einkommensverhältnissen des Vaters, die sich entschlossen hätten, ihr Wohnbedürfnis durch Benützung einer Mietwohnung zu befriedigen, bestrebt seien, eine Wohnung mit einer Fläche von rund 80 m² zu finden bzw zu bewohnen. Die monatlichen Miet- und Heizkosten für eine Wohnung in Mauerbach mit 80 m² seien mit 555,53 EUR (80 m² x 6 EUR/m² und 75,53 EUR Heizkosten) anzusetzen. Es sei angemessen, diesen Betrag - vermindert um das vom Vater zu zahlende Nutzungsentgelt von 203 EUR - als Sachbezug in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen. Die Unterhaltsbemessungsgrundlage betrage daher 1.665,02 EUR. Der von Maxima für die Zeit vom 22. 10. 2001 bis 6. 7. 2002 geltend gemachte Unterhaltserhöhungsanspruch sei verjährt. Nach der Prozentwertmethode ergeben sich die aus dem Spruch ersichtlichen, zugesprochenen Unterhaltsbeiträge für beide Kinder.
Das Rekursgericht bestätigte über Rekurs der Kinder diese Entscheidung. Es erwiderte der Rechtsrüge, dass nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs der Unterhaltsberechtigte sich nicht darauf verweisen lassen müsse, dass ihm der Unterhaltspflichtige die (luxuriöse) Ehewohnung zur Verfügung stelle und dadurch seine Unterhaltspflicht zur Gänze erfülle. In solchen Fällen werde auch ein entsprechender Bedarf an Barmitteln bejaht. Dem liege der Gedanke zugrunde, dass der Unterhaltsberechtigte sich nicht ohne Weiteres aussuchen könne, seine Wohnversorgung anderweitig zu decken. Neben der Wohnversorgung bestünden eben auch andere Bedürfnisse, die gedeckt werden müssten. Die Wohnkostenersparnis des Unterhaltsberechtigten sei bei der Ausmessung seines Unterhaltsanspruchs angemessen zu berücksichtigen. Dabei sei auf das marktkonforme periodische Entgelt für eine seinen Bedürfnissen und Lebensverhältnissen entsprechende Wohnung abzustellen (7 Ob 178/02f; vgl SZ 2004/121). Diese Überlegungen müssten aber auch für den Unterhaltspflichtigen gelten. Stelle ihm der Dienstgeber eine für seinen Bedarf zu große Dienstwohnung zur Verfügung, wobei er auf diesen Umstand in der Regel keinen Einfluss habe, könne er nicht auf die ihm solcherart zufließenden fiktiven Einkünfte verwiesen werden. Dies zeige der vorliegende Fall anschaulich. Ginge es nach dem Begehren der Minderjährigen blieben dem Vater Barmittel von nur 340,49 EUR im Monat, aus denen er nicht nur seine eigenen, über die reine Wohnversorgung hinausgehenden Bedürfnisse zur Gänze, sondern auch diejenigen seiner Gattin und seines Kindes abdecken müsste. Daher führte es zu einem völlig verzerrten und an der Lebensrealität vorbeigehenden Ergebnis, den fiktiven Gesamtwert des Objektes zur Bemessungsgrundlage hinzuzurechnen. Nur die Kosten einer angemessenen Wohnversorgung, die sich der Unterhaltspflichtige durch die Dienstwohnung erspare, könnten als Bestandteil der Unterhaltsbemessungsgrundlage herangezogen werden.
Nachträglich (§ 63 AußStrG) ließ das Rekursgericht den ordentlichen Revisionsrekurs zu. Der Oberste Gerichtshof habe schon darauf verwiesen, dass der Unterhaltsberechtigte vom Unterhaltspflichtigen nicht durch Sachleistungen allein seine Unterhaltsansprüche befriedigen lassen müsse, etwa durch Zurverfügungstellung einer zu großen Wohnung, sondern dass ihm auch angemessene Mittel zur Bestreitung der sonstigen Bedürfnisse bleiben müssten. Die gleiche Überlegung treffe auf den Unterhaltspflichtigen zu. Eine ausdrückliche Entscheidung des Obersten Gerichtshofs dazu liege aber noch nicht vor.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen die Entscheidung des Rekursgerichts erhobene, vom Vater nicht beantwortete Revisionsrekurs der Minderjährigen ist zwar aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.
1. Soweit der Revisionsrekurs noch immer einen Zuspruch der Unterhaltserhöhung für Maxima vom 22. 10. 2001 bis 6. 7. 2002 anstrebt, ist auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts zu verweisen, dass dieser Anspruchsteil verjährt ist (§ 1480 ABGB). Dagegen wurde schon im Rekurs von den Minderjährigen nichts vorgebracht.
2. Die vom Rekursgericht vertretene Rechtsauffassung bekämpfen die Rechtsmittelwerberinnen im Wesentlichen mit folgenden Argumenten:
Wenngleich der Vater keinen Einfluss darauf habe, welche Dienstwohnung ihm zur Verfügung gestellt werde, so sei doch der Sachbezug in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen, wenn er vom Unterhaltspflichtigen zur Gänze konsumiert werde. Der Vater nutze die Wohnung mit seiner Lebensgefährtin und deren Kind. Hinzu komme, dass er den Garten frei benützen könne und ihm die Nutzung des Innenhofs sowie die Mitbenützung von Werkstätten, Abstellplätzen usw im geschützten und gesperrten Bereich eines ehemaligen Klosters offenstehe. Gerade diese erhöhte Lebensqualität bewirke massiv reduzierte Lebenshaltungskosten, zumal sich der Vater durch die Nutzungsmöglichkeiten erhebliche Barmittel erspare, die andere Personen für Erholung oder Freizeitgestaltung benötigten. Das Argument, dass ein Unterhaltsberechtigter nicht die Erfüllung seines gesamten Unterhaltsanspruchs durch Zurverfügungstellung einer luxuriösen Wohnung hinnehmen müsse, sondern trotz der Benutzung der Wohnung Anspruch auf gewisse Barmittel habe, gehe im vorliegenden Fall ins Leere. Der Vater erhalte zum Einen neben dem Sachbezug auch Lohn und verwende zum Anderen die Wohnung zur Befriedigung auch des Wohnbedürfnisses seiner Lebensgefährtin und deren Kindes. Diese ersparten sich dadurch Kosten für eigenen Wohnraum und könnten dementsprechend Barmittel in den Haushalt einbringen. Darüber hinaus könnte der Vater die von ihm benützte Wohnfläche auf 80 m² und damit die ihm für die Benützung der Dienstwohnung vorgeschriebenen Mietzinse um 40 % reduzieren, sodass ihm jedenfalls diese Ersparnis anzurechnen wäre.
3. Hiezu wurde erwogen:
a) Die Behauptungen, dass der Vater nicht allein, sondern mit seiner Lebensgefährtin und deren Kind die Wohnung benütze und er auch die Möglichkeit hätte, die bewohnte Fläche auf 80 m² zu reduzieren, waren bereits im Rekursverfahren unzulässige Neuerungen, wie das Rekursgericht zutreffend ausführte. Sie sind im Revisionsrekursverfahren unbeachtlich (§ 66 Abs 2 AußStrG). Auf die darauf aufbauende Argumentation der Rechtsmittelwerber ist daher nicht einzugehen.
b) Zutreffend zeigt das Rechtsmittel auf, dass die Ausführungen des Rekursgerichts, der Vater müsse auch die Bedürfnisse seiner Gattin und seines Kindes abdecken, aktenwidrig sind. Das Erstgericht stellte unbekämpft fest, dass der Vater nur für die beiden antragstellenden Minderjährigen sorgepflichtig ist. Es gibt im Akt keinen Hinweis darauf, dass der Vater noch ein Kind hätte und verheiratet wäre. Demnach ist im Revisonsrekursverfahren von den Feststellungen des Erstgerichts auszugehen.
c) Maßgeblich für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen ist in erster Linie die sich aus seinem Gesamteinkommen nach Abzug von Steuern und öffentlichen Abgaben vom Einkommen ergebende tatsächliche wirtschaftliche Lage, somit die Summe der dem Unterhaltsschuldner tatsächlich zufließenden verfügbaren Mittel in Geld oder in geldwerten Leistungen (Sachbezüge mit Einkommensersatzfunktion, 10 ObS 429/02i; 1 Ob 143/02i mwN ua; zB verbilligter Strom [1 Ob 11/97t ua]; Überlassung von Kraftfahrzeugen zur Privatnutzung [1 Ob 143/02i; 5 Ob 1582/93 ua]; Dienstwohnung [3 Ob 351/97g; 1 Ob 529, 530/92]), soweit solche Einkommen nicht bloß der Abgeltung effektiver Auslagen dienen (1 Ob 337/99m = SZ 73/9 mwN uva).
Nach Auffassung des erkennenden Senats (arg „Leistung"; Einkommensersatzfunktion) muss die geldwerte Leistung - wie im Einkommenssteuerrecht (§ 15 Abs 2 EStG 1988; Doralt, EStG Kommentar8, § 15 Rz 10) - Zuwendungscharakter haben, um als Sachbezug des Unterhaltspflichtigen berücksichtigt zu werden. Deshalb ist eine Ersparnis des Vaters aus den behaupteten Vorteilen, die sich aus der Lage der Dienstwohnung ergäben, nicht zu veranschlagen, werden doch diese Vorteile dem Vater von seinem Dienstgeber nicht zugewendet.
d) Zur entscheidungswesentlichen Frage der Bewertung des Sachbezugs vertritt der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 1 Ob 143/02i die Ansicht, dass es nicht angeht, in jedem einzelnen Fall weitwendige Ermittlungen anzustellen, um den Umfang der tatsächlichen privaten Nutzung eines vom Dienstgeber überlassenen PKW abzuklären, vielmehr grundsätzlich davon auszugehen ist, dass der vom Dienstgeber bisher unbeanstandet verrechnete Wert des Sachbezugs den Gegebenheiten entspricht und einen reellen Einkommensbestandteil bildet. Dem folgend sprach der erkennende Senat in der Entscheidung 10 ObS 429/02i bereits aus, dass über den Wert der Sachbezüge keine weitwendigen Ermittlungen anzustellen sind, weshalb solange von der lohnsteuerrechtlichen Bewertung ausgegangen werden kann, als es keine Hinweise gibt, dass diese nicht den realen Gegebenheiten entsprechen. Im vorliegenden Fall übersteigt der festgestellte Marktwert des dem Vater von seinem Dienstgeber verbilligt zur Verfügung gestellten Wohnraums um mehr als 100 % die vom Dienstgeber ausgewiesene Höhe dieses Sachbezugs (s ON U 5, ON U 27 iVm ON U 37). Infolge dieser erheblichen Abweichung haben die Vorinstanzen die vom Dienstgeber ausgewiesene Höhe zutreffend nicht zur Bewertung des Sachbezugs herangezogen.
Gemessen an seinen im Geldeinkommen zum Ausdruck kommenden sonstigen wirtschaftlichen Verhältnissen wohnt der Vater zu aufwendig. Die Wohnung ist für ihn an sich zu groß. Zumal er keinen Einfluss darauf hat, welche Dienstwohnung ihm vom Dienstgeber zur Verfügung gestellt wird oder überhaupt zur Verfügung steht, ist es angebracht, diesen Umständen bei der Bemessung des Kindesunterhalts dadurch Rechnung zu tragen, dass als Wert der verbilligten Wohnungsmöglichkeit (des Sachbezugs) die Differenz zwischen dem Mietzins, den er auf dem örtlichen Wohnungsmarkt für eine seinem Lebensstandard entsprechende angemessene kleinere Wohnung zahlen müsste, und dem für die Dienstwohnung zu zahlenden Entgelt herangezogen wird.
e) Was eine angemessene kleinere Wohnung ist, ist grundsätzlich eine Frage des Einzelfalls. Die Auffassung der Vorinstanzen in diesem Punkt wird von den Rechtsmittelwerbern nicht bekämpft. Sie stellen die Bemessung des Unterhalts auf der von den Vorinstanzen angenommenen Bemessungsgrundlage auch nicht in Frage.
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